Es hat nicht sehr viel Mühe gekostet, Dinge wie die 54 Millionen Menschen, die alle Prozac einnehmen, und den künftigen bayerischen Ministerpräsidenten Maget zu finden. Genauer gesagt: Ich habe nicht danach gesucht, eher haben mich diese Geschichten förmlich angesprungen. Umso mehr macht mich das stutzig: Ich bin kein Watchblogger, ich suche keine Fehler, ich durchforste auch nicht morgens irgendwelche Angebote, Zeitungen, Sendungen, um mich dann über deren Qualitätsmängel herzumachen. Dennoch findet man genau diese Mängel. Haarsträubende Fehler, die man uns (Achtung, akuter Sentimentalitätsanfall) früher als Volos um die Ohren gehauen hätte, zurecht übrigens.
Und jetzt bin ich ziemlich verunsichert: War´s einfach nur Zufall? Ist die Lage in Onlineredaktionen besonders desolat oder haben andere ähnliche Probleme? Werden Journalisten schlechter ausgebildet als früher, liest eigentlich irgendjemand noch über Texte drüber, ehe sie live gehen?
Oder war einfach früher alles besser? (Bevor wieder jemand mosert: Der letzte Satz ist so etwas wie der Versuch von Ironie. Meinungen dennoch gerne erwünscht).
Weshalb bei solchen Stichproben längst jeder Stich sticht, das fragen Sie am besten Deutschlands Verleger. Dass die Journalisten durch die Bank schlechter geworden seien, das ist jedenfalls nur das übliche Altmännergejiffel. Ich denke, es hängt mit dem gesellschaftlichen Umschwung von ideologisierten Medien zu privatisierten Medien in den 80er Jahren zusammen. Seither gibt’s überall den gleichen Meinungsbrei. Immer mehr des Gleichen ist aber kein Geschäftsmodell, auf das ich Pfifferlinge wetten würde …
Heutige Volos wird eben nichts mehr um die Ohren gehauen, damit sie auf journalistischer Ebene etwas lernen, sondern sie sollen an vorderster Front die trümmligen Internetprojekte ihrer Verlage pushen, damit selbige zu alter Ehr und Reichtum zurückfinden. Das dies nie und nimmer aufgehen kann ist klar, dafür kostets ja auch fast nix.
Ob es früher besser war? Na, zumindest war vieles anders. Sicher nicht alles besser. Auch war die Leistung im Arbeitsleben sicher nicht besser als heute. Aber man hatte zweifelsohne mehr Zeit, konnte sich Zeit nehmen oder lassen. Der Kostendruck war wohl auch da, aber nicht so extrem wie heute.
Im Journalismus gab es Qualitätsstandards, einen Ehrenkodex, der Beruf war etwas Besonderes und man versuchte, dem gerecht zu werden. Jedenfalls ist das so in meiner Altmännererinnerung. Das galt sicher zu keiner Zeit für alle.
Heute berichten die Medien nicht nur über Neuigkeiten, Entwicklungen und Entscheidungen, sie beeinflussen sie auch, versuchen es zumindest, sie „machen“ die News. Und die Interessen, die hinter dieser Art Berichterstattung stehen, sind absolut unklar. Früher, wenn es das in der Form überhaupt gegeben hat, dann waren es ideologische Interessen und man konnte die irgendwie einordnen. Man wechselte seine Ideologie ja nicht wie die Unterwäsche sondern stand dazu, bekannte sich. Heute sind es oft wirtschaftliche, also niedere Beweggründe, die das Handeln antreiben.
Früher hat man etwas als Archivbild gekennzeichnet, heute montiert man da gleich noch was Passendes hinzu und verkauft das als die Realität. Mit den technischen Möglichkeiten wachsen auch die Verführungen.
Früher gab es auch schon Nachrichtenagenturen. Aber man hat doch nicht einfach deren Inhalte hergenommen und damit komplett seine Zeitung gefüllt, ohne erkennbare Eigenleistung. Das war doch vielmehr ein Informationsmedium, auf dessen Basis man dann weiter recherchierte.
Gut, man kann einwenden, in den Agenturen säßen doch auch Journalisten. Aber sie sind namenlose, unkontrollierbare, nicht mehr als Person auszumachende Nachrichtenquellen, bei denen die eigene Reputation als Einsatz nicht mehr auf dem Spiel steht, bei denen die gesellschaftliche Kontrolle nicht mehr als Regulativ greift. Dem Dorfschreiber konnte man noch seinen Mist wenigstens noch vor die Füsse werfen, aber heute?
Das gegenseitige unkritische Abgeschreibe ist so früher auch nicht praktiziert worden. Man will online die Nachricht möglichst als einer der ersten verbreiten, aber die Kosten, mit eigenem Personal zur Stelle und vor Ort zu sein, sind bereits längst gestrichen und nun kommt auch noch die Qualitätskontrolle unter die Räder.
Ich glaube, der wachsende Erfolg der Blogs hat viel mit der Authentizität der Beiträge zu tun. Zumal weder Kosten- noch Zeitdruck eine Rolle spielen sollten.