Im texanischen Austin findet gerade die SXSW statt – eine Digitalkonferenz, die weitaus spannender ist als das, was man in Europa gemeinhin so findet. Wenig überraschend: Dort wird gerade sehr, sehr viel über KI geredet. Nein, nicht darüber, wie man Chat GPT richtig bedient. Sondern darüber, wie eine (Medien-)Gesellschaft aussehen könnte, die durch KI ganz anders sein wird als das, was wir bisher kennen.
In den vergangenen Tagen bin ich mir vorgekommen wie ein Roboter für KI-Seminare. Hat zwar großen Spaß gemacht, aber nach drei Tagen am Stück wusste ich irgendwann nicht mehr, wie man welches Tool genau bedient. Klingt zwar etwas paradox, war aber wirklich so …
Was nimmt man daraus mit? Wie viele Tools es für KI gibt, lässt sich aktuell nicht seriös beantworten. Dann schon eher die Frage, ob es eigentlich irgendetwas gibt, wofür man nicht eine KI einsetzen könnte. Meine Vermutung: wahrscheinlich nicht. Und falls es doch noch etwas gibt, dann wird sich das bald ändern.Was hat fehlende Milch im Kühlschrank mit uns zu tun, die wir doch irgendwas mit Medien und Kommunikation machen?
Einfache Antwort: Wenn (und danach sieht es aus) KI jeden, wirklich jeden Bereich unseres Lebens verändert, dann ist es eher unwahrscheinlich, dass ausgerechnet unsere hübsche kleine Medienwelt davon unberührt bleiben würde.
Die Großen werden noch größer
Eine zu erwartende Auswirkung: Die Großen werden noch größer. Wer solche „Large Action Models“ programmieren will, der benötigt entsprechend Kapazitäten, Größe – und vor allem viel, viel Geld. Vorsichtig spekuliert: Es ist nicht unbedingt eine Utopie, wenn man glaubt, dass sich die wahre Macht im Netz (und damit unmittelbar auch über Medien und Kommunikation) künftig auf ein paar wenige Großkonzerne verteilt.
Wenn man die Geschichte mit der KI also weiterdenken will, kommt man schnell zu der Erkenntnis: Über Tools und ihre Möglichkeiten zu reden, ist im Regelfall nur noch Routine und nicht sonderlich interessant (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel). Ob jetzt noch ein paar generative Spielzeuge dazu kommen oder nicht, ändert an den grundsätzlichen Entwicklungen nicht mehr sehr viel.
KI wird endgültig zum Assistenten
Nehmen wir also lieber das, was etwa die grandiose Amy Webb auf der nicht minder grandiosen SXSW in Austin prophezeit hat: dass nämlich KI das „Gewebe unserer Existenz“ verändern wird. Das sogar mehr, als es das Internet jemals geschafft hat.
Erinnern Sie sich noch, als es irgendwann um die Jahrtausendwende so ein putziges Gerät namens „Personal Digital Assistant“ (PDA) gab? Der war alles, bloß nicht wirklich digital und erst recht kein Assistent. Jetzt könnte aus dem damals nicht wirklich eingehaltenen Versprechen Realität werden. Ein echter Assistent, einer, der womöglich schon vor uns weiß, was wir als Nächstes machen wollen und sollen (klingt spooky, ich weiß).
Und auch Amy Webb geht in diese Richtung. Sie glaubt, dass KI die Art und Weise verändere, wie wir mit Computern umgehen. Die Interaktion zentriere sich künftig „direkt um Menschen statt um Geräte“, sagt sie. Simples Beispiel: Während wir momentan noch vergleichsweise klobige Geräte in der Hand halten und auf Tastaturen herumhämmern, könnten wir künftig mit einem KI-Assistenten im Ohr sprechen. Eine „Alexa to Go“ sozusagen.
