Ich habe die Tage genutzt, um ein wenig in meinen und unseren Beständen aufzuräumen. Denn ich habe festgestellt, dass wir mittlerweile einen ordentlichen vierstelligen Betrag pro Jahr für KI-Tools ausgeben.
Wie das eben so ist in diesen verrückten Zeiten: Hier mal eine Anwendung testen, da mal einen neuen Zugang legen und schon hat man zwei Dutzend solcher Dinge. Da kann man das eine oder andere schon mal weglassen.
Wenn Sie jetzt denken: Wie, das soll ein konstruktiver Ausblick auf 2024 sein und der erzählt uns jetzt, was er alles abschaffen will – keine Sorge, ich will damit erst einmal noch einmal deutlich machen, was wir in den letzten 12 Monaten erlebt haben. Nämlich einen Wandel, der mit Wandel sehr vorsichtig umschrieben ist.
Ich benutze diesen Begriff auch deshalb, weil ich sehr vorsichtig geworden bin mit Leuten, die etwas sofort mal Revolution nennen. Nach meiner Erfahrung handelt es sich dabei meist um menschliche Knallfrösche, um ein zum Jahresende passendes Bild zu verwenden: Sie machen viel Lärm und Rauch, meist um nichts.
Aber auch wenn man es etwas zurückhaltender formuliert: So etwas wie in diesem Jahr hat es schon lange nicht mehr gegeben. Das Thema KI hat sich so gewaltig ausgebreitet, dass selbst Leute wie ich, die es von Berufs wegen lieben, wenn viel Neues passiert, gedacht haben: Oh nein, nicht schon wieder! Man hatte sich gerade an das eine gewöhnt, um dann festzustellen, dass es schon wieder etwas Besseres, Neueres und Tolleres gibt.
Nur um es noch einmal zu erwähnen: Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich zum ersten Mal mit einem Ding namens Chat GPT herumgespielt und war erstaunt, was diese Version 3 schon alles konnte. Im Vergleich zu dem, was heute möglich ist und was wahrscheinlich in Zukunft noch alles kommen wird, war das wie ein iPhone 4 im Vergleich zu Modell Nummer 15. Innerhalb eines Jahres haben wir hier an fast allen Stellen unserer täglichen Arbeit irgendeine Form von KI eingebaut. Manche relativ einfach, um lästige Routinen zu reduzieren, andere mit echtem kreativem Potenzial.
Inzwischen bin ich ein so alter Knochen, dass ich mein Alter lieber nicht verrate. Aber eines weiß ich sicher: Ich kann mich an kein Jahr erinnern, in dem ich mich mit so vielen unterschiedlichen Dingen beschäftigt habe. Mein Arbeitsablauf hat sich dramatisch verändert. Und noch etwas weiß ich ganz sicher: Er ist deutlich besser als im Dezember 2022. Zurück zur alten Version? Auf keinen Fall!
Jetzt geht die Party richtig los
Ich vermute allerdings auch, dass wir immer noch erst am Anfang stehen. 2024 dürfte das Jahr sein, in dem auch der Mainstream kapiert, dass es beim Thema KI schon lange nicht mehr nur darum geht, dass man ein paar Texte generieren lässt. Videos, Bilder, Audios. Zusammenfassungen, PDF analysieren, Korrekturen vornehmen. Ich würde beinahe wetten: Schon 2024 werden viele Routinearbeiten an Künstliche Intelligenzen ausgelagert.
Nebenbei bemerkt: Wäre ich noch am Anfang meines Berufslebens, ich würde allerschleunigst schauen, dass ich mir ein gutes Fachgebiet suche. Dass ich die Dinge mache, die nach wie vor nur ein Mensch richtig gut hinbekommt. Niemand braucht mehr den Allerwelts-Texter, der Allerwelts-Texte textet. Pressemitteilungen lesen sich schon heute so, als wenn eine KI sie schreiben würde. Da kann man das auch gleich die Maschine machen lassen.
KI hat Auswirkungen auf unsere Jobs – und wie!
