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Die unintelligente Debatte über (künstliche) Intelligenz

Fänden Sie es originell, wenn ich Ihnen sagen würde, dass das Intro zu diesem Text von einer KI geschrieben ist? Vor einem Vierteljahr hätte ich Sie mit einer solchen Aussage womöglich noch zum Staunen gebracht. Heute sorgt das vermutlich nicht mal mehr für ein Schulterzucken. Mit dem “Schau mal, habe ich mit KI gemacht”-Thema sind wir soweit durch. Stattdessen sollten wir uns langsam mit den wirklich relevanten Aspekten der Technologie befassen. Und die sind ganz sicher nicht, ob Chat GPT gute Texte schreibt.

Und natürlich ist dieser Text nicht von einer KI geschrieben, alles Handarbeit, von der ersten bis zur letzten Zeile. Aber alleine die Tatsache, dass man ausdrücklich darauf hinweisen muss, zeigt: Wir leben in interessanten Zeiten. Das merke ich alleine an der Menge der Texte, die ich in diesem Jahr nur zum Thema KI geschrieben habe (beispielsweise hier und hier und hier)

Schreibt Chat GPT gute Texte? Oder doch eher beknackte? Verfolgt man die Debatte um das Thema KI gerade mit, dann kommt man irgendwann (oder besser gesagt: ziemlich schnell) bei Fragen dieser Art an. Das ist ungefähr so, als würde ein nagelneues Auto auf den Markt kommen, ein revolutionäres Ding, bei dem man ahnt, es könnte die Art unserer Fortbewegung verändern – und wir debattieren dann darüber, ob die Bereifung alltagstauglich ist.

Deswegen, also gut, großer Seufzer, nochmal der Versuch, diese dringliche Frage zu beantworten: Die Texte, die Chat GPT und seine Konkurrenten so auswerfen, sind ganz ok, aber keine Meisterwerke. Sie sind immer so gut, wie der Mensch dahinter, der die KI anleitet. Gibt er schwammige Anweisungen, kommt ein schwammiges Ergebnis raus. Je präziser die Prompts, umso besser die Ergebnisse (zumindest in der Theorie). Nicht umsonst bekommen herausragende „Prompt Engineers“ in den USA Jahresgehälter von rund 300.000 Dollar angeboten. Dass wir in Deutschland mit dem Thema noch ziemlich hintendran sind, zeigt sich auch bei diesem Thema: Mit dem Jobtitel Prompt Engineer können hierzulande bisher nur Nerds was anfangen.

Eine komplett verengte Debatte

Stattdessen gibt es vermutlich keine Redaktion, keinen einzelnen Journalisten und keinen Blogger mehr, der nicht in letzter Zeit mal einen „Seht her, so dämlich ist Chat GPT“-Text geschrieben hat. Mal schaffte die KI nur mit Mühe das bayerische Abitur, ein anderes Mal ließ sich das Programm mit ein paar wenigen Fragen derart aushebeln, dass es selbst simple Fragen falsch beantwortete.

Und es stimmt ja auch: Noch ist KI weit entfernt davon, herausragende und vor allem dauerhaft zuverlässige Ergebnisse zu liefern. Noch immer handelt es sich eher um Deep Learning als um echte „Intelligenz“. Aber sich zurückzulehnen, abzuwinken, darauf hinzuweisen,  man habe es ja gleich gesagt, das das ganze Zeug nix tauge? Ausgerechnet Journalisten und andere Medienmenschen sollten in diese Falle nicht tappen. Haben sie nämlich in den letzten 20 Jahren oft genug gemacht, mit den bekannt fatalen Folgen.

Wie blöd KI früher mal war

Bei der Debatte hilft der Blick zurück. Und die Erkenntnis, dass Software zum einen immer ein Entwicklungsprozess ist, in dem allerdings die Entwicklungen meistens in einem rasanten Thema gehen. Deswegen ein, zwei Blicke zurück.

Es ist ungefähr zehn Jahre her, als ich das erste Mal mit Sprachsteuerung experimentiert habe. Damals konnte man sich Software für den Computer kaufen (relativ teuer übrigens) und die dann auf die eigene Stimme trainieren. Nachdem ich diesem trotteligen Teil endlich meine Stimme und meine Aussprache langsam beigebracht hatte, versuchte ich es mit den ersten Diktaten. Die Ergebnisse: herzerweichend schlecht. Voller manchmal absurder Fehler, dazu in einem Tempo, bei dem ich immer im Hinterkopf hatte, dass das jetzt alles schneller getippt als diktiert gewesen wäre.

