In der ganzen Banken- und Finanzkrise muss eines doch mal mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Von einer Kreditklemme und all dem anderen garstigen Zeug, von dem neuerdings immer geredet wird, kann doch gar keine Rede sein. Zumindest nicht, wenn man im ostwestfälischen Kreis Höxter wohnt (und das Glück hat, das dort erscheinende „Westfalen-Blatt“ zu lesen). Während also die Welt lamentiert, dass die Finanzierung der Wirtschaft momentan nicht gerade gesichert ist, lässt sich im Ostwestfälischen mit journalistischem Scharfblick festhalten: Von Kreditklemme keine Rede!
Für diese dann doch erstaunliche Aussage hat das Blatt hart recherchiert. Es hat beispielsweise Birger Kriwet ins Kreuzverhör genommen. Birger Kriwet ist Vorstandssprecher der Volksbank Warburger Land und hat sich auch von den bohrenden Fragen des Blattes nicht irritieren lassen, weswegen Birger Kriwet zur felsenfesten Überzeugung gelangt:
Wenn Politiker sagen, dass die Banken die ihnen zur Verfügung stehenden Gelder und Kundeneinlagen horten und nicht als Kredite weitergeben, und dass die deutlich gesunkenen kurzfristigen Zinssätze nicht in entsprechend niedrige Darlehenszinssätze umgesetzt werden, so zeugt das von fehlender Fachkenntnis.
Und nicht nur das: Seine Bank würde gerne sogar noch mehr Kredite vergeben, wenn es denn eine entsprechende Nachfrage und seriöse Kunden gäbe. Beides scheint im Warburger Land derzeit aber eher Mangelware zu sein.
Sie finden die Geschichte bis hierhin etwas, nunja, einseitig?
Keine Sorge: Das Westfalen-Blatt weiß natürlich auch, dass zu gutem Journalismus auch noch die andere Seite gehört, die man hören sollte. Deswegen hat das Westfalen-Blatt auch jemand anderen befragt. Eine andere Bank nämlich, die Sparkasse Höxter, deren Vorstandschef nach langem Überlegen ebenfalls zu einem fundierten Schluss kommt:
Die Kreditversorgung ist gesichert. Wir stehen zu unserer Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung im Kreis Höxter.
Puh. Darauf wäre man alleine gar nicht gekommen, und weil diese Aussage so fundiert wie beruhigend zugleich ist, schiebt unser Blatt noch eine fundierte conclusio hinterher, tackert eine Überschrift ins System, verzichtet natürlich auch darauf, Unternehmen zu fragen, wie sie das denn so sehen — und ab geht die Post, das ist doch mal ein Aufmacher, wie er im Lehrbuch steht: großes Thema aufs Lokale runtergebrochen, gründlich nachrecherchiert, klare Zeile am nächsten Morgen, da freut sich der Leser.
Wenn man also mal wissen will, woran der (Lokal-)Journalismus richtig krankt, dann kann man an dieser kleinen Geschichte ein Exempel statuieren: Er ist auch deswegen so lebensbedrohlich erkrankt, weil er — nicht nur in diesem Fall — so irrelevant geworden ist, dass selbst ein Laie merkt, dass ihm viele Lokalredaktionen wahlweise langweiliges Gewäsch oder ziemlich interessengesteuertes Zeugs vorlegen wollen. Beides hat mit Journalismus nichts zu tun, und ehe man seitens der Verlage mal wieder über die Kostenlos-Kultur im Netz lamentiert, könnte man ja auch mal darüber nachdenken, dass die sinkende Zahlungsbereitschaft des Publikums auch damit etwas zu tun haben könnte, dass man für Geschichten wie diese ungern auch noch Geld ausgegen möchte.