Vermutlich erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Google richtig groß wurde. Damit meine ich weniger die Suche, das Thema, mit dem alles begann und mit dem Google zum Riesen wurde. Sondern eher die Zeit, als ganz langsam Medien und Kommunikation begannen zu begreifen, dass Google nicht einfach ein Tool zum Suchen von Inhalten im Internet ist. Sondern vielmehr eine echte Bedrohung ihres Geschäftsmodells wird. Weil Google das wurde, was lange Zeit das Privileg von klassischen Medien war: Gatekeeper zu sein für Informationen.
Die Idee bestand immer darin: Wer die Information hat, kann sie verkaufen. In einem Tausch, 1:1, Infos gegen Geld. Das wurde später durch das Internet deutlich schwieriger. Dass jemand Geld zahlen sollte für etwas, was es kostenlos im Netz gab, leuchtete vielen Nutzern nicht ein, was man wiederum aus deren Perspektive ganz gut verstehen konnte. Und, ebenfalls ein simples Prinzip: Wer den Traffic hatte, hatte das Geld. Die Reichweite. Die Werbekunden. Alles wie gehabt also.
Bis Google kam.
Und klarmachte: Wer den einfachsten Zugang zur Information bietet, macht das Rennen. Und das war aus der Sicht von zunehmend mehr Menschen: Google.
Möglicherweise erinnern Sie sich auch noch an die langen Kämpfe, beispielsweise zwischen den deutschen Verlagen und Google. Bei denen ging es zwar vordergründig um die Frage, ob Google nicht Geld verdienen würde, mit fremden Inhalten. Tatsächlich aber handelte sich dabei immer auch um den Kampf um die Gatekeeper-Rolle. Wer den gewonnen hat, sei dahingestellt, weil das vermutlich auf die Perspektive ankommt.
Sicher aber ist eines: Mit dem Zugang zur Information alleine konnte und kann kein Medienunternehmen mehr punkten. Weil es von ihr (zu) viel auf vielen Kanälen gibt. Der Satz „Schau halt in der Zeitung nach“ ist nahezu ausgestorben. Niemand käme mehr auf die Idee, so etwas vorzuschlagen.
Ironie des Digital-Schicksals: Google steht heute vor einer ähnlichen Bedrohung wie die klassischen Medienhäuser damals. Weil KI dazu geeignet ist, das neuere und bessere Google zu werden. Weil sie, zumindest potenziell, in der Lage ist, den nachvollziehbaren Wunsch des Durchschnitts-Users zu erfüllen: Ich stelle eine Frage und bekomme eine klare Antwort. Das ist weitaus verlockender als die Perspektive, eine irrsinnig umfangreiche Sammlung von Links zu bekommen.
Wir erinnern uns: Was nicht auf der ersten Seite von Suchergebnissen vorkommt, wird von einer Mehrheit der User gar nicht mehr wahrgenommen, was dann wiederum zu der aus journalistischer Sicht bekloppten Idee der Suchmaschinenoptimierung führte. Ich kenne Häuser, bei denen die Optimierung deutlich intensiver betrieben wird als die eigentlichen Texte. Das wiederum führt dazu, dass man schlechte Texte wahnsinnig gut optimiert, was wiederum eine etwas merkwürdige Vorstellung von Journalismus ist.
Wie auch immer, Google kann vieles, aber eines bis jetzt nicht richtig: Eine simple Antwort auf eine simple Frage geben. Die hinter der Suche liegende Idee ist immer noch: Du stellst eine Frage und ich zeige dir potenziell unendlich viele Möglichkeiten, darauf eine Antwort zu finden. Also, vielleicht.
Das Modell Perplexity = Google mit KI
Eine Maschine wie Perplexity hat unterdessen begriffen, dass die User lieber Antworten als Links wollen. Perplexity funktioniert nach genau diesem Prinzip: Ein User stellt eine Frage und die Maschine liefert ihm eine Antwort (einschließlich der dazu verwendeten Quellen). Das hat, natürlich, mal wieder mit KI zu tun, ist aber keine Raketenwissenschaft. Stattdessen folgt Perplexity einem alten User-Wunsch (siehe oben). Und die Orientierung an Kundenbedürfnissen war schon immer das beste Erfolgsrezept.
