Audio, Video, doch lieber ein Text? Das ist die falsche Frage. Stattdessen: gutes Storytelling, Narrative – und die Darstellungsform ist egal. Read More
Seit inzwischen einigen Jahren bemühen sie sich bei ARD und ZDF redlich: Was tut sich im Netz, wie ist die Lage der Online-Nation? Das alles wird mit vielen Zahlen und bunten Grafiken hinterlegt und ist seit einigen Jahren nur noch mäßig aufregend. Nicht, dass die beiden Öffis irgendwas falsch machen würden. Man weiß nur das Meiste schon. (Für die Neugierigen unter Ihnen: Das Ding heißt ARD-ZDF-Onlinestudie.)
Das wiederum ist nicht sehr verwunderlich im Jahr 14 des iPhone und des gefühlt 50jährigen Jubiläum des Web. Ob nun 87 oder 89 oder 91 Prozent der Deutschen im Netz sind, macht bestenfalls für Menschen einen Unterschied, die ein quasi-erotisches Verhältnis zu Zahlen haben. Man kann jedenfalls aus solchen Zahlen nicht sehr viel mehr herauslesen, als dass das Netz zum festen Bestandteil des Lebens geworden ist. Und weil das wiederum niemand mehr ernsthaft abstreiten würde, ist der Erkenntnisgewinn dieser Zahlen sehr überschaubar.
Ist also die Frage, welche Rückschlüsse man aus dieser und den vielen anderen Zahlen schließt, die ARD und ZDF vorgelegt haben.
Vermutlich gibt es da vor allem eine: Wenn wir heute vom Publizieren im Netz sprechen, (mir geht dieses grauenvolle Phrasenmonster “Content” noch immer nicht flüssig aus der Tastatur), dann hat das potentiell immer mit der Idee eines 360-Grad-Storytellings zu tun. Die Geschichte lässt sich also in einem Kreis erzählen, man kann beliebig einsteigen, einen Mittelpunkt muss es nicht zwingend geben.
Video oder Audio? Hauptsache Storytelling!
Schaut man nämlich in den Zahlen- und Tabellenwust der Studie, dann bemerkt man vor allem eines:
Für die User spielt die Frage nach der Darstellungsform nur noch eine untergeordnete Rolle. Weniger geschwollen gesagt: Es ist ihm wurscht, ob man ihm ein Video, ein Audio, einen Text vorsetzt. Hauptsache, es ist gut und es passt zu der Situation, in der er gerade ist. Ein 60-Minuten-HD-Video ist sicher was feines, aber nicht, wenn einer gerade für drei Stationen in der U-Bahn sitzt. So wie umgekehrt für jemanden, der gerade mit dem Tablet schmökernd auf der Couch liegt, der 90-Sekunden-Info-Happen womöglich nur bedingt zufriedenstellend ist, wo er doch gerade mal Zeit und Lust auf ein wenig ausführlichere Information hätte.
Schaut man sich diese Zahlen an, erkennt man schnell: Die Entweder-Oder-Debatten sind für eine halbwegs vernünftige Inhaltestrategie obsolet geworden. Machen wir lieber ein Video oder ein Audio oder einen Text, das ist im Kern die falsche Frage. Zumindest dann, wenn man voraussetzt, dass der User, den es ohnehin nicht gibt, bestimmte Präferenzen bezüglich der äußeren Form hätte. Jeder einzelne hat solche Präferenzen natürlich, aber im Ganzen, siehe Statistik, sind sie nicht mehr erkennbar. Und somit auch nicht relevant. Der Einzelne mag also möglicherweis lieber schauen als hören. Daraus die Aussage zu machen, dass der User lieber Videos schaut als Audios zu nutzen, haut aber nicht (mehr) hin.
Die Digitalisierung, der große Gleichmacher, hat die Mediengrenzen aufgelöst. Das ist die große Veränderung im Vergleich zur Dekade davor, als man noch Rankings machen konnte. Was wiederum bedeutet, dass Medien- und Kommunikationsmacher aufhören müssen, in solchen Darstellungs-Silos zu denken. Das klingt simpel und nachvollziehbar. In der Praxis erlebt man aber oft genug noch genau diese Denkweise: Video oder Audio oder Text?
Content, Kontext, Endgerät
Und man erlebt leider genauso oft den falschen Rückschluss aus den digitaler Verschiebungen. Vor allem den, dass man, wenn der User jetzt keine klare Präferenz mehr hat, meint: Ok, dann machen wir eben immer alles. Das glauben zumindest, die theoretisch die Ressourcen dafür hätten, die meisten haben sie ja nicht mal in der Theorie. Der Gedanke ist aber auch dann grundfalsch, wenn man diese Ressourcen hätte. Das Gießkannenprinzip funktioniert nicht.
Es wäre also ebenso schlaue wie simple Grundvoraussetzung, wenn man sich ein paar Dinge vorab überlegen würde:
- In welchem Kontext steht die Geschichte, die wir publizieren wollen, auf welchem Kanal könnte sie erscheinen?
- Auf welchem Endgerät wird sie mutmaßlich konsumiert?
- Und: Wie kann unter diesen Voraussetzungen die Geschichte am besten erzählt werden?
Content, Kontext, Endgerät: Auf diesen Dreisatz wird es also ankommen, will man entscheiden, wie und wo man eine Geschichte präsentiert. Was wiederum bedeutet: So wie in einem CMS Daten möglichst neutral gehalten werden sollten, müssen wir auch in unserer eigenen strategischen Denkweise in dieser Neutralität ankommen. Das berühmte “von der Geschichte her denken”, was auf Seminaren und in anderen von der Theorie dominierten Runden oft hört, in der Praxis aber immer noch erstaunlich selten sieht.
(Freundlicher Hinweis: Ich habe zu diesem Thema auch ein Buch geschrieben.)
Wie man das hinbekommt? Indem man sich intensiv mit all diesen Variationen auseinandersetzt. Indem man versucht zu verstehen, was ein gutes Video ausmacht. Wie Audios und Podcasts funktionieren. Und natürlich auch, was einen guten Text ausmacht (diese Kunst geht in den Debatten um die richtige Multimedialität gerne mal unter).
Natürlich muss man nicht alle diese Dinge in der Praxis beherrschen. Nicht aus jedem wird ein großer VJ oder ein Podcast-Host. Was Sie nicht daran hindern sollte, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, was dazugehört, um genau das zu sein. Kurz gesagt: Werden Sie Storyteller!
(Transparenzhinweis: Mit unserer Firma HYBRID Eins machen wir 360-Grad-Storytelling für Redaktionen und Unternehmen)