Früher nannte man das mal Multimedia oder Crossmedia, heute sprechen wir von Storytelling. Die Unterscheidungen sind eher marginal, nur eines ist sicherer denn je: Storytelling ist die Zukunft von Medien und Kommunikation. Read More
Der großartige Kurt Kister (kleiner Einschub: hier schreibt ein bekennender Fanboy) hat im Newsletter dieser Woche mal wieder eine hübsche Geschichte erzählt. Sinngemäß ging es darum, dass Journalisten heutzutags gerne von Nutz- und Mehrwert-Themen getrieben sind. Fakten, Fakten, Fakten sind nicht so bedeutsamen, wenn man doch gleichzeitig Mehrwert, Mehrwert, Mehrwert bieten kann und immer an die Leser denkt. Anfangs dachte ich ja noch, es handle sich um eine leichte Übertreibung als Stilmittel. Inzwischen aber würde ich sagen, dass Kister leider recht hat. Es gibt eine ganze Menge von Kollegen (m/w/d), die sich Journalisten nennen und im Rahmen dieses Berufsbilds erklären, wie man einen alten Hosenknopf wieder annäht oder ein paar Hausrezepte aus Omas Zeiten hervorkramen und sie als “Life Hacks” verkaufen.
Das muss man nicht großartig kritisieren. Mei, wer es mag, soll es halt machen.
Trotzdem, es gibt noch eine andere wesentliche Veränderung in Journalismus, Medien und Kommunikation. Eine, die auf den ersten Blick ähnlich klingt wie die Sache mit den Hosenknöpfen: Journalismus und Kommunikation, das ist heute mehr denn je “Storytelling”. Man sollte sich da nicht täuschen lassen. Storytelling heißt nicht, dass man anfängt Belanglosigkeiten zu erzählen. “Geschichtenerzähler”, das hat ja bei uns eher einen fade Beigeschmack. Einer, die viel plappert, nicht immer aber mit Substanz. Journalisten und andere Medienmenschen würden sich jedenfalls nicht allzu geschmeichelt fühlen, würde man sie in die Nähe von netten Labertaschen rücken.
Storytelling über alle Kanäle hinweg
Darum geht es aber nicht, wenn wir heute von Storytelling reden. Eher im Gegenteil. Weil Medien und Kommunikation heute fast immer Storytelling sind (oder zumindest sein sollten). Weil eine Geschichte erst dann richtig gut wird, wenn man sie im richtigen Umfeld, im richtigen Kontext für das richtige Publikum erzählt. Wenn man so will also eine konsequente Weiterentwicklung dessen, was wir ganz früher mal “Crossmedia” und noch sehr viel früher “Multimedia”.
Was also nutzt die beste Geschichte, wenn man sie nicht zu erzählen weiß? Wenn man mit ihr nicht die richtigen Leute erreicht, wenn man die falsche Erzählform wählt? Medien macht man heute nicht mehr für einen Kanal alleine. Jede Geschichte ist eine “Story”, die sich in den verschiedensten Varianten erzählen lässt.
Wir brauchen ein Fach „Storytelling“ in der Ausbildung
Ich staune deshalb immer wieder, warum das Fach “Storytelling” nicht schon lange in allen Ausbildungsgängen zu einem festen Bestandteil geworden ist. Storytelling ist mehr als das Beherrschen der multimedialen Grundlagen. Wer weiß, wie man ein Audio produziert und ein Video schneidet, hat deswegen noch lange keine Ahnung von Storytelling. Storytelling bedeutet im besten Fall, die Zufälligkeit aus dem Medienmix zu nehmen. Begründen zu können und zu wissen, warum man an der einen Stelle ein Video nimmt und an der anderen Stelle ein Audio, das ist die Kunst. Viel zu oft hört man ein “Man könnte da ja mal en Video/Audio/whatever machen” als Pseudo-Begründung für die Auswahl einer Darstellungsform. Stimmt, man könnte – aber nachdem man alles, was man könnte, auch bleiben lassen kann, eignet sich so etwas nur schlecht als schlagendes Argument.
Aus Inhalt, Technik und Kanälen eine stringenten Plan und eine gute Geschichte zu machen – das wäre die Kunst des Storytellings. So lange man allerdings nur Kanäle bespielt, ist das bestenfalls als Story getarnter Murks.