Das Metaversum ist sein vermeintlicher Ausweg aus einer tiefen Krise: Die Erlöse schrumpfen, der Unternehmenswert kollabiert, Mitarbeiter werden entlassen. Indes, damit steht der Meta-Konzern nicht alleine. Vielmehr steht ein ganzes Geschäftsmodell zur Disposition. Für Zuckerberg, für Elon Musk und für alle anderen, die jahrelang an die Goldgrube aus Daten und Werbung geglaubt haben.
Aber erstmal die nüchternen Zahlen: In Tagen, wie sie das Silicon Valley noch nie gesehen hat, lassen sich die Zahlen der Kündigungen nur noch in Tausendern benennen. Twitter feuert die Hälfte der Belegschaft, rund 3500 Leute. Bei Meta sind es über 10 Prozent der knapp 80.000 Mitarbeiter (m/w/d), die Rede ist von knapp 10.000 Kündigungen. Dazu Entlassungen bei Snap und bei Stripe, beide in Deutschland eher weniger wahrgenommen. Zusammengefasst: Big Tech erlebt gerade eine Entlassungswelle, wie man sie bei den immer wieder gerne mal verspotteten klassischen Medien noch nicht erlebt hat.
Und auch die anderen großen Player am Markt wie Google und Amazon klagen über massive Einbrüche ihrer Unternehmenswerte. Sieht man mal vom Sonderfall Twitter und seinem neuen erratischen Alleinherrscher ab, nehmen alle die in etwa gleichlautenden Begründungen für sich in Anspruch: Es sind harte Zeiten, die Wirtschaft brummt nicht mehr so, die Kunden halten sich mit dem Konsum zurück. Eine vorübergehende Malaise also.
Mehr als eine vorübergehende Krise
Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich kommenden noch zwei andere Aspekte dazu. Zum einen: Die Idee, alles, wirklich alles mit Werbung und Daten finanzieren zu können, stößt an Grenzen. Und zum anderen, zumindest im Fall der sozialen Netzwerke: Auch hier kommen die klassischen Modelle an ihr Limit.
Dass es die schwierige ökonomische Lage alleine nicht ist, zeigen zwei andere Riesen der Branche: Apple und (leider mal wieder) TikTok. Beiden geht es vergleichsweise prächtig. Trotz des gleichen Gegenwinds wie Google und Meta übertraf Apple die Gewinnerwartungen. Mit einer Marktkapitalisierung von 2,4 Billionen Dollar ist das Unternehmen etwa zehnmal so viel wert wie Meta. Man findet es dann gleich um ein ganzes Stück verständlicher, warum Zuckerberg lieber in ein Metaversum einsteigen will.
Apropos Apple und Facebook: Gerade im Binnenverhältnis dieser beiden wird gerade deutlich, vor welchem existentiellen Problem das bisherige Geschäftsmodell von Social Media und ein Stück weit auch von Google steht. Ohne Daten ist das ganze nämlich ziemlicher Mist. Und wie sehr Apples Idee, dem Datenstrom den Saft abzudrehen, diesem Business schadet, haben selbst notorische Pessimisten nicht kommen sehen.
Tatsächlich aber lehnen deutlich über 80 Prozent aller Apple-User ein Daten-Tracking auf ihren Geräten ab, wenn sie danach gefragt werden. Schon klar, iOS (und PadOS) sind nicht die ganze Mobile-Welt alleine. Aber wenn von einer (konservativ geschätzt) rund dreiviertel Milliarde Apple-User der ganz überwiegende Teil keine Daten mehr liefert, wie soll das an Unternehmen spurlos vorbeigehen, die sich bisher auf den Grundsatz verlassen haben, Daten seien das neue Öl? Der Grundsatz mag immer noch stimmen. Aber wenn das so ist, dann sind urplötzlich etliche Quellen versiegt.
Online-Advertising: Das Geld landet zunehmend mehr bei TikTok
Auch die Lage beim Online-Advertising lässt wenig Hoffnung für die bisherigen Platzhirschen auf baldige Besserung zu. Wenn das Geld also nicht mehr im bisherigen Maß an Facebook geht, wohin geht es dann? Im letzten Quartal (demselben Quartal, in dem Google, Meta und Snap vernichtet wurden) war TikTok das vierte Quartal in Folge die App mit den höchsten Umsätzen – während der übrige App-Markt rückläufig war. TikTok war auch die am häufigsten heruntergeladene App im App Store. Die weltweiten Werbeeinnahmen von TikTok werden sich in diesem Jahr verdreifachen, auf 12 Milliarden Dollar, was die Einnahmen von Snap und Twitter zusammen übertreffen würde.
Das Business der Platzhirschen, insbesondere vom nunmehr um 10.000 Leute geschrumpften Meta-Konzern, wird also von zwei Seiten angegriffen: von Apple, das den Datenstrom unterbricht. Und von TikTok, dem neuen Darling der User und dummerweise auch der Werbetreibenden.
Und so suchen sie denn jetzt auch nach Alternativen, weil sie wissen: So wie bisher wird es mit dem Deal “Kostenlose Anwendungen gegen Daten” nicht mehr weitergehen und mit der Online-Werbung auch nicht (Ich habe ja in diesem Zusammenhang immer auch noch die stille Hoffnung, dass sich die User nach den Exzessen der letzten Jahre auch wieder zunehmend mehr der Bedeutung von Privatsphäre bewusst werden). Facebook setzt alle Hoffnungen auf das Metaversum, während Twitter unter Musk eindrucksvoll irrlichtert. Eine Wette darauf, dass die beiden Plattform in fünf Jahren noch unsere Welt dominieren, würde ich aktuell eher nicht abschließen wollen.
Und auch als Publisher würde ich mir was überlegen: Nämlich, dass dieses Bauen auf geborgtem Land immer noch mit Risiken behaftet ist. Den eigenen Content auf Social Media zu promoten, das ist weiterhin unverzichtbar. Aber meine Home-Base, die würde ich dort nicht mehr errichten. Gut möglich, dass neben den aktuell ohnehin boomenden Newslettern und Podcasts auch Blogs und Webseiten wieder eine Renaissance erleben.