Im Zusammenhang mit Instagram habe ich jetzt einen hübschen Begriff gelesen: “Engagement Baiting”. Das ist eine subtile, wenn auch nicht weniger nervige Variante des “Click Baiting”. Warum man beides nicht tun sollte und wieso sowas sogar kontraproduktiv sein kann. Read More
Heute habe ich zuerst sehr viele, sehr wichtige Leute getroffen und mit ihnen große Deals abgeschlossen! Danach war ich in einem ausgezeichneten Restaurant beim Essen und habe dann vor einer traumhaften Kulisse in den Bergen/an einem exotischen Strand noch einen Absacker genommen.
Und ihr so?
Ich vermute, mit einem Text wie diesem vorstehenden würde ich mich nicht sehr beliebt machen. Umso erstaunlicher ist es, so etwas in den diversen Netzwerken, die alle von sich behaupten, “sozial” zu sein, immer wieder zu finden: Ich machte großartige Sachen – und wie war euer Tag? Ich vermute desweiteren aber auch, dass diese Frage rhetorisch gemeint und außerdem Ergebnis einer Social-Media…nun ja, “Strategie” ist. Irgendjemand hat dem Autor geflüstert:
Fragen stellen!
Interesse zeigen!
Call to Action!
Interaktion steigern!
Weswegen man ein gequältes “Und ihr so?” hinterher schiebt. Die LinkedIn-Variante der gequälten Nachfrage lautet übrigens: Und welche Erfahrungen habt ihr gemacht? (Oder, noch schlimmer: Man schiebt gleich eine Umfrage hinterher das bringt ordentlich Klicks!) Sie ist meistens aber ebenfalls nur der vermeintlichen Höflichkeit geschuldet. In den allermeisten Fällen will halt jemand seinen Post absetzen, mehr nicht.
Das ist übrigens völlig in Ordnung, wenn man sowas nicht tut. Weder muss man der Höflichkeit halber eine Anstandsfrage hinterherschieben, noch muss man bei einem Beitrag, bei dem man seinen eigenen Inhalt annonciert, ein gequältes “Lasst gerne ein paar Likes und ein Abo da” hinterlassen (Offenlegung, falls jemand recherchiert: Habe ich auch schon gemacht, hat sich komisch angefühlt und ich glaube, durch diesen einen Satz hat es nicht ein Abo und ein Like mehr gegeben).
Worauf ich hinaus will: Leute, mehr Selbstbewusstsein! Wenn eure User, eure Community euer Zeug mag, dann wird sie es liken und abonnieren. Wenn eure Follower Lust haben, einen eurer Beiträge zu kommentieren, werden sie es machen. Man muss sich nicht selbst in den Staub werfen und um Likes betteln – weil es de facto nichts bringen wird. Glaubt keiner windigen Social-Media-Agentur!
Engagement ist mehr als ein paar Höflichkeitsfragen stellen
Wie entsteht dann all das, was wir so gerne hätten, wenn wir in sozialen Netzwerken unterwegs sind? Komisch, wenn man das im Jahr 2022 immer noch sagen muss, aber es ist wirklich: It´s the content, stupid! Auf den Inhalt kommt es an, es ist wirklich so banal. Und wenn man sich umgekehrt vorstellt, dass jemand einen mauen Inhalt postet und fragt: Und, wie waren eure Erfahrungen so – dann kann das unfreiwillig komisch und kontraproduktiv wirken. Ebenso wie inzwischen wieder leicht eingedämmte Pest der Banal-Umfragen bei LinkedIn und das schon erwähnte vorgegaukelte Interesse am Tagesverlauf des Gegenüber.
Glaubt ihr nicht, eure Social-Media-Agentur hat euch das ganz anders erzählt? Bei LinkedIn sind sie inzwischen so weit, dass der Algorithmus entsprechend geändert wird. Nebenher ist dabei auch noch das schöne Wort “Engagement-Baiting” entstanden; ein Begriff, mit dem eigentlich alles gesagt ist. Wer es also übertreibt mit dem Betteln um Engagement, der wird künftig abgestraft und steht im Ansehen der Plattform anscheinend nur noch knapp eine Stufe über dem gewöhnlichen Spammer.
Ach ja, und es gibt noch etwas, woraus Dialog und Interaktion entstehen: echtes Interesse! Das ist wie im richtigen Leben. Man merkt eben sehr schnell, ob jemand wirklich wissen will, wie es dir geht – oder ob es sich beim “Wie geht´s?” um eine standardisierte Smalltalk-Frage handelt. Kann man schon machen. Man darf sich dann nur nicht wundern, wenn die Antworten eher schmallippig ausfallen.
Was man daraus mitnehmen kann? Das zu machen, was alle machen, das ist selten eine gute Idee. Es reicht nicht zu glauben, dass man besonders individuell sei. Wenn man irgendwie raus will aus der Belanglosigkeits-Falle, dann sollte man als allererstes aufhören, vorgestanzte Belanglosigkeit ins Netz zu pusten. Für Dialog und Engagement gibt es keine Stanzen, keine Formulare, keine festen Regeln.
PS: Als kleine Hilfestellung zum Thema Individualität, in dieser legendären Brian-Szene ist eigentlich alles gesagt…