Geht die Pandemie ihrem Ende entgegen? Zweifelsohne, weil es gar nicht anders geht. Und wenn nicht jetzt, dann eben irgendwann. Das ist, nach zwei düsteren Jahren mit Corona, eine immerhin halbwegs tröstliche Perspektive, alles geht irgendwann mal vorbei. Trotzdem: Zurück in „alte Zeiten“ ohne Corona ist eine unsinnige Idee. Read More
Was man in diesem Zusammenhang seit dem ersten Tag der Pandemie immer wieder hört: die Sache mit dem “normalen Leben”, was vermutlich bedeuten soll, dass irgendwann mal Karl Lauterbach und Christian Drosten die Bühne einer Pressekonferenz betreten und dort verkünden, dass die Pandemie am kommenden Werktag, 13 Uhr, offiziell beendet ist. So tickt der Deutsche, und vermutlich nicht nur er.
So wird es, man ahnt es, nicht kommen. Nochmal unwahrscheinlicher als dieses ohnehin unwahrscheinliche Konstrukt ist, dass danach ein Schalter umgelegt wird: So, alles wieder zurück auf Default, das frühere Leben als Standardeinstellung. Dabei handelt es sich um eine reichlich naive Vorstellung.
Selbst, wenn man die Naivität beiseite liest: Will man das überhaupt?
Die neue Müdigkeit für ungefähr alles
Ja, ich weiß: Zoom-Müdigkeit ist zum neuen Schlagwort geworden. Und ja, ich finde es gerade überaus angenehm, allmählich wieder Leute treffen zu können und meinem Job nicht mehr nur virtuell nachzugehen. Gerade wir Menschen in Medien und Kommunikation sind auf den unmittelbaren, direkten Kontakt angewiesen. Und der entsteht, bei aller Freude über die gar nicht mal mehr so neuen digitalen Möglichkeiten, immer noch am besten in der echten, wirklichen, persönlichen Begegnung.
Trotzdem: Ich würde auf Zoom keinesfalls mehr verzichten wollen. Ebenso wenig auf Riverside.fm zum Podcasten, auf Google Workspace als Arbeitsplattform in den Zeiten, in denen beispielsweise unser kleines Unternehmen HYBRID Eins so wie viele andere ein ziemlich virtuelles Konstrukt ist.
Aber selbst, wenn der Gongschlag kommt und alles wieder “normal” wird: Die Dinge werden nie wieder so sein wie vorher, wir werden uns nicht mehr alle um 9 Uhr im Büro treffen, wir werden unsere Interviews und Meetings auch weiterhin zumindest teilweise virtuell machen. Schon alleine deshalb, weil das unsere Möglichkeiten erheblich erweitert. Es gab Zeiten, in denen ich für ein dreistündiges Meeting oder ein Interview oder eine Recherche von München nach Hamburg geflogen bin. Nicht nur aus ökologischen Gründen kann ich heute gar nicht mehr aufhören, darüber den Kopf zu schütteln. Die Krücke von Telefongesprächen kann ich mittlerweile auch auslassen, Zoom (und all den anderen) sei Dank.
Verblüffend ist es trotzdem, im Großen und Ganzen und natürlich auch branchenspezifisch: Veränderung mag der Mensch nicht, im Privaten ebenso wenig wie als arbeitendes Wesen. Momentan klammert man sich an die unsinnige Hoffnung, die Zeit ließe sich auf “vor Corona” zurückdrehen. Andere absurde Hoffnungen haben wir in den letzten 25 Jahren zur Genüge gesehen, sinnbildlich zusammengefasst in der, dass “das Internet” irgendwann mal wieder weggehen würde und nur eine Zeiterscheinung sei.
Veränderung ist eine viel größere Chance als ein Leben „vor Corona“
Dass es anders gekommen ist, wissen wir. Dass es kein “vor Corona” geben wird, das ahnen wir. Bleibt also nur eines: Veränderung als Chance begreifen und sich darüber freuen, was neben dem unvermeidlich Unangenehmen alles besser, leichter, schöner geworden ist.
Für mich selbst stelle ich das immer fest, wenn ich mal die ganz große Rückschau wage. Auf die komplett analogen Zeiten, in denen ich mit meinem Beruf begonnen habe. Das taugt allenfalls noch zu nostalgischer Verklärung. Würde man mich wieder dorthin zurück beamen, es wäre ein Alptraum.
Und kaum überlegt man sich das, findet man den Gedanken an das nächste Zoom-Meeting gar nicht mehr so schlimm.