Am Freitag habe ich in Hamburg Sebastian Esser getroffen (für die wenigen, die es evtl. nicht wissen: Er ist der Herausgeber der künftigen „Krautreporter“). Wir haben uns schnell ein wenig an die Seite verdrückt. Ich habe ihm gesagt, dass mein Scheitern-Abgesang verfrüht war, ich mit meiner generellen Kritik wohl besser hätte warten sollen und dass ich das bedaure. Obwohl ich an der grundsätzlichen Kritik am Projekt festhalten würde. Sebastian wiederum hat gesagt, dass er den Zeitpunkt der Kritik ziemlich unschön fand, die Kritik als solche aber annimmt und in manchen Dingen womöglich sogar teilt. Später sind wir dann gemeinsam mit einem Taxi vom Reporter-Forum in Hamburg weggefahren, die Fahrt verlief nach meiner schwachen Erinnerung weitgehend aggressionslos.
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Falls Sie sich jetzt fragen, warum dieser Beitrag mit einer derart banalen Geschichte beginnt: weil es anscheinend nötig ist. Nach meinem umstrittenen Text über das Projekt „Krautreporter“ hat mich nicht so sehr erstaunt, dass es zu diesem Text nicht nur überwältigte Zustimmung gab. Verblüffender fand ich eher, wie wütend die Reaktionen ausfielen, vor allem bei dem einen oder anderen Betroffenen. Wie sehr die Debatte plötzlich auf eine sehr persönliche Ebene gezogen wurde. Und wie wenig differenziert die Kritik an dem Text ausfiel. Gelesen und transportiert wurde nur noch: Der hält die „Krautreporter“ für gescheitert und mag die einfach nicht. Ich glaube, ich habe in dem Text und auch schon zuvor immer wieder explizit betont, Sympathie für dieses Projekt zu haben. Diese Ambivalenz, die mich allerdings die ganze Zeit dabei begleitet, habe ich auch bei vielen anderen gespürt.
Aber das sind wohl die interessantesten Erkenntnisse aus dieser ganzen KR-Debatte: Journalisten sind selbst nicht immer so kritikfähig, wie sie es von anderen gerne einfordern. Und: Zumindest in meiner eigenen Filter Bubble sind Debatten immer noch gerne hoch emotional und nehmen sehr, sehr persönliche Züge an. An Motiven wurde mir unter anderem unterstellt, ich sei gekränkt, weil ich nicht im Team sei. Oder dass ich Aversionen gegen die Beteiligten hätte. Oder dass ich schlichtweg das Projekt kaputt hätte schreiben wollen. Letzteres fand ich lustig: Ein kleines Blog kann ein Projekt kaputt schreiben, über das in den letzten vier Wochen ganz Medien-Detschland gesprochen hatte?
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Persönlich sehe ich das deutlich gelassener. Die „Krautreporter“ haben schon alleine durch die Initiative für dieses Projekte eine gute und wichtige Debatte ausgelöst. Das ist ein unbestreitbares Verdienst, auch wenn die Debatte an einigen Stellen etwas, nun ja, ausgefranst ist. Sie haben, auch das darf man nicht unterschätzen, eine enorme Marketing-Kampagne auf die Beine gestellt, die man so erst mal hinbekommen muss. Sie haben rund eine Million Euro eingesammelt, auch davor muss man uneingeschränkten Respekt haben. Und sie werden im kommenden Jahr das vermutlich interessanteste Labor des digitalen Journalismus sein: Bekommen sie es hin, halten sie Wort, reparieren sie den „kaputten“ Online-Journalismus? Und: Schaffen Sie es, im Laufe des kommenden Jahres nochmal eine Million Euro über Abonnenten einzusammeln? Letzteres ist die eigentliche große Aufgabe: Aus dem Hype einen journalistischen Alltag machen, bei dem Nutzer dauerhaft bereit sind, jedes Jahr 60 Euro zu bezahlen. Die Mühen der Ebene sind immer deutlich schwieriger als den Schwung eines Hypes zu nutzen.
Ich hatte am Freitag dann übrigens noch gewittert (als das positive Ergebnis bekannt wurde), dass ich den „Krautreportern“ aufrichtig gratuliere. Mir war klar, dass mir das nicht jeder glauben würde. Und, das ist die Crux an 140 Zeichen, dass ich nicht hinreichend erklären kann, warum ich das tue. Deshalb nochmal hier: Ich glaube, dass man diese Leistung schlichtweg nur respektieren muss. Selbst dann, wenn man das Projekt kritisiert hat.
Zu einer halbwegs vernünftigen Debattenkultur gehört auch, dass man einräumen können muss, wenn man sich getäuscht hat. Und deswegen auch das jetzt nochmal in aller Deutlichkeit: Ich habe mich getäuscht, als ich das (finanzielle) Scheitern prognostiziert habe. Und es war rückblickend ein Fehler, diesen Text drei Tage vor Ende der Kampagne zu veröffentlichen. Das tut mir leid, das habe ich Sebastian Esser gesagt und das sage ich jetzt auch an dieser Stelle nochmal. Wer mir darauf basierend Opportunismus unterstellen will, bitte sehr. Trotzdem glaube ich: Die Kritik an dem Projekt (und die kam ja keineswegs nur von mir) hat das Projekt weiter gebracht. Zumindest sollte sie das.
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Insofern: Danke, Sebastian, für Deine souveräne Reaktion am Freitag. Hoffe, du bist noch gut nach Hause gekommen.
Ich finde es auch schade, wenn Kritik persönlich wird. Und dass du das Projekt frühzeitig abgeschrieben hast, war verständlich. Es war vom Verlauf der Kampagne einfach recht unwahrscheinlich, das es noch zustande kommt.
Ich teile übrigens nicht die Ansicht, dass es die große Aufgabe von Krautreporter ist, um „journalistischen Alltag“ anzukommen. Von der Denke muss sich die Branche vielleicht etwas lösen und experimentierfreudiger werden. Krautreporter ist ein Labor, das mit dem Vertrauensvorschuss nicht konservativ planen sollte, sondern jetzt die Möglichkeit hat Wagnisse einzugehen. Und wenn es nicht funktioniert am Ende, dann hat eine ganze Branche zugeschaut und Wichtiges gelernt.