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KI und der Frosch im heißen Wasser

Geschichte wiederholt sich dann eben doch. Wenn man sich momentan anschaut, wie wir in Deutschland so ganz allgemein und auch in unserer angeblich für jede Innovation zu habende Branche mit den Zukunftsthemen umgehen, dann stellt man fest: Alles so wie vor 30 Jahren, als wir lange gebraucht haben um zu verstehen, dass dieses Internet keine nette Spinnerei ist, die dann wieder weggeht. Innovation ist manchmal eine Frage des Mindsets.

Machen wir zum Auftakt unserer heutigen kleinen Veranstaltung hier mal eine Zeitreise. Weit zurück, ins Jahr 2022 (im digitalen Zeitalter ist das eine halbe Ewigkeit). Vor zwei Jahren also dachten McKinsey & Company, dass NFTs und das Metaverse bis 2030 5 Billionen US-Dollar oder 5 Prozent des globalen BIP wert sein würden.

Das war schon schlecht gealtert, aber die Banker von Citi waren noch einmal ein ganzes Stück optimistischer. Sie bewerteten die Metaverse-Wirtschaft mit 13 Billionen US-Dollar, was bedeutete, dass jeder achte Dollar, der im Jahr 2030 ausgegeben wird, in einer Metaverse-Transaktion stecken würde.

Und damit zu einer anderen Zahl. Oder besser gesagt zu mehreren, die aber im Ergebnis alle auf das Gleiche hinauslaufen: Wenn es um das Thema KI geht, ist Deutschland nur so mäßig begeistert. Was die Nutzung angeht, sind wir angesiedelt (je nach Umfrage) irgendwo im hinteren Mittelfeld oder auf dem vorletzten Platz in Europa. Dahinter kommt nur noch Albanien.

Welche dieser Studien und Umfragen jetzt am besten getroffen hat, weiß ich natürlich nicht.  Aber mich erinnert vieles gerade an die Zeit, als das Internet langsam zu dem wurde, was es heute ist. Auch da waren wir sehr, sehr skeptisch, auch und vor allem in der Branche Medien und Kommunikation.

Blinde Euphorie bringt nichts – aber Dauer-Bedenken sind noch viel schlimmer

Das zeigt mal wieder das ganze Dilemma: Unbestritten ist, dass man sich sehr leicht lächerlich machen kann, wenn man mit zu viel Euphorie an ein Thema geht. Metaverse, NFT, Krypto, Web 3, das alles waren in den letzten Jahren Themen für Nerds, aber kaum für Anwender. Mein persönlicher Maßstab war dabei immer: Wenn ich einem anderen nicht erklären kann, was das ist und was das bringen soll, ist es kein Thema mit großem Potenzial.  

So viel gepflegter Größenwahn darf schon mal sein, dass man sich selbst kurzerhand zum Maßstab erklärt. Hat aber erstaunlich gut funktioniert. Ich könnte bis heute nicht wirklich genau erklären, was es mit diesem Web3 auf sich hat. Zu einem großen Thema außerhalb der Nerd-Bubble ist es dann auch nie geworden.

Bevor wir jetzt wieder die üblichen Debatten über Pro und Contra von KI haben, gestatten Sie mir heute bitte mal ein paar grundsätzliche Bemerkungen. Die gehen zwar etwas um das Große und Ganze, aber am Ende lassen sie sich dann eben doch auf unsere kleine Branche herunterbrechen (habe ich schon erwähnt, dass ich zum gepflegten Größenwahn neige?).

 Deutschland auf dem Niveau von Missouri

Deshalb erst einmal ein paar Zahlen und Statistiken: In den vergangenen vier Jahren ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt um ganze 0,5 Prozent gewachsen, nicht weit weg also von einem Nullwachstum. In den USA waren es im gleichen Zeitraum 8,1 Prozent. Was das BIP angeht, ist Deutschland inzwischen in etwa auf dem Niveau von Missouri. 

Und noch mehr: Apple, Google, Microsoft und klar, natürlich auch Nvidia, alles Unternehmen aus den USA. Die sieben größten Tech-Firmen kommen auf die gleiche Marktkapitalisierung wie sämtliche (!) Unternehmen, die an den Börsen der 27 EU-Länder gelistet sind.

Nennenswerte Entwicklungen aus Deutschland im selben Zeitraum: In Deutschland und der EU werden die neuen KI-Funktionen, die Apple mit iOS 18 ausrollen wird, erst einmal nicht enthalten sein. Der Grund ist der Digital Services Act der EU.  

 Erst einmal regulieren wir, dann machen wir

Das alte Spiel also: In den USA gilt der schöne Leitsatz „Wir wissen zwar nicht, wie es geht, aber wir gehen schon mal vor“. Wir gehen dafür erst gar nicht los, regulieren aber schon mal alles, was passieren könnte, wenn wir losgehen würden.

Eine neue Entwicklung? Nein. Eine, die sich schon lange abzeichnet. Vergleichbar mit dem Frosch im Wasser, bei dem mehr und mehr die Temperatur hochgedreht wird, langsam, aber stetig. Nachdem Sie sicher wissen, was mit dem passiert, kann ich Ihnen die Details ersparen.

Womit wir wieder am Anfang wären. Klar verweisen die Bedenkenträger und Regulierer gerne auf Entwicklungen, die dann nicht so gekommen sind, wie man dachte, Grüße aus dem Metaverse. Wo anderswo Mut und Risikobereitschaft herrscht, lähmt bei uns eine erstaunliche Saturiertheit – und wir diskutieren Rundfunkgebühren und Presseförderungen, was im Einzelfall ja alles schön und gut ist, aber nicht im Sinne eines Marktes und erst recht nicht im Sinne von Innovation. Wo es der Staat mal wieder richten soll, entsteht selten mutiges Handeln.

 Wir sind im Großen wie im Kleinen etwas zögerlich

Und damit schließlich in unsere kleine Branche, in der wir uns gerade mal wieder mit dem Thema KI so abmühen wie vorher mit dem Internet als solchem. Es vergeht kein KI-Seminar, das ich gebe (wirklich: keines!) in dem nicht sehr zeitnah nach dem Datenschutz gefragt wird und danach, ob uns die KI nicht alle auffrisst. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich halte Datenschutz natürlich für wichtig und ich mache mich auch nicht über die Sorgen von Menschen lustig.  

Aber wenn so etwas immer weit mehr und viel schneller in den Mittelpunkt rückt als die Chancen und Potenziale einer neuen Technologie, dann ist das eben auch eine Frage des Mindsets.

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