Drei Dinge brauchen Medien und Kommunikation in diesem Jahr ganz dringend. Der Digital News Report 2023 verrät, wohin die Reise geht: Video, Podcast und Newsletter sind endgültig unverzichtbar geworden.
Man merkt ja meistens anhand der am meisten nachgefragten Themen für Seminare und Schulungen, wohin die Reise mit den Medientrends geht. Im noch gar nicht so alten Jahr 2022 war die Richtung klar: Es war eine Dreifaltigkeit, die diese Richtung markierte. Alles, was mit Videos, Audios und Newslettern zu tun hatte, boomte. Podcasts und Videos in sozialen Netzwerken sind nach wie vor der heiße Shit und dass sich daran etwas ändern soll in absehbarer Zeit, das ist kaum vorstellbar. Und Newsletter? Die sind inzwischen schon derart verankert im Medienmenü, dass man sich wundert, wenn jemand mal keinen hat.
Insofern: keine Überraschung, dass der jährliche Digital News Report des Reuters Institute auch für 2023 diese drei Themen als die wichtigsten zumindest in Sachen Content identifiziert. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache:
Lässt sich also sagen, dass diese drei neu im Standard von Medien und Kommunikation sind? Ja, absolut, weil eine solche Entwicklung mit solcher Deutlichkeit und über einen so langen Zeitpunkt hinweg nicht mehr mit einem Hype zu erklären ist. Mehr Ressourcen also für
- Podcasts (und andere Audio-Inhalte)
- Newsletter
- Videos (in diversen Varianten)
- Datenjournalismus und andere Visualisierungen
Dann schauen wir also mal drauf – was das im Einzelnen zu bedeuten hat.
Audio: Noch jemand ohne Podcast?
Es ist knapp 20 Jahre her, als ich zum ersten Mal den Begriff Podcast gehört habe. Ein Kollege brachte ihn von einer Dienstreise aus den USA mit. Und wie so oft bei neuen Dingen, habe ich erstmal nicht verstanden, was daran jetzt so großartig sein soll. Das habe ich damals auch bei YouTube nicht verstanden. Und bei Twitter und bei Facebook. So wie eigentlich bei allem, bei dem Menschen irgendwas irgendwo veröffentlichen können. Ich denke da fast zwangsweise immer an so Dinge wie Belanglosigkeit und meistens stimmt das ja auch. Zumindest am Anfang.
Aber so wie (witzig übrigens, dass beides nahezu zeitgleich entstanden ist) YouTube mittlerweile schon lange so groß und wichtig wie riesige TV-Sender ist, sind auch Podcasts inzwischen so etabliert wie Radio. Kein Wunder, dass beides auch eigene Berufsbezeichnungen hervorgebracht hat: YouTuber und Podcaster.. Trotzdem ist es immer wieder erstaunlich, wie viele Häuser ausgesprochen zögerlich waren (und manchmal immer noch sind), wenn es insbesondere um Podcasts geht.
Doch das sollte endgültig der Vergangenheit angehören. Die einzige Frage, die sich 2023 stellt: Noch jemand ohne Podcast? Die Vorteile von Podcasts sind so oft und so ausführlich beschrieben worden, dass es sich nicht lohnt, das Ganze hier nochmal zu wiederholen.
Von was dagegen viele aktuell verständlicherweise die Finger lassen: neue Anwendungen für Smartspeaker. Ich gebe zu: Ich hätte von den letzten Jahren auch mehr erwartet. Und nach wie vor bin ich mir auch sicher, dass es ausreichend viele andere Potentiale für sie gibt. Alleine, der User ist König und entscheidet mit der Stimme. Dieser User sieht anscheinend in den schlauen Lautsprechern nicht sehr viel mehr als ein Küchenradio mit Zusatzfunktionen. Davon, dass sie das Smartphone verdrängen und/oder die neue Einkaufsplattform schlechthin werden, sind wir weit entfernt. Man darf also davon ausgehen, dass das Smarte an den Speakern auch in den kommenden Monaten überschaubar bleibt. Die Killerapplikation, die jedes Ding braucht, wird immer noch verzweifelt gesucht. Vielleicht gibt es sie auch gar nicht und wir werden unseren staunenden Enkeln irgendwann mal erzählen, dass man Radios früher mit irgendwelchen Knöpfen und Schaltern bedienen musste, während man heute der schlauen Blechbüchse nur sagen muss, welchen Sender sie reindrehen soll.
Glaubt ihr nicht? Bei Amazon schon. Da haben sie einen beträchtlichen Teil des Alexa-Teams auf die Straße gesetzt. Sowas ist ja immer der sicherste Indikator.
Tendenz: It’s the Podcast, Stupid! Alles andere bleibt erstmal nette Spielerei am Rand.
Video: Alles, bloß kein Dreiminüter!
Jeder, der irgendwann mal beim Fernsehen gearbeitet hat, kennt die Sprüche über das Überschreiten bestimmter Längen von Beiträgen. Das hat irgendwann mal dazu geführt, dass TV-Redakteure nachts um 3 noch in der Lage gewesen wären, irgendwas zu machen, was nicht länger als drei Minuten gewesen wäre (bei den Privaten ersetzen Sie das bitte durch 1.30).
Auch hier gilt: Tempi passati! Der Begriff Video ist inzwischen so weit gedehnt, dass er für alles Mögliche steht, was sich irgendwie bewegt – und wenn es nur ein paar animierte Fotos sind. Oder flackernd-flimmernde Storys und Reels. TV-Redakteure sehen so etwas mit einer Mischung aus Entsetzen und Amüsement. Das ändert nur nichts daran, dass flackernde Maschinen wie TikTok schon lange Reichweiten gerade bei jüngeren Publikum haben, an die ein durchschnittlicher öffentlich-rechtlicher Schnarchsender in Zukunft gar nicht mehr denken braucht (ok, das war jetzt ein bisschen unfair).
