In den vergangenen Tagen war ich viel in dem Mikrokosmos Blogosphäre unterwegs und ich habe viel über sie gelernt.
Vorab: Ich gehöre weder zum Inner Circle noch zum Greater Circle noch zum Outer Circle der (Medien-)Blogger. Google rankt mich wahlweise mit drei (an schlechten Tagen) oder mit vier (an guten, ich kenne nur den Unterschied noch nicht). Die großen Leithammel der Branche linken nicht auf mich und ich könnte hier auch drei Tage am Stück über kopulierende Fliegen schreiben, ohne dass ein Raunen durch die Blogosphäre ginge. Niemand käme auf die Idee, mich irgendwo als Chefredakteur zu engagieren, nur weil ich Blogger bin. Wenn, dann weil ich Journalist bin und irgendwann auch mal schon ein bisschen was geschafft gekriegt habe. Ich gehöre nicht zu den 500 wichtigsten Denkern dieses Landes und die Blogosphäre ist alles in allem mir insofern ziemlich unbedeutsam, als dass ich nicht zögern würde, wenn ich zu wählen hätte zwischen dem Verfassen eines Blogbeitrags oder einem schnellen Kick mit ein paar großen Jungs auf der Straße. Ich würde mich immer für den Kick entscheiden. Einen Ball kann ich nicht liegen lassen, eine Blogdebatte schon. Das ist sehr angenehm, weil ich schreiben kann, was ich will. Die paar wenigen, die es lesen wollen und sollen, die tun es. 100 Prozent Zielgruppenaffinität, was will ich mehr. Das ist soweit erstmal mein Verständnis von der Medienwelt 2.0.
Was deren Relevanz angeht, habe ich heute eine interessante Mail von einer Studentin bekommen, die irgendwie am Rande erwähnte, sie habe vor vier Wochen zum ersten Mal ein Blog gelesen. Nachdem die junge Frau weder Maschinenbau noch Hotelgastronomie sondern Medienwirtschaft studiert und nach meinem flüchtigen Eindruck auch nicht intellektuell benachteiligt ist, dachte ich, Blogosphäre sei schön, aber nur für ein paar wenige. Die wiederum frei nach Loriot denken: Ein Leben ohne Blogs ist möglich, aber sinnlos.
Meine ersten ziemlich unangenehmen Erfahrungen mit der Blogosphäre habe ich irgendwann im Winter letzten Jahres gemacht, als ich im November das Vergnügen hatte, eine Diskussion zum Thema Web 2.0 zu moderieren. Kurz darauf fand ich mich als Diskussionsgegenstand in einigen Blogs wieder, in denen man mir bescheinigte, meine Moderation sei zwar eloquent, aber weitgehend ungetrübt von Sachkenntnis gewesen. Ich nehme an, man kam zu dem Urteil, weil ich nicht sofort in spitze, ekstatische Lustschreie ausgebrochen bin, als es um Xing oder StudiVZ oder Qype ging. Direkt ein Bild wollten sich einige der virtuellen Henker lieber nicht machen und kamen deswegen auch nicht zur Veranstaltung, man war sich aber sicher, es müsse so gewesen sein, schließlich hatte man das ja bei zumindest einem gelesen, der dabei war. Seitdem findet man, wenn man mich googelt, schon auch mal unter den Suchbegriffen „Web 2.0“ und „inkompetent“, was sich aushalten lässt, aber irgendwie nicht gerade mein höchstes Lebensziel war. Immerhin weiß ich jetzt, dass man in einer solchen Google-Suche landen kann aufgrund eines schreiberischen Verbunds von Leuten, die über eine Veranstaltung schreiben, die sie nicht besucht haben. Komisch. Ich hatte als Volontär ja mal was anderes gelernt, aber vielleicht ist das jetzt arg geschmäcklerisch und old school-artig. Und Blogosphäre ist eh über jeden Zweifel erhaben.
Jedenfalls habe ich in der stark demokratisierend und diskussionsfördernd wirkenden Blogosphäre, in unserer medialen Zukunft und dem gleichzeitigen Tod alter Medien, in den letzten Tagen viele demokratisierende Elemente gesehen. Beispielsweise, dass ich immer auf die selben Leute gestoßen bin. Die sich, ganz im Zuge sich gegenseitig verstärkender Prominenz, gegenseitig verlinken, gegenseitig zitieren und gegenseitig auf die Schulter klopfen. So richtig pluralisierend ist das ja nicht und irgendwie muss ich da am Rande immer auch darüber schmunzeln, dass sich in der Jury und in der Nominierungskommission des Grimme Online Award entweder die früheren oder die kommenden Preisträger die Klinke in die Hand geben und in irgendwelchen Kommissionen auch solche sitzen, die immer noch, selbst nach einem Jahr der nach außen nicht sichtbaren Ergebnisse, als Wette auf die Zukunft gelten. Man hat gemeinsame Freunde, Werte, Ziele, man kennt sich, man schätzt sich, man weiß, wo der Gegner steht. Merkwürdigerweise also alles irgendwie ähnlich wie beim erklärten Gegner.
