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Twitter in der Thread-Mühle

Mark Zuckerberg und sein Meta-Konzern haben die Tage etwas gemacht, worin sie in den letzten zehn Jahren immer am besten waren: Sie haben eine Idee eines anderen geklont. Dieses Mal haben sie sich Twitter vorgenommen, was insofern naheliegend war, weil Twitter leider nicht mehr zu kaufen war (Übernahme ist Zuckerbergs andere bewährte Strategie). Das neue Ding heißt “Threads” und hat, obwohl in Deutschland noch gar nicht ausgerollt, schon Abermillionen Accounts generiert  – auch und gerade in Deutschland.

Das zeigt Mehreres. Als allererstes: Es gibt einen riesigen Bedarf für ein neues Twitter. Müßig, über die Gründe zu spekulieren. Sicher ist nur, dass die Übernahme durch Elon Musk die Begeisterung für das Netzwerk nicht unbedingt größer gemacht hat. In Deutschland haben eine ganze Menge Mitglieder der Twitteria versucht, Mastodon als eine Art “New Twitter” groß zu machen. Hat aber nicht wirklich funktioniert, wird es auch nicht mehr. Auch hier gilt: müßig, über die Gründe zu spekulieren.

Jetzt also Threads. Die üblichen Verdächtigen sind alle schon drüben und zum allerersten Mal sieht es so aus, als könnte Twitter in seinem ureigensten Metier ernsthaft Konkurrenz bekommen.

Und damit sind wir dann auch schon beim Problem.

Nach wie vor handelt es sich beim Thema Social Media um eine Monokultur. Der riesige Zuckerberg-Block gegen ein paar Alteingesessene, ein paar Mittelerfolgreiche (Snap, Pinterest) und eben dieser eine ewig resistente Konkurrent: Twitter, das Netzwerk, das bisher einfach nicht kaputt zu kriegen war, nicht mal durch Elon Musk.

Jetzt aber wird Zuckerbergs Meta plötzlich zu einer sehr ernsthaften Bedrohung für Musk und Twitter. Zumal er mit dem an Threads gekoppelten Instagram über den aktuell wuchtigsten Player im Social-Media-Markt verfügt. Sieht man mal von TikTok ab, aber dazu später mehr.

Zuckerberg also als die Twitter-Alternative, der lang ersehnte Killer des Elon-Twitter? Über diese Perspektive kann man sich nicht wirklich freuen.

Aber auch inhaltlich herrscht triste Monokultur: Wenn alle, die bisher bei Twitter den Ton angeben, jetzt rübermachen zu Threads und dort wieder den Ton angeben – was wäre eigentlich gewonnen? Der Branchendienst Meedia jubilierte schon, die deutschen „Vordenker“ seien bereits zahlreich vertreten, ebenso etliche Medien und Unternehmen (bei so viel gedanklicher Schlichtheit ist es vielleicht gar nicht so verwunderlich, dass Meedia gerade durch ein Insolvenzverfahren taumelt).

TikTok: Keine Alternative, eher eine Bedrohung

Twitter, das war mal eine Art Liveticker der Welt. Aber Twitter erfüllt diese Funktion nicht mehr. Dank einer Reihe katastrophaler Fehltritte des neuen Eigentümers Elon Musk im letzten Jahr, verliert Twitter immer mehr Nutzer und Relevanz. Während Metas neue Threads-App ein beeindruckendes Debüt feiert: Der Rückgang des Traffics bei Twitter seit dem Meta-Start ist sigifikant.

Twitter unter Musk hingegen, eine Bilanz der Irrlichterei: Er entfernte alle alten Häkchen – Twitters jahrelange Methode, um den Nutzern zu versichern, dass die User  wirklich die sind, für die sie sich ausgeben.  Dann verkaufte er blaue Häkchen. Die Folge: Wer einfach 8 Dollar zahlte, sicherte sich eine Vorzugsbehandlung. Die Relevanz von Inhalten rückte wieder ein Stück in den Hintergrund.

Die neueste Idee: Die Zahl der lesbaren Tweets zu begrenzen.

Egal, ob man Musks Begründung für diese Beschränkung für plausibel hält: Mit einer Begrenzung der lesbaren Beiträge wird man kaum für wachsende Popularität sorgen. Im Zeitalter von wachsender und relevanter Konkurrenz schon gleich gar nicht.

Zumal Twitter noch ein anderes, viel größeres Problem hat: Der Dienst basiert immer noch auf dem Prinzip des Folgens. Im Gegensatz dazu liefert eine App wie TikTok Inhalte über einen hochentwickelten algorithmischen Feed. Selbst ein Nutzer mit null Followern kann auf TikTok mit seinem ersten Video Millionen erreichen. Die Chancen, dass ein 100-Follower-Account bei Twitter jemals relevante Reichweite erhält, sind dagegen nahe Null. Die Zahl der de facto bedeutungslosen Accounts bei Twitter ist Legende.

Twitter steckt in der Klemme

Auch Threads macht sich diese Schwäche zunutze. Gekoppelt an bereits bestehende (Insta-)Accounts muss – außer völligen Newbies – niemand bei Null anfangen. Das ist eine deutlich erfreulichere Perspektive, als sich bei Twitter mühsam hocharbeiten zu müssen, ohne zu wissen, ob das jemals klappen wird. 

Im Englischen gibt es die schöne Redewendung: between a rock and a hard place. Das umschreibt die Situation Twitters gerade nahezu perfekt. Schwer vorstellbar, wie es daraus einen Ausweg geben soll. Außer natürlich, dass sich Threads dann wieder als so ein First-Mover-Hype wie Mastodon und ein paar andere herausstellt. Die Chancen dafür sind aber aus Twitter-Perspektive diesmal deutlich schlechter als bei den Vorgängern.

Auf der anderen Seite: Die Perspektive, dass ein irgendwie undurchsichtiger chinesischer Konzern und der auch nicht immer grundsympathische Zuckerberg-Laden jetzt das Spielzeug eines erratischen Milliardärs attackieren, um die Vorherrschaft im Social-Media-Business zu bekommen, muss einen nicht unbedingt erfreuen. In der Social-Welt von 2023 jedenfalls ist von den idealistischen Ideen, die man dort vor 15 Jahren mal hatte, nicht mehr viel geblieben. Es ist ein Milliarden-Business. Nicht mehr, nicht weniger.

Dieses Business wandelt sich gerade. So stark wie in den letzten 20 Jahren nicht. Und es könnte gut sein, dass wir uns in ein paar Jahren an Twitter so erinnern werden wie an MySpace: als einen einstmals großen und wichtigen Laden, der aber dann die Kurve in die neuen Zeiten nicht mehr bekommen hat.

Podcast D25

Was ist eigentlich noch echt und wahr? im Zeitalter von KI eine zunehmend wichtigere Frage. Und eine, die immer schwerer beantwortet werden kann.

Klar ist also: In den nächsten Jahren werden wir vor allem nicht nur mit den technischen Aspekten von KI beschäftigt sein. Sondern auch mit den Auswirkungen auf uns alle. Erste Ein- und Ausblicke geben wir heute in der zweiten Ausgabe des KI-Specials von D25. Unser Gast auch heute: Prof. Iris Lorscheid.

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