Dazu kommen weitere Sachen, die früher mal dem TV vorbehalten waren: Livestreams beispielsweise oder auch mal richtig lange Stücke, die dann natürlich eher bei YouTube als bei Insta laufen. Kurz gesagt, das Bewegtbild ist buchstäblich grenzenlos und endlich zu dem geworden, was man schon vor zehn Jahren mal ahnte: das große Ding im Netz. Nur anders, als man sich das damals so vorgestellt hat. Kein Abklatsch dessen, was man aus dem Fernsehen kannte. Sondern eine sehr eigene Kunstform, die man mögen oder es auch lassen kann.
Videos kommen heute meistens aus dem Handy. Veredelt ebenso mit Apps, manchmal mehr, manchmal weniger. Manche von ihnen sind großartig, viele banal und ein beträchtlicher Teil verschwindet nach 24 Stunden im Nimmerwiedersehen. Storys und Reels haben inzwischen oft die Funktion von Statusmeldungen: Hallo, da sind wir gerade, das machen wir aktuell, that’s it. Diese Idee ist derart populär geworden, dass kaum ein Netzwerk mehr darauf verzichtet; sogar bei YouTube gibt es diese Shorts.
Kurz gesagt: Die Möglichkeiten, die das bewegte Bild inzwischen bietet, sind so groß, dass es mindestens fahrlässig wäre, auf sie zu verzichten. Manchmal ist es sogar unmöglich: TikTok, Insta, Facebook ohne Videos? Finde den Fehler. Kein Wunder, dass die Bedeutung steigt und auch in diesem Jahr mehr in dieses Thema investiert wird.
Tendenz: Kommunikation und Medien ohne Bewegtbild sind nicht mehr vorstellbar. Ein journalistisch-kommunikativer Standard.
Newsletter: Mail mich an!
Newsletter? Ja, Sie lesen gerade einen (kleine Abwandlung der legendären Tilly aus der Palmolive-Werbung, die älteren erinnern sich). Newsletter sind zu kleinen redaktionellen Wunderwaffen geworden. Interessanterweise ebenso als Spätstarter und im zweiten Anlauf wie die Themen Video und Podcast. Anscheinend, so viel kann man daraus nebenher mitnehmen, brauchen manche Dinge ein bisschen länger, bis sie reifen, aber das ist ja beim Menschen an sich auch nicht anders.
Jedenfalls gilt wie beim Podcast: Noch jemand ohne? Newsletter sind nicht nur ein wunderbares Instrument, um die Kommunikation mit dem geschätzten User oder anderweitigen Kunden aufrechtzuerhalten. Sie sind auch – aus Sicht des Users – dazu geeignet, den eigenen Content-Konsum zu strukturieren. Das morgendliche Surfen über Webseiten beispielsweise fällt bei mir inzwischen komplett aus (außer mir ist gerade langweilig und ich bin Wahllos-Rumsurf-Laune).
Stattdessen habe ich meine bevorzugten Seiten in eine Mailbox transferiert, mit dem dazugehörigen Archiv zudem. Irgendwelche Gründe muss der späte Newsletter-Boom ja haben, das hier ist einer davon.
Das bedeutet umgekehrt für den Versender, dass er sich Mühe geben muss. Newsletter sind mittlerweile zu hochwertigen redaktionellen Produkten geworden, die guten zumindest. Und damit auch zu Aushängeschildern. Man kann sich als User also seinen Teil denken, wenn jemand einen dahingeschlamperten Newsletter verschickt. Fast drei Viertel der Befragten wollen mehr in Newsletter investieren, woraus wie schon oben folgt: Ein Hype ist das nicht mehr, vielmehr ein Standard.
Tendenz: Gekommen, um zu bleiben. Der Newsletter ist (fast) so wichtig wie die eigene Webseite.
Und warum steht hier (noch) nichts von KI?
Nicht alle, aber ziemlich viele reden von Künstlicher Intelligenz. Würde man prognostizieren, dass es sich dabei um die interessanteste Technologie des gerade begonnenen Jahres handelt, würde man nicht sehr viel Widerspruch ernten. Und eine besonders mutige und originelle Prognose hätte man damit auch nicht aufgestellt. Jedes Steuerberater-Büro hat inzwischen mal mit ChatGPT experimentiert. Zwischendrin dachte ich schon mal, es handle sich dabei um das neue Clubhouse (lebt das eigentlich noch?). Das zeigt: Wir befinden uns aktuell noch in der Hype-Phase, Gartner und sein Zyklus lassen grüßen. Schön, dass sich jetzt auch eine breite Masse für das Thema zu interessieren beginnt, aber bevor wir ernsthaft mit vielen neuen und vor allem alltagstauglichen Anwendungen rechnen können, sind noch ein paar andere Dinge zu erledigen.
Welche das sind und wie KI generell einzuschätzen ist, darum geht es u.a. auch im Podcast D25, dessen Teaser hier ganz ohne KI entstanden ist.
Podcast D25
Zum neuen Jahr gibt es dann auch wieder eine neue Folge von D25. Diesmal beschäftigen wir uns mal grundsätzlich mit der Frage, wie es aussieht mit”Digital Leadership” am Standort Deutschland. Kurzer Spoiler: Könnte besser sein! Zu Gast in der 120. Folge (!) ist Dr. Stefan Sambol, Partner beim Strategieberatungs-Unternehmen Ommax.
Anhören? Hier:
Und natürlich überall da, wo es gute Podcasts gibt.