Also, reden wir Klartext und nicht immer um den lauwarmen Brei herum: Natürlich wird das Thema KI spürbare Auswirkungen auf die Jobs unserer Branche(n) haben, was denn sonst? Das wird schneller gehen, als sich eine Menge Leute träumen lassen. Hätte mir jemand vor einem Jahr prophezeit, dass ich einen beträchtlichen Teil meiner Podcast-Produktionen KI-gestützt mache, hätte ich ihn ungläubig angestarrt.
KI ist schon jetzt ein Milliardengeschäft. Und womöglich begreift auch Google demnächst mal, dass das irgendwie besser werden muss als das erstaunlich schlechte Bard. Adobe hat in seine Tools schon jetzt jede Menge KI eingebaut, auch von Apple heißt es, dass einiges für den Alltag zu erwarten sein wird. Höchste Zeit also, dass jeder, der sich mit Kreativem beschäftigt, in die Gänge kommt.
Eine Gelegenheit dazu, Sie verzeihen den Werbemodus: der HYBRID Eins-Lunchbreak am 7. März 2024. Ein kostenloses Update über alle Trends, die so zu erwarten sind. Anmeldungen schon ab jetzt – weil Zoom die Plätze auf 500 beschränkt. So, Werbemodus wieder aus.
Natürlich kann jeder zu dem Thema stehen, wie er will. Aber egal, ob man eher die Chancen oder die Risiken von KI sieht (und von beidem gibt es genug): Niemand wird sich dem Thema entziehen können. KI ist im Mainstream angekommen und spätestens im nächsten Jahr wird das Thema die Ebene verlassen, auf der wir alle ein bisschen herumspielen und ansonsten weitermachen wie bisher. Wer sich nicht ganz schnell mit KI beschäftigt, der wird genau das erleben, was wir vor mittlerweile fast 30 Jahren mit dem Aufstieg des kommerziellen Internets erlebt haben: Man wird ganz schnell abgehängt. Fragen Sie mal die Medienhäuser, die im Jahr 2024 immer noch glauben, dass es ein Ausweis ihrer digitalen Kompetenz ist, einen Facebook-Account zu haben.
Beim Thema KI wird es im nächsten Jahr vor allem um diese Herausforderungen gehen:
- Wie integrieren wir KI in unsere Arbeitsabläufe?
- Wie schaffen wir echten Mehrwert durch KI?
- Schaffen wir es mittelfristig, alle Kanäle mit einem einzigen Ausgangsformat zu bespielen?
Ja, ich weiß, das klingt erst einmal nach Nerd-Utopie, aber gerade der letzte Punkt ist gar nicht so weit weg, wie man denken könnte. Zumindest habe ich es die Tage mal ausprobiert. Der Ablauf war wie folgt:
- Podcast-Episode als Video aufnehmen. KI generiert daraus natürlich auch Audio.
- Videos und Social Media Clips in verschiedenen Formaten inkl. Untertitel von KI generiert.
- Eigene Stimme per Software geklont.
- Texte wie Transkripte, Threads, LinkedIn Posts und Shownotes per KI generiert.
- Zusammenfassung des Textes von der geklonten Stimme eingelesen und als Audio veröffentlicht.
Bevor jemand fragt: Ja, es hakt noch an einigen Stellen und natürlich muss man immer wieder drüber gehen und nachbearbeiten. Aber ansonsten funktioniert es schon ganz gut. Und was noch wichtiger ist: Das Ganze gibt einen Ausblick darauf, wie crossmediale Inhalte in Zukunft erstellt werden können. Denn das Ganze ist eine realistische Möglichkeit, Multi-Channeling deutlich schneller und effizienter zu machen.
Auch dazu wird es im kommenden Jahr einen Online-Deep-Dive geben. Am 14. März zeigen wir einen Nachmittag lang, wie so etwas in der Praxis funktionieren kann. Anmeldungen sind dann in Kürze möglich und wir werden natürlich auch an dieser Stelle noch einmal explizit darauf hinweisen. Werbemodus aus, diesmal endgültig.
