Wenn Sie eine Frage haben, was hätten Sie dann wohl gerne? Eine Antwort, klar. Genau das liefert das Netz aber sehr häufig nicht. Das ist vermutlich der wichtigste Grund dafür, warum mit KI und Voice-Anwendungen zwei potentielle Suchmaschinen-Killer parat stehen. Zeit also, sich damit zu beschäftigen, wie neue Technologie den Konsumenten-Zugang zu Inhalten verändern wird.
Suchmaschinen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Also, rein technisch natürlich schon. Aber für die meisten User geht es nicht mehr (ging es jemals?) ums Suchen. Sondern ums Fragen stellen. Man will etwas wissen, hat eine klare Frage – und möchte dann bitte auch eine vernünftige Antwort. Also, eigentlich eher eine Fragemaschine.
Dummerweise, auch das weiß man schon als nur wenig erfahrener Nutzer, ist das mit den klaren Antworten auf eine simple Frage so eine Sache. Zwar bekommt man immer öfter mal Outputs, die schon etwas mehr nach einem semantischen Web aussehen, die einen Kontext halbwegs verstehen und die vor allem die Idee verfolgen, einem User möglichst früh eine potentiell zufriedenstellende Antwort zu geben, Also, ungefähr so:
Aber danach kommt dann schnell wieder das übliche Zeug: ganz viele Links, meistens brauchbar, manchmal Nonsens. Alles in allem keine Antwort auf eine Frage, sondern der freundliche Hinweis: Hier könntest du mal schauen, wenn du es genauer wissen willst (ohne Garantie, dass du hinterher auch wirklich schlauer bist).
Natürlich können Sie jetzt einwenden: Das ist das Ziel einer solchen Suchmaschine, schon immer gewesen. Ich würde mich aber wetten trauen, dass sich in den meisten Fällen ein User für eine eindeutige Antwort statt für weiterführende Links entscheiden würde, wenn er denn könnte.
Der Unterschied zwischen Suche und Recherche
Die Suchmaschine war also schon immer ein Einblick in das, was das Internet zu bieten hat. Die Idee der Linksammlung war dabei von vornherein nur ein Provisorium. Tatsächlich wollten User schon immer eine klare Antwort auf eine klare Frage. Niemand geht gerne ins Netz, will schnell etwas wissen und freut sich dann über eine aufwändige Fleißaufgabe. Alles andere als die mehr oder weniger eindeutige Antwort ist nicht Suche, sondern Recherche. Und das ist erstens ein Unterschied und zweitens userabhängig. Studis recherchieren. Oder Journalisten. Der User, der im Netz mal schnell wissen will, was eine Suchmaschine ist, will nicht recherchieren. Sondern eine Antwort.
Warum diese ein bisschen nach peniblen Finanzbeamten aussehende Unterscheidung in der Definition? Keine Sorge, dieser Newsletter mutiert nicht plötzlich in ein Proseminar Digitalisierung. Stattdessen erklärt dieser feine Unterschied, warum sich demnächst durch die Möglichkeiten von Tools wie ChatGPT et al auch der Zugang von Nutzern zu Inhalten im Netz ändert.
Das Tolle an solchen KI-Maschinen ist ja (bei aller Fehlerhaftigkeit): Man stellt eine Frage, gibt eine Aufgabe und wenn alles gut funktioniert, hat man innerhalb kurzer Zeit eine mehr oder weniger passable Antwort. Ja, schon klar: Natürlich macht so eine KI immer noch verblüffend dumme Fehler, aber sind Sie sich sicher, dass die Qualität der Resultate der Suchmaschine Ihrer Wahl immer spürbar besser ist?
Das ändert wiederum für alle, die professionell Inhalte im Netz anbieten, so ungefähr alles. Klar war es schon immer gut, wenn man bei der Google-Suche möglichst weit vorne ist. Jetzt aber wird das Rennen knapper, weil im Regelfall die Zahl der Antworten gen eins geht.
Im Klartext: Wer bei einem KI-Tool eine Frage bzw. Aufgabe stellt, bekommt erst einmal nur eine Antwort. Wer von Alexa und anderen Sprechautomaten etwas wissen will, wird eine Auskunft erhalten. Wer auf seinem Sprachassistenten beispielsweise Nachrichten hören will, wird sich im Regelfall für einen Anbieter entscheiden; so wie er ja auch bei klassischen Nachrichten im Radio ebenfalls einen Sender präferiert.
