Unlängst habe ich mal ein bisschen meine Newsletter und Abos gecheckt. Echt spannend, was man dort so alles findet: Kochrezepte (ja, ernsthaft), Spiele, Anleitung für Lauftrainings. Und das alles aus den Programmen von diversen Tageszeitungen. Was mir mal wieder gezeigt hat, wie sehr sich die Geschäftsmodelle von klassischen Medien inzwischen verändert haben. Mit klassischem Journalismus allein jedenfalls kommt man nicht mehr allzu weit. Aber was dann? Community ist das womöglich spannendste Schlagwort dazu. Read More
Ich bin inzwischen schon ein paar Tage dabei in diesem Geschäft. Aber eines hat sich über die vielen Jahre und die diversen Kanäle hinweg nicht geändert: Es ging immer nur um Journalismus, das war quasi das Geschäftsmodell. Egal, ob gedruckte Tageszeitung, ob Radio, TV oder am Ende die klassische Nachrichtenseite im Netz: Die Idee war jedes Mal die gleiche, nur die Plattformen und ein paar andere Kleinigkeiten änderten sich.
Was auch sonst, könnte man sich fragen und vermutlich werden das vor allem Menschen in einem ähnlichen Alter wie ich und mit einer vergleichbaren Sozialisation machen. Dabei ändert sich das gerade, mehr denn je. Weil man Journalismus allein nur noch schlecht verkaufen kann, zumindest dann nicht, wenn es die Inhalte (Sie sehen, ich versuche mit voller Absicht das Unwort “Content” zu vermeiden) richten sollen. Stattdessen: Inhalte, Journalismus, ja klar. Aber eine überlebensfähige journalistische Einrichtung ist heute immer mehr als der Überbringer der meistens schlechten und manchmal auch guten Nachricht (Kommentare, Reportagen et al sind mitgemeint). Stattdessen werden Medienhäuser mehr und mehr zu Communitys, wobei ich dieses neudeutsche Wort nur deshalb gebrauche, weil mir noch kein wirklich treffender deutscher Begriff eingefallen ist. Wenn Sie einen wissen, immer her damit.
Aus Lesern werden mal eben „Freunde“
Egal, ob Spiegel, Zeit, Süddeutsche, FAZ: Unübersehbar ist, dass sie alle miteinander versuchen, die verehrte Kundschaft auch mit vielen anderen Dingen an sich zu binden. Kochrezepte sind das eine und dass die New York Times “Wordle” gekauft hat, ist nicht nur aus dieser Perspektive der Community interessant, sondern auch aus ökonomischer Sicht. Die NYT, in Sachen Digitalstrategie aus gutem Grund ein leuchtendes Beispiel, hat bestimmt keine Millionen ausgegeben, damit sich ihre Leser schnell mal mit einem Spiel vergnügen können.
Auch andere Beispiele sind offensichtlich in ihrem Zweck. Die “Freunde der Zeit” beispielsweise sind vor allem für eines exemplarisch: Man liest heute nicht mehr einfach etwas, man abonniert nicht bloß eine Zeitung, sondern auch Zugehörigkeit, Bestätigung und letztlich auch so etwas wie Image. Wer den “Freunden der Zeit” beitritt, der gehört eben dazu. Man teilt ähnliche Ansichten, einen gemeinsamen Lebensstil, man ist, wenn man das will, unter sich. “Imagined Community” nannte das der Wissenschaftler Benedict Anderson. Ganz unwissenschaftlich und verkürzt gesagt: Sobald Menschen denken, dass irgendwo eine Community existiere, gibt es sie auch. Siehe: Freunde der Zeit und viele andere Abo-Clubs, wobei die Zeit das schon allein deshalb großartig macht, weil sie von “Freunden” spricht.
Keine Community funktioniert ohne Kommunikation
Das bedeutet aber auch anderes, und spätestens da wird es komplex: Eine Gemeinschaft ist nur eine solche, wenn in ihr kommuniziert wird. Irgendwelche netten Mailings rauszuschicken, das wird auf Dauer nicht ausreichen. Die Interaktion gehört mit dazu, auch und gerade für Medienmacher, deren Beruf Kommunikation ja eigentlich sein sollte. Das weiß man in der Theorie auch. Aber wenn man sich anschaut, mit welch mäßiger Begeisterung viele in der Branche Kommentare beantworten oder sich in sozialen Netzwerken tummeln, dann ahnt man: Von der Theorie in die Praxis ist es noch ein langer Weg (Ja, ich weiß natürlich, dass diese gewisse Unlust bei Menschen meines Alters und meiner Sozialisation vorkommt, aber weil wir immer noch ziemlich viele sind, sollte man das Problem halbwegs ernst nehmen.)
Was man aber an den vielen guten Beispielen auch sieht: Es gibt eine Zukunft für digitale Geschäftsmodelle im Journalismus. Dazu gehört etwas mehr Fantasie als eine öde Paywall vor Inhalte zu hängen oder komplett undurchsichtige Preismodelle für Digital-Abos. Das ist an erstaunlich vielen Orten immer noch nicht angekommen. Schuld sollen dann mal wieder die zahlungsunwilligen User oder das böse Internet sein.
Dabei ist es nur die eigene Bequemlichkeit, die immer noch verhindert, in diesen neuen Kategorien zu denken.
Volle Zustimmung! Paid Content wird nicht in der Art funktionieren, wie die Verlage ihn derzeit betreiben. Ich habe jüngst das hier geschrieben: https://www.indiskretionehrensache.de/2022/02/paid-content-verlage-2/