Zugegeben: Ich war mir sicher, dass die Fabulierungskünste von Spiegel Online einen unrühmlichen Höhepunkt erreichten, als man nach der bayerischen Kommunalwahl titelte, die bayerische SPD träume vom Minsterpräsidentensessel. Es gab eine kleine Diskussion hier, aber bei allen Aspekten, die auftauchten, kam doch niemand auf die Idee, SPON habe vielleicht schlicht und ergreifend ein echtes Qualitätsproblem.
Doch das könnte gut sein, schaut man sich die neueste, durchaus sehr abenteuerliche Variante aus der Serie „Lustiger Texten mit Spiegel online“ an. Aus einem einzigen Sätzchen, dass der (gedruckte) Spiegel aus einer SPD-internen Unterhaltung mit Peer Steinbrück herausgehört haben will, formuliert man:
Interessant, wie SPON auf diese Aussage kommt. Zitiert wird Steinbrück nämlich lediglich mit folgendem Satz:
Aha. Ganz eindeutig, doch, jetzt bei genauerem Hinsehen sieht man es: Steinbrück kann damit eigentlich nichts anderes gemeint haben, als dass die in eineinhalb Jahren stattfindende Bundestagswahl schon verloren ist.
Man staunt jedenfalls, und auch wenn ich mich wiederhole: Ich glaube immer noch, dass man uns früher solche abenteuerlichen Interpretationen um die Ohren gehauen hätte, mit vollem Recht übrigens. Heute haut der Online-Marktführer Überschriften dieser Güteklasse reihenweise raus und hat komischerweise immer noch keine ordentliche Qualitätsdebatte an der Backe.
Der Spiegel schießt sicherlich immer mal wieder über das Ziel hinaus. Aber das generelle Problem ist doch die Interpretation und Filterung der Aussagen durch die (Online-) Medien. Dies vermeiden ja zum Beispiel Politikportale wie Trupoli, deren Idee ich gar nicht so verkehrt finde. Hier bekommen die Politiker ungefiltertes Feedback auf ihre Aussagen.
Aber dies ist vorerst eine besondere Form der Meinungsäußerung (oder sogar eine erste Form der Webdemokratie?). Insofern finde ich, dass SPON – und sei es noch so ungenau beim Zitieren – eine gute Plattform darstellt.
Außerdem: wer die Meldungen der Medien unkritisch als Wahrheit aufnimmt ist doch selbst schuld. Zumal es ja Blogs wie diesen gibt, die die Möglichkeit einer kritischen Betrachtung geben…
Tja, noch ist jakubetz kein „Watch-Blog“, weit davon entfernt allerdings auch nicht mehr 😉