Das „Internet of Things“ kommt zurück
Und noch eine solche Sache: Das „Internet of Things“, schon vor 15 Jahren mal sehr gehypt und dann wieder vergessen, feiert sein großes Comeback. Jetzt aber nicht mehr als vermeintliches Spielzeug. Sondern stattdessen als das Ding, das endlich dazu bekommen hat, was bisher für eine sinnvolle Anwendung gefehlt hat.
Nämlich (Sie ahnen es): KI. Erst durch KI wird das IoT zu einer vollständigen Angelegenheit. Weil erst dadurch die Daten, die ein Kühlschrank sendet, aufbereitet werden können. Wenn die KI lernt, dass der Kühlschrank leer ist, kann sie alles Weitere veranlassen. Beispielsweise uns durch den Knopf im Ohr sagen, dass der Kühlschrank leer ist. Oder, noch besser: gleich die entsprechende Bestellung veranlassen oder wenigstens einen Eintrag zum Einkaufszettel hinzufügen (der dann natürlich schon lange kein Zettel im klassischen Sinn mehr ist).
Warum das so ist? Das ist simpler erklärt als jeder Dreisatz.
Das Geschäftsmodell der meisten Websites ist auf Traffic angewiesen. Wenn allerdings Google, Microsoft oder neue KI-Anwendungen die Suchergebnisse auf der eigenen Seite anzeigen und die Nutzer nicht mehr weiterleiten (KI lässt grüßen), dann war es das für diese Anbieter. Die ganz großen wie die „New York Times“ können noch ein Geschäft mit KI-Firmen machen. Sie verlangen Geld für die Inhalte, mit denen die Riesen ihre Modelle trainieren. Aber selbst für große Anbieter wie die Süddeutsche oder die Zeit wird das schon kaum mehr möglich sein, von regionalen Unternehmen ganz zu schweigen.
So, und nun?
Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, in denen das Internet kommerzialisiert und zum ernst zu nehmenden Medien-Kanal wurde. Die Reaktion in vielen Unternehmen war wahlweise:
- Das geht wieder weg!
- Kann man ja nicht erst nehmen!
- Schnorrer-Medium!
Das war alles. Nur keine angemessene Reaktion auf den größtmöglichen Umbruch überhaupt. Weil er sinngemäß nur getrieben war, von dem Wunsch, dass bitteschön alles so zu bleiben habe wie bisher.
Das ist heute, bei einem absehbar noch viel größeren Ding, leider nicht viel anders. Wenn ich mich mit Leuten aus der Branche unterhalte, dann fragen die meisten danach, wie sie KI einsetzen, um Kosten zu sparen. Zum Beispiel, um Stellen zu streichen, weil KI Arbeit übernehmen kann, die sich immer stark wiederholt. Was man wesentlich seltener hört: Fragen danach, wie man mit KI neue Werte schaffen kann. Das Geschäftsmodell muss also erneuert werden – oder zumindest erweitert.
Wer KI nur als Instrument zur Kostensenkung sieht, hat schon verloren
Würde man wenigstens das Geld, das man durch höhere Effizienz einspart, in Innovationen reinvestieren, es wäre eine gute Sache. Wer das glaubt, glaubt auch an Einhörner. Man muss sich nur die ewigen Sparrunden in vielen Häusern anschauen, die letztlich dazu geführt haben, dass es fort ausschaut wie bei der Deutschen Bahn. Und statt echten Neuerungen wird noch mehr vom Immergleichen zu machen. Nur dann eben mit so spannenden Innovationen wie Paywalls …
Wenn es um KI geht, dann müssen wir keineswegs eigene Modelle entwickeln. Aber mit KI anderer umgehen lernen, Workflows und Anwendungsszenarien und Geschäftsmodelle auszudenken, das können wir ganz sicher. Zumal die Alternative (siehe oben) die ist: Wir finden weiter unzählig viele Gründe, warum besser alles so bleibt, wie es ist. Die Prognose ist nur wie bei allen anderen umwälzenden Veränderungen:
Könnte sein, dass das furchtbar schiefgeht.