Sie lesen gerade einen Blogbeitrag. Sehr wahrscheinlich ist, dass Sie heute noch sehr viele andere Dinge im Netz machen werden. Sie werden lesen, sich mal ein paar Videos anschauen, vielleicht einen Podcast hören und dann in Social Media einen Post dazu absetzen. Die ganz normale multimediale Medienwelt also. Mit der Betonung auf „Multimedia“. Denn so viel Multimedialität war noch nie.
Bevor es mit diesem Text richtig losgeht, ein Geständnis: In meinem schon einigermaßen langen Leben verfolgt mich eine Fernsehsendung. Seit ich denken kann, gibt es “Aktenzeichen XY”. Und obwohl das heutige Format mit den Zeiten des “Ganoven-Ede” nicht mehr viel zu tun hat, schaue ich immer noch regelmäßig rein. Vielleicht aus Nostalgie, vielleicht auch nur, weil ich irgendeinen genetischen Defekt habe.
Neuerdings (bevor Sie sich fragen, ob es in diesem Newsletter ernsthaft um Aktenzeichen XY gehen soll) höre ich auch mal rein. Weil es die Mutter aller True-Crime-Formate jetzt als Podcast gibt. Die größten XY-Fälle und was aus ihnen wurde und selbst wenn ich sowas angesichts von realen Verbrechen ja immer etwas komisch finde, ist dieser Podcast ziemlich gut geworden.
Wenn Sie mögen, hören Sie gerne mal rein, aber das alles erzähle ich Ihnen nicht, weil Sie womöglich noch nicht genügend auf Ihrer persönlichen To-hear-Liste stehen haben (ich bin sicher, dass eher das Gegenteil der Fall ist). Tatsächlich ist der XY-Podcast ein Beleg dafür, wie sehr Marken, Formate und Kanäle zusammengehören. Und wie selbstverständlich das mittlerweile ist. Man wundert sich ja eher, warum nicht schon viel früher jemand auf die Idee gekommen ist, eine der bekanntesten Medienmarken Deutschlands in ein Audio-Format zu verlängern.
Und damit (ich weiß, der gedankliche Sprung ist jetzt heftig) kommen wir zur ARD-ZDF-Onlinestudie des Jahres 2022. Aus der gehen eine ganze Reihe Dinge hervor, die man rund 30 Jahre nach Beginn der kommerziellen Digitalisierung nicht mehr erstaunlich findet. Dass inzwischen nahezu jeder das Netz nutzt, Journalismus, Medien und Kommunikation so selbstverständlich wie früher der Fernseher und die Zeitung sind, geschenkt; das ist inzwischen alles keine Debatte mehr wert.
Video, Audio, Text? Am besten alles, so richtig Multimedia
Was die Studie aber auch zeigt: Es gibt kein Ranking mehr unter den bevorzugten Darstellungsformen. Kein: erst Text, dann Video, dann Audio. Stattdessen: bitte alles zu seiner Zeit und an seinem Platz. Er ist ja schlau, der User. Möglicherweise schlauer, als wir Medienmenschen uns das so vorstellen. Und er ist nicht festgelegt auf irgendwelche Präferenzen. Er nimmt, was ihm passt. Das sieht dann so aus:
Man erkennt schnell: Ganz egal, was gerade gehypt oder dann auch mal wieder runtergeschrieben wird, Videos, Audios, Social Media, das alles macht das digitale Medien-Universum aus. In der Zielgruppe der 14-29jährigen nutzt nahezu jeder Video und Audio. Und wie das mit Universen so ist, man will sich ja nicht immer in der gleichen Ecke aufhalten. Das Bonmot, das gute an Optionen sei, dass man sie habe – selten war es treffender.
Auffällig auch: So viel Multimedialität war noch nie. Die Nutzungsdauer von Video und Audio ist erheblich länger als die von Texten. Nur sollten Sie daraus jetzt nicht den Schluss ziehen, Texte seien im Netz weniger wichtig als audiovisuelle Inhalte. Einen Podcast können Sie beim Joggen oder beim Autofahren hören, versuchen Sie das mal lieber nicht mit einem Text. Die Qualitäten von Audio und Video liegen also auch (keineswegs: nur) darin, dass Sie sich nebenbei nutzen lassen. Das macht sie nicht besser oder schlechter, nur anders.
Der User also in einer komfortablen Lage; für diejenigen, die für die Inhalte verantwortlich sind, wird die Lage schon komplexer. Man muss Video, Audio, Social Media (und alles andere) ja erstmal produzieren. Und dass dann auch noch so, dass es sinnvoll ist. Nur Copy & Paste, das weiß man schon aus den seligen Zeiten, als man das erste Mal etwas von “Crossmedia” hörte, ist meistens nur die zweitbeste Lösung. Um auf den Anfang zurückzukommen: Die Marke “XY” mit einem Podcast zu verlängern, ist eine prächtige Idee. Nur produzieren muss das ja auch erstmal jemand.
Trotzdem, wenn man etwas aus der diesjährigen Studie von ARD und ZDF mitnehmen kann, dann das: So viel Multi-Content war noch nie. Vergesst den Hype um Podcast oder andere Geschichten, die Zukunft heißt: Möglichst alles und das richtig gut. Schwierige, aber auch spannende Herausforderung.