Kurz gesagt: Inhalte im Netz machen durch die neuen Technologien kurioserweise einen Schritt rückwärts. Das auf den ersten Blick sicht- und hörbare Angebot verknappt sich. Erst bei weiterem, proaktivem Suchen (das, siehe oben, dann wieder eher Recherche ist) tut sich die ganze schiere Masse des Netzes auf. Was nichts Schlechtes sein muss, zumindest nicht aus Nutzersicht. Viele alltägliche Fragen sind so banal, dass man nicht unbedingt ein paar tausend Links durchstöbern muss, um irgendwann die richtige Antwort zu finden.
Der Überfluss im Netz hat seine Schattenseiten
Überfluss macht nicht nur dick, faul und gefräßig. Er überfordert zudem, was man in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Zeiten der digitalen Völlerei prima am lebenden Beispiel nachvollziehen konnte. Nicht umsonst sind Begriffe wie „Digital Detox” zur hübschen Mode geworden (in einer Reihe mit vielen anderen Phrasen unseres Alltags im Jahr 2023, aber das ist dann wieder eine ganz andere Geschichte). Es ist ein bisschen wie im Supermarkt. Wer nur mal eben Hundefutter kaufen will, wird eine Angebotspalette von 27 Sorten möglicherweise als nervig empfinden. Wie groß die Sehnsucht nach ein bisschen mehr Orientierung und Übersicht ist, zeigt der Erfolg eines Dummy-Portals wie „Gute Frage”. Nicht, dass man es nutzen wollen würde, aber es steht exemplarisch für den Wunsch nach Einfachheit.
Und was bedeutet das alles für Medienmenschen (m/w/d)? Interessant zu sehen ist ja, wie viele in der Branche wahlweise zu kurz, zu wenig oder zu ablehnend über KI und/oder Sprachassistenten urteilen. Was man da nicht alles hört, beispielsweise Sachen wie:
- Das hat mit Qualitätsjournalismus nichts zu tun! (Das alte Totschlagargument)
- KI wird nie bessere Texte schreiben als der Mensch! (Das ist ja auch gar nicht die primäre Idee dahinter)
- Ich stell mir doch kein Überwachungsgerät ins Wohnzimmer! (Löblich, ich bin nur gespannt, ob all diejenigen auch im Umgang mit allen anderen Daten im Netz so konsequent sind)
Das alles ist die alte Leier der letzten 20 Jahre: erstmal bewahren, eher die Risiken als die Chancen benennen – und dabei unterschätzen, dass User sich für solche Debatten meistens nicht interessiert. Der kann mit einem Begriff wie „Qualitätsjournalismus” nicht viel anfangen und zudem ist ihm die Frage, wer die besseren Texte schreibt, tendenziell eher egal. Er schaut vielmehr darauf, ob ihm eine Technologie einen spürbaren Nutzen bringt.
Lassen wir also mal ein bisschen Trends und Zahlen sprechen. Demnach ist beispielsweise Chat GPT die am schnellsten wachsende Software seit gefühlten Jahrhunderten. Rund 100 Millionen Menschen greifen weltweit inzwischen auf das Ding zu; nicht so schlecht für eine Kiste, von der immer noch eine Reihe Journalisten behaupten, sie sei ein krachender Versager. Smartspeaker? Auch wenn die Euphorie ein wenig gedämpft wurde: Smartspeaker sind immer noch die Technologie, die am schnellsten von allen gewachsen ist. Rund 50 Prozent der Deutschen nutzen einen Speaker, zudem gilt das Wachstumspotenzial von Voice-Anwendungen immer noch als ungebrochen hoch.
Zwei Technologien also, die einiges gemeinsam haben. Erstens ein rasantes Wachstum und zweitens eine enorm hohe Akzeptanz bei der Nutzern. Und schließlich die beschriebene Eigenschaft, lieber nur eine als unzählig viele Antwortmöglichkeiten anzubieten. Wer hier in die Datensätze kommt, wer es schafft, mit seinen Skills prominent platziert zu sein, dem gehört die mediale Zukunft. Weil KI und Voice das neue Google sind.
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