Heute gehört die Sprachsteuerung zum Alltag im Netz. Ja, sie macht immer noch Fehler, hat aber vieles leichter und schneller gemacht. Dass als Konsequenz daraus in Millionen von Haushalten sogar im eher technologiebehäbigen Deutschland Smartspeaker stehen, jeder mittelgute Rechner über Sprache verfügt und Smartphones sowieso – das hätte man 2013 nicht für möglich gehalten, wäre man mit der oben beschriebenen Einstellung an die ganze Geschichte gegangen.

Mein zweites Aha-Erlebnis: Transkriptionen. Man kennt das ja, man hat ein längeres Interview, ein Gespräch geführt und muss das irgendwie verschriftlichen. Als Handarbeit ist das eine echte Strafe Gottes (oder sonstwem). Also habe ich mich gefreut wie Bolle, als vor ein paar Jahren die ersten Transkript-Programme auf den Markt kamen. Mein erster Versuch war, ich erinnere mich noch gut, ein Gespräch mit dem großartigen Radio-Moderator Werner Reinke. Als Radiomann spricht Reinke sehr klar, ohne Dialekt, perfekte Voraussetzungen also für die Software.

Das Ergebnis: ein Desaster.

Trint (das war die Software, die ich verwendete) spuckte komplett blödsinnige Worte und Sätze aus. Das wäre nicht mal mit aufwendigem Redigieren zu retten gewesen. Selbst ist der Depp, dachte ich mir – und tippte das ganze Gespräch ab. Heute liefert Trint wie viele andere auch richtig gute Ergebnisse. Nicht perfekt, siehe Chat GPT. Aber so, dass man damit sehr brauchbar arbeiten kann. Und schließlich: Das Erstellen von Untertiteln in einem Video war noch bis vor kurzem eine mühsame und nervige Angelegenheit. Heute lasse ich das Premiere Pro machen, samt Transkriptionen. Fehlerquote: nahe null.

Man sieht also: Die Beurteilung langfristiger Folgen einer Entwicklung an ihrem Status Quo zu messen ist ein bisschen arg kurzsichtig (das steht hier nur, weil ich niemanden beleidigen will, mir würden andere Begriffe auch einfallen).

Und als wäre es nur die Texterstellung, von der wir reden! KI durchdringt schon jetzt nahezu jeden Teil unseres kreativen Daseins. Da ist die Frage nach der Qualität von ein paar Texten eine Bagatelle. Umgekehrt kann sich kaum jemand anmaßen zu behaupten, er könne schon jetzt absehen, welche Auswirkungen die kleinen Höllenmaschinen auf uns haben werden. Sofern Sie also nicht gerade Prophet sind, sollten Sie darüber im Klaren sein: Wir wissen es schlichtweg nicht.

Eine kurze Pause? Keine schlechte Idee!

Deshalb ist die Idee, uns selbst eine kurze Denkpause zu verordnen, gar nicht so abwegig, selbst wenn Elon Musk zu den Befürwortern dieses Gedankens gehört. Muss ja nicht alles blöd sein, was er sagt. Und es hat weder etwas mit Technoloigiefeindlichkeit noch mit Panikmache und Pessimismus zu tun, wenn man bei einer derart gewaltigen Entwicklung nicht alles komplett unkontrolliert laufen lässt. Selbst ein Technik-Optimist (ich würde mir dieses Label sofort auf die Stirn kleben) wäre ein naiver Trottel, würde er nicht sehen, dass KI neben vielen großartigen Optionen auch das Potential für gewaltigen Missbrauch bietet.

Aber selbst dann, wenn wir das Tempo etwas verlangsamen: KI ist und bleibt das Thema und die Technologie der Zukunft, ob uns das passt oder nicht.

Podcast D25

Eines der meist gesuchtesten Wesen im digitalen Deutschland des Jahres 2023 sind Menschen, die was von IT verstehen, man nennt sie so schön: Fachkräfte. Von denen gibt es viel zu wenig und das wird sich so schnell auch nicht ändern.

Woran liegt das und vor allem: Welche Auswirkungen hat das auf den Standort Deutschland? Das ist Thema unserer heutigen Folge mit Sead Ahmetovic, CEO von WeAreDevelopers. Das wiederum ist die größte Plattform für IT-Fachkräfte in Europa.

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