Diese Tage mal habe ich einen Podcast aufgenommen mit jemanden, der sich mit Podcast und Audio sehr viel besser auskennt als ich. Christian Bollert ist Gründer und Geschäftsführer von detektor.fm, eines der interessantesten Audioprojekte, die es in Deutschland gibt (den Link zur Folge bekommen Sie am Ende dieses Newsletters). Irgendwann in der Folge, eher beiläufig, sagt Christian Bollert einen zumindest für mich entscheidenden Satz: Podcasts, das bedeute häufig ja auch, zwei (oder mehreren) Menschen beim Denken zuzuhören. Read More
Ich war ihm für diesen Satz deshalb sehr dankbar, weil er auf den Punkt bringt, was ich am Medium Podcast so mag. Das Medium ist so echt, so authentisch wie kein anderes. Kein Schminken, keine Scheinwerfer. Kein fünfmaliges Redigieren eines Satzes, kein Kürzen, Verlängern, sonstwie in Form bringen. Ein Podcast, zumindest wenn er gut ist, ist genau das: Menschen beim Denken zuhören, sie kennenlernen, sie so nah erleben wie in keinem anderen Medium.
Nirgends ist die emotionale Verbindung so groß wie in Podcasts
Ich publiziere seit vielen Jahren auf den unterschiedlichsten Kanälen. Es gibt Videos, Bücher, Blogs, Newsletter von mir. Irgendwas mit Social Media auch. Und immer, wenn ich irgendwo unterwegs bin, erkenne ich, welcher Medienkanal der Auslöser dafür ist, dass mich jemand anspricht. Jemand, der mit mir spricht, als wären wir gute Freunde, hört sich den Podcast an. Das ist so, als würde man einen alten Bekannten treffen, den man sehr mochte, aber man hatte nie die Chance, gute Freunde zu werden.
Nirgendwo sind die Reaktionen so persönlich wie nach meinen Podcasts. Menschen glauben, mich zu kennen, weil sie einmal in der Woche meine Stimme hören. Meine Art des Sprechens ist ihnen vertraut, manchmal auch mein Lachen oder irgendwelche Eigenheiten.
Am Ende des vergangenen Jahres schrieb mir eine Hörerin, sie wolle sich bedanken, weil ich sie das ganze Jahr Woche für Woche begleitet habe. Meist, schrieb sie weiter, seien es die Themen, die sie interessieren, klar. Aber sie habe sich dabei ertappt, den Podcast auch bei Episoden zu hören, deren Thema sie weniger packt. Einfach wegen des Rituals. Und, vermute ich, wegen der entstandenen Vertrautheit (wir, also die Hörerin und ich, sind uns in der Tat noch nie persönlich begegnet).
Podcasts, so schreibt das Reuters Institute in seinem diesjährigen Digital News Report, seien auch 2021 gewachsen. In Deutschland hören demnach 29 Prozent der Mediennutzer regelmäßig Podcasts, davor waren es 25 Prozent. Und wenn man dann noch einen Blick auf das Alter der Nutzer wirft, kann man sich leicht vorstellen, dass der Boom noch lange nicht zu Ende ist. Bei den jüngeren Hörern zählt sich inzwischen schon fast die Hälfte der User zu den Podcasts-Hörern. Es wäre erstaunlich, würden sie dies mit steigendem Alter ändern. Podcasts sind also Mainstream oder zumindest auf dem besten Weg dorthin.
Auch auf der Finanzierungsseite hat sich soviel getan, dass Podcasts inzwischen für beide Seiten lukrativ werden: für die Produzenten ebenso wie für die Werbetreibenden. Vor allem deshalb, weil dort Werbung ganz andere Optionen hat als in klassischen Formaten. Hosts sprechen die Werbung häufig selber ein, nicht als Werbung, sondern eher als Moderation, auch wenn der Hinweis darauf, dass es sich jetzt um irgendeine Form der Werbung handelt, nicht fehlt. Um allerdings dieses Maß an Credibility zu bekommen, um Barrieren und Filter zu überwinden, da müsste Agenturen anderswo schon wahnsinnig viel einfallen (tut es meistens aber eh nicht, wenn man sich durchschnittliche Radiowerbung mal als Maßstab nimmt).
Und noch zwei weitere Dinge, die Podcasts nahezu unschlagbar machen. Zum einen: die tatsache, dass sie weitaus weniger Aufmerksamkeit benötigen als Videos. Man kann sie nebenher hören, Lautsprecher an, Kopfhörer rein, los geht es. In Zeiten der drahtlosen Pods lässt sich nebenher viel machen: joggen, Rasen mähen, die verdammte Küche endlich mal aufräumen. Das könnte bei einem Video schwierig werden und Texte lassen sich in solchen Situationen erst recht nicht lesen. Nebenbei wundert es mich in diesem Zusammenhang ja immer, dass sich viele Radiosender, insbesondere die Dudelfunker, selber zum “Nebenbeimedium” verzwergen. Man kann die Küche aufräumen und dennoch halbwegs verstehen, was der Mensch da im Kopfhörer erzählt. Eher ist es andersrum, die Küche oder der Rasen sind die Nebenbei-Tätigkeit.
Die Hürden zum Einstieg in einen Podcast sind niedrig
Und zweitens: die Produktionskosten und auch auf der Aufwand sind bei Podcasts immer noch vergleichsweise niedrig. Nein, verwechseln Sie das mal besser nicht, ich habe nicht gesagt: billig. Billig ist billig und wird immer billig klingen. Aber im Vergleich zu Videos sind Podcasts immer noch sehr, sehr günstig. Und günstig ist immer noch was ganz Anderes als billig. Wie auch immer, was will man mehr: niedrige Einstiegshürden für die Hörer wie für die Produzenten, noch dazu auch noch auf mobilen Plattformen omnipräsent, wer kann das schon von sich sagen?
Hören also, das ist nicht nur ein Vorgang, bei dem Emotionen aufgenommen werden. Sondern einer, der Emotionen hervorruft. Mehr als man denkt. Versuche zeigen: Emotionale Geräusche wie etwa Lachen und Weinen führen zu einer sehr hohen Aktivität im auditiven Cortex. Neutrale Geräusche dagegen hatten keinen so großen Effekt. Was für den visuellen Cortex schon bekannt war, gilt auch für den auditiven Cortex: Emotionale Sinneseindrücke werden schon auf einer sehr frühen Verarbeitungsebene verstärkt verarbeitet. Umgekehrt ist die menschliche Stimme das Instrument, mit dem wir den größten Eindruck machen.
Kein Wunder also, dass Audios vermutlich viel wichtiger sind, als wir lange Zeit geglaubt haben.
PS: Warum Podcasts und auch Newsletter in jede gute Content-Strategie gehören, lesen Sie hier.