Die Reichweiten von Podcasts sind immer noch ein Mysterium. Jetzt will die AGMA eine neue Währung schaffen. Die erste Ausgabe der MA Podcasts hat einen ungewollten Unterhaltungswert. Demnach gehören 16 Podcasts von Zeit Online zu den Top 60 in Deutschland. Hätte ich mich mitzählen lassen, wäre ich auch dabei gewesen. Zweimal sogar. Read More
Gerade eben festgestellt: Diese Woche feiere ich im Stillen eine Art Doppel-Jubiläum: Am Dienstag ist die 100. Folge unseres Podcasts D25 erschienen, am Freitag gibt es dann die 100. Folge von Satzzeichen, einem Podcast, den wir für die Hanns-Seidel-Stiftung in München produzieren und der mir in den letzten beiden Jahren echt ans Herz gewachsen ist.
So wie die Podcasterei überhaupt. Es gibt fast nichts, was ich lieber täte. Wäre dem nicht so, dann hätte ich nicht in den vergangenen vier Jahren insgesamt fast 400 Folgen moderiert, produziert, gesprochen. Es wundert mich, dass Menschen nach 400 Folgen immer noch meine Stimme und mein Geplauder ertragen können, aber das ist erstens eine andere Sache und zweitens: sei’s drum, wenn immer noch pro Jahr eine gute sechsstellige Zahl von Abrufen da sind, kann es so schlecht dann auch wieder nicht sein.
Die meisten Zahlen sind viel Podcast-Schall und Rauch
Falls hier jetzt jemand gerade die Frage stellen will, wie ich auf eine belastbare Zahl bei den Podcast-Abrufen komme: berechtigte Frage, die ich übrigens oft höre, vor allem, wenn Gäste natürlich wissen wollen, wie viele Menschen sich eine Folge so anhören. Das ist nach wie vor eine problematische Geschichte, weil es die eine Institution, die Podcast-IVW sozusagen, immer noch nicht gibt. Weswegen weiterhin die verschiedensten Zahlen und Zählweisen kursieren. Das ist ein bisschen wie in den Anfangszeiten des Web. Die Älteren erinnern sich an so lustige Unterscheidungen wie Hits und Clicks, was zur Folge hatte, dass sich selbst mittelgroße Webseiten in aberwitzige Dimensionen hoch rechneten. Tempi passati, es hat viele Jahre gedauert, bis man zu wirklich validen Bewertungen kam.
Bei Podcasts ist das ähnlich, weswegen Sie grundsätzlich allen misstrauen sollten, die aberwitzige hohe Hörerzahlen melden. Die AGMA hat sich deshalb jetzt an einer “MA Podcast” versucht, einem Adäquat zu anderen MAs quasi. In entsprechenden Veröffentlichungen lässt sich die AGMA attestieren, dass diese neue Währung “unglaublich wichtig” sei. Das ist in der Theorie wunderbar, in der Praxis stolpert man dann aber über das eine oder andere.
Beispielsweise hierüber: 100 Podcasts haben teilgenommen, lässt die AGMA wissen. Hört sich prima an, ist aber angesichts der Tatsache, dass es alleine im deutschsprachigen Raum abertausende Podcasts gibt, nur ein winziger Ausschnitt. Dazu kommt: Häuser wie die “Zeit” beispielsweise haben sich mit mehreren Podcasts beteiligt, was zu dem interessanten Ergebnis führt, dass jetzt zwar 16 (in Worten: sechzehn!) Angebote von Zeit online unter den Top 60 zu finden sind, Dickschiffe wie “Fest & Flauschig”, “Gemischtes Hack” und all die anderen großen Podcasts nicht auftauchen.
Dafür landet man mit 421 (!) Downloads immer noch auf Platz 60 der AGMA. Was mich ein bissel wurmt: Hätte ich mal D25 und Satzzeichen mitzählen lassen, hätte ich jetzt zwei Podcasts unter den Top 60 in Deutschland. Woran man merkt, wie absurd gering die Aussagekraft dieser “MA Podcast” ist: Ich freue mich zwar über unsere Hörerzahlen und staune gerade immer wieder, wie beide Angebote wachsen. Aber nicht mal im völligen Rausch eines Größenwahns würde ich behaupten, dass die beiden Podcasts zu den größten 60 in Deutschland zählen würden. (Nebenbei: Wenn Sie uns wirklich in Deutschlands Podcast-Elite pushen wollen, können Sie D25 hier und Satzzeichen hier abonnieren; und natürlich überall da, wo Sie gerne Podcasts hören).
Wenn man also den Wert einer Währung so einfach dechiffrieren kann, wenn man nicht mal mit Zahlen gegenhalten muss, um sie als unsinnig zu entlarven – dann ist der Weg zu einer “unglaublich wichtigen Währung” noch ziemlich lang. Bis dahin gilt, liebe Hörer: Glauben Sie keiner Podcast-Statistik, die Sie nicht selber erfunden haben.