Ich muss Ihnen an dieser Stelle etwas gestehen. Manchmal sitze ich da und denke mir: Und da kommt ihr jetzt erst drauf? Die Tage beispielsweise haben Mark Zuckerberg und seine Meta-Jungs mehr oder weniger die Idee des Metaversums zu Grabe getragen. Spätestens nach den ersten Veröffentlichungen von Bildern, die irgendwie nach Second Life aus dem Jahr 2005 aussahen, dachte ich mir, dass das nie was wird. Weil der Nonsens zu offensichtlich war.
Was ich an der englischen Sprache liebe: Sie schafft es wie keine andere, komplexe Dinge mit einem Drei-Wort-Begriff auf den Punkt zu bringen. Während der Pandemie beispielsweise nannten die Amerikaner den Impfstoff von Johnson & Johnson “One and done”, was ganz wunderbar war. Sieht man davon ab, dass das Zeug einigermaßen unbrauchbare Plörre war. Aber wäre ich Marketing-Chef von denen gewesen, “One and done” wäre mein Claim geworden.
Ebenso prächtig finde ich die Formulierung “Dead on Arrival”, die man nicht mal übersetzen muss, so klar ist sie. An “Dead on Arrival” musste ich denken, als vor Jahresfrist die ersten Screenshots von Metas geplantem Metaversum auftauchten. Im ersten Moment dachte ich an eine Parodie oder sowas. Bis ich kapierte: Die meinen das ernst. Danach musste ich erstmal herzhaft lachen und gleichzeitig den Kopf schütteln. Aber sehen Sie selbst:
Ich wunderte mich, nach der überstandenen Lachattacke, schon ein bisschen. Und gleichzeitig verstand ich, wie viel dieses Ding über Zuckerberg, über Facebook und den gesamten Konzern aussagt.
Das Ding, das wirklich jeder noch so schlechte KI-Bildgenerator nach dreieinhalb Sekunden auswerfen würde, das also sollte die neue Computerwelt sein, nach der Millionen Menschen lechzen und dort unbedingt ganz viel Zeit verbringen wollen? Zumal ich mir dachte: Wenn schon die Grafik derart erbarmungswürdig ausschaut, was soll das denn erst mit dem Maschinenraum dahinter werden?
Dazu noch ein paar weitere Sachen, die bis heute ungeklärt sind:
Wollen Menschen ernsthaft laufend Zeit in virtuellen Räumen verbringen? Kann man bezweifeln, wenn man bedenkt, wie genervt die meisten schon nach zwei Jahren von Zoom oder WebEx waren.
Haben die Leute Lust, mehrere Stunden mit genickbrechenden klobigen Brillen auf dem Kopf zu verbringen? Und dafür womöglich auch noch vergleichsweise viel Geld auszugeben?
Hier gibt es eine klare Antwort: nein. Der weltweite Umsatz mit Virtual Reality betrug 2022 weltweit rund 12 Milliarden Dollar. In Deutschland waren es gerade mal alberne 260 Millionen. Zum Vergleich: Apple setzte alleine mit seinen Airpods weltweit rund 20 Milliarden um. In Deutschland waren es 425 Millionen. Man trifft keine allzu gewagte Vermutung, wenn man meint, dass die klobigen VR-Brillen immer noch ein Gamer-Ding sind. Aber im Alltag, beispielsweise für ein 45-Minuten-Meeting? Brillen auf und rein? Nie im Leben, nicht so lange das alles wirkt wie 2004.
Und schließlich: Was bringt es, wem nutzt es etwas? Eben.
Zuckerbergs Problem: Eine eigene gute Idee hatte er zuletzt 2003
Inzwischen hat Meta selbst eingeräumt, dass die Idee des Metaversums für die nächsten Jahre obsolet ist. Man solle nichts erwarten, was mehr als VR oder AR sei, schreibt der Konzern (natürlich im klassischen PR-Sprech). Das ist realistisch, auf der einen Seite. Und eine vorläufige Kapitulation auf der anderen Seite. Weil ein bisschen VR und AR nie der Anspruch des Konzerns waren. Sondern etwas Neues, Aufregendes. Für das, was man jetzt vorhat, hätte man nicht großspurig die gesamte Unternehmensstrategie in Frage stellen müssen.
Man wundert sich also zunehmend weniger über die laufend schlechten Nachrichten aus dem Meta-Headquarter. Nochmal 10.000 Stellen weniger, dazu einige weniger vorrangige Projekte, die zusammengestrichen werden – das ist die aktuell traurige Lage im Konzern. Neben einer ganzen Reihe anderer Gründe hat der Laden samt seines Masterminds ein entscheidendes Problem: Seit ungefähr 20 Jahren hatten sie dort keine eigene, brauchbare Idee mehr. Wenn man die wesentlichen Entwicklungen des Ladens mal zusammenfasst:
What’s App – ein Zukauf, nachdem die App deutlich erfolgreicher war als der Facebook-Messenger. Das Ding wurde gekauft und seither nicht wesentlich verändert. Die eigene Kreativleistung von Meta: nahe null.
Instagram: siehe oben, nahezu wortgleich. Nur, dass Insta irgendwann im vergangenen Jahr nah am Rande eines Useraufstands war, nachdem die große Copy Cat Meta aus Insta beinahe einen TikTok-Klon gemacht hatte. Das ungenierte Abkupfern von anderen hat in diesem Fall nicht wirklich geklappt.
Reels und Stories: Finden sich jetzt auf der Startseite von Facebook wieder und verstärkt natürlich bei Instagram. Allerdings ist auch hier Meta lediglich auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Der Trend zum hochformatigen Shortie kam von TikTok (vgl. hierzu auch: Instagram).
VR/AR: Oculus gekauft. Seitdem Metaverse-Versuche, von denen außerhalb des Zuckerberg-Imperiums niemand so recht überzeugt ist,
Das alles klingt nach einem Konzern, der schon seit einiger Zeit von seiner (zugegeben: beträchtlichen) Substanz lebt. Der mit dem Thema Metaverse ziemlich viel auf eine Karte gesetzt hat; eine Entscheidung, die fatal war.
Unterdessen rollt der KI-Zug, Zuckerberg schaut traurig hinterher. Und ob bei einem Thema, das viel eigene Kreativität erfordert, das perfektionierte Copy-Cat-Verhakten nochmal ausreicht, darf man aus guten Gründen bezweifeln.