KI greift Geschäftsmodelle an
Was man beim Thema KI gerne vergisst: Es geht ja nicht nur um das Erstellen von ein paar Inhalten. Sondern auch darum, dass ganze Geschäftsmodelle auf der Kippe stehen könnten.
Beispielsweise das von Google. Oder von Nachrichten-Webseiten.
Ja, richtig gelesen: Google wird in Probleme kommen und damit auch alle Medien, die ihr Geschäft an viel Traffic und damit wiederum an Google gekoppelt haben. Schon jetzt nämlich befürchten Nachrichtenseiten einen Traffic-Rückgang von 20 bis 40 Prozent.
Der Grund dafür ist simpel. Menschen werden zunehmend weniger googeln, sondern die KI fragen. Auf der Suche nach der einen Antwort – und zwar wirklich nach der einen! Das mag eine trügerische Hoffnung sein, aber so ist der Durchschnitts-User nun mal. Der will ja sehr häufig nicht großartig recherchieren, sondern eine Frage stellen, auf die es eine Antwort gibt. Wenn er das künftig kann, beispielsweise eben über Chat GT oder über eine kommentierende KI bei Google oder Microsoft – dann landet zwangsläufig weniger (Such-)Traffic auf externen Seiten. Weil aber immer noch viele Häuser ihr Geschäft auf Reichweite ausgelegt haben, wird das für Probleme sorgen. Ich bin gespannt, welche Antworten darauf gefunden werden.
Bei Google mache ich mir da weniger Sorgen, weil die vermutlich im kommenden Jahr bessere Antworten parat haben werden als Bard oder Gemini. Aber die, die von Suchmaschinen-Traffic abhängig sind?
Social Media, die Neuordnung
Aber natürlich wird sich die Medienwelt 2024 nicht ausschließlich um KI drehen. Ich würde fast wetten: Auch bei den Social Media werden wir ein paar Verwerfungen und Veränderungen sehen.
Diese Woche wurde geleakt, dass die Leugnung des Holocaust bei X nicht gelöscht, sondern nur etwas weniger prominent platziert werden soll. Inzwischen hat die EU Ermittlungen eingeleitet. Unterdessen will Elon Musk ausprobieren, wie sich wohl eine Paywall bei TwitterX machen würde. Das alles zusammengefühgrt und die eher unappetitliche Entwicklung des Netzwerks, die zunehmende Abkehr von Werbekunden und die Stinkefinger-Haltung von Musk: Zum ersten Mal kann man sich gut vorstellen, wie die Spirale aussieht, die X in den Abgrund zieht. Nicht unbedingt als ökonomische Plete, Geld hat Musk ja genug. Sondern als Abgrund, in dem sich am Ende eine Bubble von Spinnern und Radikalen trifft. Zumal es mit Threads jetzt auch eine Alternative gibt, die X ernsthaft bedrohen könnte (Ausführliches dazu habe ich ja schon geschrieben).
Ja, klar: Noch ist Twitter eine Nummer größer als alle anderen Konkurrenten. Auch Facebook ist immer noch groß, sehr groß sogar. Trotzdem ist bei beiden der Kipp-Punkt erreicht. Ihre besten Zeiten haben sie hinter sich. Der eine beginnt zu müffeln (X), der andere wirkt grau und langweilig und wie ein dauerndes Klassentreffen einer Ü45-Generation, ungefähr so sexy wie StayFriends (falls das noch irgendjemand kennt). Die Gewinner 2024: TikTok (leider) wird weiter seinen Weg zum Riesen gehen, Insta wird die neue Nummer 1 in Deutschland und Threads ein Twitter in netter. Ob es jemals die Relevanz als Nachrichtenquelle erreichen wird, wird man sehen. Ob das überhaupt sein muss, ist dann wieder eine ganz andere Frage. Trotzdem, meine Prognose: Threads ist noch kein „Muss“, wird aber schnell dieses Prädikat erhalten.