Nicht, dass ich hier Werbung für einen bestimmten Anbieter machen möchte, auch wenn sich das Ausprobieren von Perplexity sicher lohnt. Es geht eher um Grundsätzliches: Perplexity und andere sind das, was Google bisher nicht war (wenn sie schlau sind, werden sie ihre Suchen aber genau dorthin anpassen). Womit wir auch wieder bei den Stärken von KI wären. Routinen erledigen, Muster zügig erkennen, Dinge zusammenfassen.
Das ist etwas, was der Mensch nie in diesem Tempo können wird, ebenso wenig wie er jemals in der Lage gewesen wäre, das Netz im selben Tempo zu durchforsten wie Google oder so schnell zu rechnen wie ein Taschenrechner. Es ist also immer dasselbe Spiel: Wenn eine Maschine einem Menschen Tätigkeiten zuverlässig abnehmen kann, wird sie das dauerhaft auch tun.
Die Maschine also. Vorher hat sie Suchtipps gegeben, jetzt beantwortet sie Fragen und ganz sicher wird sie zunehmend mehr auch den Tag in Form von Informationen zusammenfassen können. Das, was bisher eine Tagesschau oder eine Tageszeitung, eine Webseite oder eine Radiosendung machen. Braucht man also auch weiterhin Menschen, die uns die Basisinformationen liefern? Braucht man weiter den guten, alten Maschinenraum, in dem Menschen im Schichtbetrieb Dinge zusammenfassen? Ist das überhaupt noch ein Geschäftsmodell? Man kann das Problem lösen – durch die Beantwortung einer simplen Frage: Was kann die Maschine eigentlich nicht?
Das Geschäftsmodell: Alles, was die KI nicht kann
Die Antwort darauf kennt jeder, der schon mal mit KI gearbeitet hat. Sie ist nicht kreativ, sie ist nicht individuell. Sie erkennt Muster und arbeitet mit Mustern. Es gibt keinen einzigen originellen KI-Text, es existiert kein einziges KI-generiertes Bild mit eigener Note. Und ebenso wenig kann KI individuelle Einschätzungen von irgendetwas abgeben. Und so wie die Maschine den Menschen das gegeben hat, was sie wollen (einfache Frage, einfache Antwort), so können Menschen und Medien das ebenfalls. Mit allem, was über dieses Einfach-Prinzip hinausgeht. Sie ahnen die Antwort: Die Zukunft von Medien liegt in hochwertigen und individuellen Informationen, die von künstlicher Intelligenz nicht geliefert werden können.
Während viele Medien bisher hauptsächlich Grundversorgung bieten, ist es wichtig, sich auf qualitativ hochwertige Inhalte zu konzentrieren. Es mag heute schwer vorstellbar sein, dass Menschen ihre Informationen ausschließlich von KI erhalten, aber in fünf oder zehn Jahren könnte dies Realität werden. Was ist also die Alternative? Neue Angebote zu entwickeln und sein Geschäftsmodell entsprechend anzupassen. Eine reine Digitalisierung analoger Medien reicht nicht mehr aus, stattdessen müssen neue und relevante Inhalte geschaffen werden. Letztlich also das, was man eigentlich schon zu Beginn des Google-Zeitalters hätte machen müssen.
Stattdessen hat man die Zeit mit vielen Klagen gegen das Unternehmen verschwendet, die alle das grundsätzliche Problem nicht gelöst haben, weil sie am grundsätzlichen Problem vorbeigingen. Das Problem ist, dass die Maschine schneller und zuverlässiger ist als jede Redaktion. Ein Problem, das sich jetzt nochmals verschärft – und ironischerweise jetzt sogar für Suchmaschinenbetreiber zum Problem wird.