Wenn Apple etwas Neues auf den Markt bringt, dann finden sich garantiert immer wieder nicht ganz wenige Leute, die ausführlich beschreiben, warum das jetzt aber ganz sicher der Weg in das schleichende Ende des Konzerns ist. Kurz darauf stellt man fest, dass der Konzern doch nicht so verkehrt lag und bei den meisten Produkten da steht, wo er sich selbst sieht: ganz vorne.
Ich erinnere mich da gerne an die Einführung der AirPods, über die es eine Menge Memes und milden Spott gab. Heute macht Apple alleine mit diesen Dingern einen jährlichen Umsatz von 20 Milliarden und niemand würde bezweifeln, dass die AirPods in ihren Marktsegmenten das Maß aller Dinge sind.
In den vergangenen Jahren hat sich auch die Lesart eingebürgert, dass Apple das Thema KI komplett verschlafen habe. Und klar, wenn man lediglich auf Siri schaut, dann liegt der Gedanke schon nahe. Von allen Sprachassistenten der Schwächste, ist Siri irgendwo auf dem Stand des Jahres 2013 stehen geblieben. Damit beeindruckt man heute niemanden mehr.
Und jetzt? Holt sich Apple OpenAI ins Haus, was prompt als Beleg für die Apple-Schwäche gewertet wurde. Dabei folgt Apple lediglich einem Prinzip, mit dem es in den vergangenen Jahren ziemlich gut gefahren ist: nicht zwingend der Erste, aber dafür der Beste.
Die Idee: Man nehme etwas, das anderswo erfunden wurde, mache es verbraucherfreundlicher, benutzerfreundlicher und zuverlässiger, mische es mit einem Industriedesign von Weltklasse und drucke Milliarden. Künstliche Intelligenz ist etwas für Technikfreaks und Datenwissenschaftler. Apple Intelligence ist KI für den Rest von uns. So was es mit vielen Dingen, so wird es auch mit der KI sein. Es ist also mehr als ein Symbölchen, wenn Apple die KI (englisch: AI) zwar weiter AI nennt, sie aber selbstverständlich als „Apple Intelligence“ bezeichnet. Das ist dann eben die neue AI. Mit Discord macht man Nerds glücklich, mit Apple den gehobenen Allerwelts-User (und mich).
Was sich mit KI alles ändert
Die Apple Intelligence markiert den Beginn einer komplett neuen Entwicklung. Eine Entwicklung, die grundlegend alles verändert: Künftig werden wir mit so viel KI wie noch nie umgeben sein – und wir merken es nicht mal. Wir rufen die KI nicht mehr auf, wir loggen uns nicht mehr ein, wir wählen nicht die Option, jetzt mal KI zu versuchen. Sie ist einfach da, sie übernimmt das Arbeiten, sie wird buchstäblich zum Assistenten des Menschen.
Damit verliert auch die gerade so gehypte generative KI an Bedeutung, zumindest für den Normal-Anwender. Es gibt noch etwas Mächtigeres: kontextbezogene KI. Ich brauche keine KI, die alles über bayerische Geschichte weiß. Ich will, dass sie etwas über mich weiß, mir hilft, mein Assistent ist.
So wird es idealerweise auch mit Content sein: Wenn ich mit meinen Inhalten die User in den richtigen Situationen erwische, habe ich gewonnen. Das gibt es übrigens heute schon, zumindest rudimentär. Man nennt es Personalisierung. Mein Smartphone sagt mir kontextbezogen, was ich wann und wo und wie wissen muss. Das ist, wenn man so will, der neue Newsletter, der künftige News-Alert, die Webseite der Zukunft.
Das Ende der Millionen verschiedenen Tools
Für diejenigen unter uns, die kreativ irgendwas mit Content machen, muss die technische Entwicklung der KI keine schlechte Nachricht sein. Im Gegenteil, das macht die Sache einfacher. Weil es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis ganze Office-Suites, Adobe-Anwendungen und Content-Management-Systeme KI an Bord haben (teilweise ist das ja jetzt schon der Fall).
Schluss also mit etlichen geöffneten Fenstern und Apps, mit denen wir immer nur eine bestimmte Sache machen können. Im Falle von CMS beispielsweise werden wir vermutlich schon bald wie selbstverständlich Videos, Audios und Text bearbeiten und erstellen können.
Und, was noch viel wichtiger ist: Wir können dann auch in alle Richtungen skalieren. Videos werden Audios, Audios werden Text, Text wird Video. KI macht das alles möglich. Es wird so simpel sein, wie es auch auf dem Smartphone kein Problem mehr sein wird, KI über alle Anwendungen hinweg mehr laufen zu lassen.
Vermutlich ist also das, was wir gerade erleben, der entscheidende Sprung in der Entwicklung: die Integration in alle Systeme und Abläufe. Das ist interessanter (zumindest für uns als Anwender, Nerds werden das anders sehen) als ChatGPT 7. Was KI alles kann, hat inzwischen jeder kapiert, der mal ein bisschen damit rumgespielt hat. Jetzt geht um die Anwendung, um das Entwickeln von Workflows, um Inhalte.
Und natürlich auch um das, was seit Anbeginn der Digitalisierung der entscheidende Punkt ist: Wer schafft es, dieses neue Zeug so zu umarmen, dass es für ihn nutzbar ist. Kleine Prognose meinerseits: Verlage werden es eher nicht sein.
SEO ist tot, Google sucht ein paar neue Ideen
Wäre ich gerade Inhaber einer mittelgut gehenden SEO-Agentur, ich würde mir schnellstens ein neues Geschäftsmodell überlegen. Das würde übrigens genauso gelten, wäre ich auf Redaktions- oder Agenturseite für das Thema SEO zuständig. Das hat damit zu tun, dass sie vermutlich sogar bei Google schon seit einiger Zeit auf der Suche nach dem Nachfolge-Geschäftsmodell sind. Links auswerfen in einem Zeitalter, in dem die Antwortmaschine die Suchmaschine ablösen wird? Und ernsthaft noch die bessere Platzierung in solchen Maschinen befördern wollen, während überall die KI drinsteckt und Antworten liefert? Es dürften spannende Zeiten auf alle Medienmenschen zukommen.
Und sagen wir es mal so: Die Jobs werden nicht einfacher. Der Zugang der Nutzer zu Content wird sich jedenfalls massiv ändern, so viel ist spätestens seit Apple Intelligence unvermeidbar.
Das Ende des Metaverse
Mit der Apple Intelligence dürfte fürs Erste auch das Thema erledigt sein, von dem tatsächlich vor noch nicht so langer Zeit Menschen ernsthaft geglaubt haben, es sei die Zukunft: Zuckerbergs Metaverse. Dem werden wir vermutlich künftig in Museums-Sonderausstellungen für Kuriositäten aus dem frühen 21. Jahrhundert begegnen. Viel zu aufwendig, zu wenig echter Nutzen, eine echte Nerd-Geschichte: Während Apple mal wieder gezeigt hat, wie man es macht, war der Meta-Ansatz fernab aller Lebensrealitäten.
Ja, aber…hat Apple nicht jetzt erst die Vision Pro (für alberne 4000 Euro Einstiegspreis) auch für Deutschland angekündigt?
Spielerei, eine Art Versuchslabor und die Rückversicherung, dass man, falls das Thema VR doch noch mal groß wird, etwas in der Hand hat. Strategisch interessiert sich Apple kaum dafür, warum auch? Mit seiner Apple Intelligence und allen daran hängenden Konsequenzen wird Apple viel mehr Geld verdienen und Marktstellung erhalten, als es mit VR in den kommenden Jahren möglich wäre.
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