Irgendwann ziemlich zu Beginn des Jahres bin ich auf einem Seminar gefragt worden, ob ich es für denkbar hielte, dass wir das amerikanische Zeitungssterben auch in Deutschland sehen würden — und ich habe, ohne lange nachzudenken, geantwortet: Ja, ganz sicher. Danach kam die Nachfrage, ob das schon in diesem Jahr passieren würde. Und ich habe, ebenfalls ohne lange nachzudenken, geantwortet, dass ich mich nicht auf die Zahl 2010 festlegen wolle, mir aber sicher sei, dass spätestens 2011 die ersten Blätter zusperren.
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In Menden ist es jetzt passiert. Die kleine „Mendener Zeitung“ wird kurz vor ihrem 150. Geburtstag dicht gemacht. Man mag sich darüber amüsieren und sich fragen, wie man ernsthaft ein kleines Lokalblatt mit einer Auflage knapp überhalb der 6000 als Menetekel für die Zeitungslandschaft heranziehen kann. Genauer besehen ist die „Mendener Zeitung“ aber nicht einfach nur ein kleines Lokalblatt, sondern eine der vielen Beteiligungen des Münchner Großverlegers Dirk Ippen. Hinter Ippen steckt genügend Geld und Substanz, ein Blatt auch mal durch eine kleine Krise zu führen. Wenn man sich dort dafür entscheidet, die Zeitung zuzumachen, muss man von der Sinnlosigkeit des bisherigen Tuns schon sehr überzeugt gewesen sein.
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München ist nicht Menden und die SZ ist natürlich nicht die „Mendener Zeitung“. Dennoch kommt nahezu zeitgleich die Nachricht, dass bei der SZ die nächste Entlassungsrunde ansteht. Man verbrämt das inzwischen auch nicht mehr weiter, sondern nennt es so wie es ist: Entlassungen. 14 Stellen sind demnach in der Redaktion hinfällig, die Hälfte davon in der Mantelredaktion. Dabei ist es ja nicht so, dass es der SZ mit ihrer Auflage schlecht ginge.
(Quelle: Meedia.de)
Die Zahl der Abonnenten ist im vergangenen Jahr stabil geblieben, die Rückgänge im Einzelverkauf sind auch nicht schlimmer als anderswo. Die Probleme sind also nicht die, die man vordergründig betrachtet gerne mal für den Niedergang von Zeitungen verantwortlich macht: Es ist keineswegs so (der Verdacht wurde ebenfalls bei eingangs erwähntem Seminar geäußert), dass „die Leute“ nicht mehr gerne lesen oder gar im Internetzeitalter nicht mehr in der Lage seien, sich länger als ein paar Minuten auf einen Text zu konzentrieren. Dass die Leserschaft auch bei der SZ (und: nahezu allen anderen) langsam erodiert, ist unbestritten, aber von einer massiven Abkehr der Leser vom Medium Zeitung zu sprechen, stimmt ganz einfach nicht.
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Warum also macht die „Mendener Zeitung“ dicht, warum kürzt die personell ohnehin schon gebeutelte SZ nochmal 14 Stellen? Und warum kann man darauf wetten, dass man Nachrichten wie diese in den kommenden Wochen, Monaten, Jahren noch sehr viel öfter hören wird?
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Erster Grund: Das Geschäftsmodell Tageszeitung hat sich überlebt. Es ist ein Anachronismus aus analogen Zeiten. Es ist teuer (sowohl in der Produktion als auch für den Endverbraucher), es ist starr, unflexibel, langsam. Es hat gar nicht mal viel mit der gescholtenen Kostenlos-Mentalität im Netz zu tun, wenn man eine simple Rechnung aufmacht: Leistet man sich zwei Tageszeitungen (sagen wir: die SZ und eine Regionalzeitung), ist man schnell mit rund 900 Euro im Jahr dabei. Liest man womöglich dann noch was anderes (sagen wir: Zeit und Spiegel), sind das aufs Jahr gerechnet mal eben 1300 Euro, die man alleine für Zeitungen auf den Tisch legt. Das ist angesichts der Tatsache, dass man inzwischen im Web auch hochwertigste Inhalte kostenlos oder eben deutlich günstiger bekommt, eine Größenordnung, bei der man auch als bekennender Zeitungsleser schon mal nachdenken darf. Bevor jetzt alle aufschreien: Ich finde natürlich auch, dass sich ordentlicher Journalismus irgendwie finanzieren muss. Ich staune nur manchmal über den Starrsinn in den Verlagen: Gibt es also ernsthaft kein Geschäftsmodell, dass sich ohne die unwahrscheinlich teure Produktion von Zeitungen rechnet? Immerhin kostet eine Druckstraße ja mal eben ein paar Millionen und die Drucker und das Papier und das Zeug auf Lastern durch die Gegend fahren ist auch nicht ganz billig. Schon mal drüber nachgedacht, was man sich mit digitalem Vertrieb und digitaler Produktion so alles sparen könnte? Eben.
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Jeden Tag leide ich ja irgendwie. Jeden Tag landet eine Menge Papier unberührt und schuldig im Altpapier. Das tut mir angesichts der vielen toten Bäume in der Seele weh und außerdem muss der Krempel dann auch noch entsorgt werden. Aber mal im Ernst: Ist es wirklich zeitgemäß, dass ich als Zeitungsleser ungefähr 70 Pozent Zeugs mitgeliefert bekomme, von dem ich weiß, dass es mich eh nicht interessiert? Nein, nicht weil die Inhalteauswahl der Redaktionen so gruselig schlecht wäre. Es gibt nur Themen und Ressorts, die sind mir völlig egal und ich werde sie in tausend Jahren nicht lesen. Curling zum Beispiel; ich lese ja sonst fast alles, was im Sport steht. Aber wenn ein paar Menschen mit einem Besen übers Eis rutschen, ist meine Schmerzgrenze erreicht. Die Autoseiten nehme ich immer zum Fisch einwickeln, weil mir Autos herzlich egal sind. Und bei ein paar anderen Seiten weiß ich ebenfalls jetzt schon, dass ich gar nicht darüber nachzudenken brauche. Ich kann also mein Blatt leider nicht personalisieren, obwohl ich im Zeitalter des Informationsoverkills genau weiß, dass es kaum etwas gibt, was wichtiger wäre, wenn ich nicht in der Flut jämmerlich ersaufen will. Dass man also jeden Tag ein Produkt bekommt, von dem man eh die Hälfte nicht nutzt/nicht nutzen kann, ist möglicherweise ein zweiter Grund, warum man dafür nicht allzu viel Geld ausgeben will.
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Und dann gibt es da auch noch nicht nur den bösen, zahlungsunwilligen und auch sonst so eher störrischen Leser. Viel schlimmer: Es gibt Kunden, die mit ihrer Werbung eine Zeitung erst finanzieren. Ihre Gründe, mit ihrer Werbung und ihrem Geld noch zur Zeitung zu gehen, werden mit jeder verlorenen Zeitung Auflage und demnach mit jedem Tag weniger. Ein produktionsaufwändiges teures Produkt und eine immer kleiner werdende Basis an Finanziers — man kann rechnen, wie lange das noch gut geht.
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Zeitungsbashing? Nein, wirklich: Ich mag Zeitungen und ich finde es schade, wenn es sie eines Tages nicht mehr geben sollte. Leider ist das so ziemlich der einzige Grund für mich, warum ich sie noch lese.