Die Blogosphäre ist ein bisschen wie das Dorf der Unbeugsamen bei Asterix. Man rauft sich mit Leidenschaft, ab und zu wirft Verleihnix einen faulen Fisch in die Runde. Gelegentlich kommt auch der dicke Obelix und beschwert sich, dass man ohne ihn angefangen habe. Und einer gibt den Troubadix, der nie singen darf, obwohl er so gerne würde und sogar Listen erstellt, wer jetzt eigentlich A-, B- und C-Blogger ist. Das finde ich übrigens interessant in einer pluralistischen, demokratisierenden Blogosphäre, dass, ganz wie in der alten Welt, genau klassifiziert wird, ab wann der Alphablogger beginnt. Wohlgemerkt, der Alphablogger definiert sich über Quantität, nicht darüber, ob das, was er zu sagen hat, irgendwie relevant sein könnte. Also tausend am Tag sollten es schon, heißt es. Wenigstens habe ich es der Lektüre von Troubadix Turi zu verdanken jetzt zu wissen, dass es sich bei Thomas Knüwer um einen „Alphablogger“ nahe der Zwei-Meter-Grenze handelt. Ich kenne Herrn Knüwer nicht (bin gerade noch mit dem Aufstieg von C nach B ausgelastet), würde ihn aber sofort erkennen an den zwei Metern und an dem eintätowierten Alpha auf der Stirn, und ihm auch nicht widersprechen, weil man einem Zweimeteralphablogger nicht widerspricht. Sagt der Alphablogger Troubadix.
Immerhin, wir haben dann doch wieder bei allen Raufereien einen gemeinsamen Feind, den Römer. Und Alesia, mein Herr, nein, ich kenne kein Alesia!
Nun ja wenn Peter Turi der Maßstab der Dinge ist, dann fällt das Messen ziemlich schwer.
Turi ist nicht Troubadix sondern eher ein bei den Römern angestellter Weiser, der ohne Sehvermögen über die Farbe der Milch tunlichst referiert und verzweifelt versucht damit Interesse zu gewinnen.
Derer gibt es viele. Meist sind sie zuständig wenn wieder ein paar Römer verhauen worden sind, oder besser gesagt mit einem Start Up das nicht upstartete ein paar dumme Anleger abgezockt wurden.
Die Stilisierung des persönlichen Mißerfolges zum Garanten eine zukünftigen Erfolges ist deren Hauptaufgabe.
Aber sie gehören nicht wirklich ins Dorf. Das Dorf ist übrigens auch nicht so abgezäunt wie das bei Asterix. Es hat Nebenorte, Schmuddelecken, nicht eingebundene Sonderlinge, ganz wie im realen Leben.
Ich z.B. wohne ganz am Rande von Klein-Bloggersdorf, am Ende eines Ackerweges. Tom Knüwer und andere Alphablogger wissen zwar nicht wo das ist, aber das müssen sie ja auch nicht. Wozu auch.
Der Begriff Alphablogger kommt eben nicht vom Alphatier, das als Leitwölfin das Rüdel führt, sondern von einer Einschätzung desjenigen, dem Google zwar keinen Rang gegeben hat, der aber nun um so neidischer ist.
Ein Rang zwischen drei und vier ist doch toll. Für mich hat google noch nichteinmal einen Rang. 0,0087 scheinen die nicht zu führen.
Ich freu mich zum Beispiel wenn andere für ihre Arbeit akzeptiert werden. Ist doch toll. Aber dazu muss man nicht ganz vorne sein. Meine Themen sind wie deine scheinbar kein Mainstream. Na und.
Ist es unhöflich unter einem tollen Kommentar zu einem sehr guten Beitrag ein kurzes aber ehrliches Lob an die Verfasser der beiden Texte zu senden? Falls die Antwort ja ist, entschuldige ich mich hiermit und sage trotzdem: Schön zu lesen wars gewesen!
Sauerei, sowas.
Aber einmal lass ich es noch durchgehen 😉
Danke fürs Feedback!
Chapeau! Das war voll auf den Punkt gebracht. Und ich mag das Asterix-Beispiel.
(Keine Kudos von mir für den Kommentar von Jochen Hoff – Alleine das behauptete Insiderwissen zeigt schon deutlich, dass er alles andere als „am Rand von Klein-Bloggersdorf“ wohnt. Methusalix?)
besser hätte ich es nicht sagen können….lach.
ich lese viele blogs schon gar nicht mehr, überall steht das selbe drinn, einer verlinkt auf den anderen….so wie im richtigen leben.
gruß horst