Zu den Dingen, die ich in meinem Leben nie geschafft habe, gehört der Lions-Club. Man muss dort vorgeschlagen, nominiert, eingeladen werden. Man kann also nicht einfach hingehen und sagen: Hallo, hier bin ich, ich wäre jetzt dann gerne Mitglied bei euch. So läuft das nicht. Die Exklusivität der Lions entsteht ja gerade dadurch durch die Verknappung des Angebots, jetzt mal rein aus Marketing-Sicht gesprochen. Read More
Jedenfalls hat sich in den langen Jahren meines Lebens nie jemanden gefunden, der mich einer Lions-Mitgliedschaft für würdig befunden hätte. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, damit zu leben. Auch deswegen, weil mir die Löwen tendenziell immer ein bisschen affig vorgekommen sind. Ein wenig zu blasiert, zu überzeugt von der eigenen Wichtigkeit, zu sehr Typ Sakko mit Goldknöpfen und Business-Kostümchen.
Womit wir dann endlich beim aktuellen Medienhype schlechthin wären, dem „Clubhouse“. Auch hier gilt: In ist, wer drin ist. Und um reinzukommen, musst du ein paar Voraussetzungen erfüllen.
Nummer eins: Du musst ein iPhone haben. Mit so einem schnöden Android-Ding hast du keine Chance.
Nummer zwei: Du musst erst mal jemanden finden, der dich einlädt. Invitation only, sorry, geschlossene Gesellschaft.
Was wiederum einen auch den Lions wohlbekannten Effekt erzeugt: Wenn man denn drin ist, kennt man sich. In den verschiedenen Clubräumen trift man nicht nur bekannte, sondern auch mal sehr bekannte, richtig bekannte Namen. Parteichefs beispielsweise oder Minister. Nicht so eine Bonsaiprominenz aus unseren Medienkreisen. Wobei, das Prinzip kennt man: Ein bisschen was vom Glanz des Prominenten fällt immer ab, man fühlt sich dann gleich gar nicht mehr so nach Cord-Sakko mit Ärmelschonern. Sondern eher nach Designeranzug und edlem Gesöff in der Hand.
Natürlich trifft man sich in Lions-Clubs nicht nur zum schnöden Smalltalk. Man ist ja wichtig. Und deswegen dreht es sich meistens um die wirklich wichtigen Dinge der Branche. Nur sehr selten findet man Clubräume, in denen es um den richtigen Aufbau einer Kunstsammlung geht. Dort findet man viele Menschen, die sich den richtigen Aufbau einer Kunstsammlung leisten können oder wenigstens hoffen, es irgendwann tun zu können.
Nomen est omen, übrigens. In solchen Clubräumen wird viel gesprochen. Sehr viel sogar, um nicht zu sagen: andauernd. Das ist ja das Prinzip einer Audio-App. Vermutlich ist die Beobachtung dieser Gespräche ein Fest für Soziologen: Man findet schnell heraus, wer die Wortführer sind. Und wer weniger zu sagen hat. Es gibt wenige Wortführer und viel stumm zuhörendes Fußvolk, auch das: fast wie im richtigen Leben.
Müsste man also das Clubhouse-Feeling richtig beschreiben, man könnte es als eine virtuelle Mischung aus DLD, re:publica und After-Show-Party beschreiben, zumindest dann, wenn man aus der Medienecke kommt. Das kann man ganz amüsant finden und vielleicht sogar wichtig, weil auch die Medienbranche immer noch eine ist, in der ohne die richtigen Kontakte nur wenig geht. Inhaltlich ist Clubhouse bestimmt auch super spannend, wenn man sich denn entscheiden kann, wo man überhaupt hin will, zwischen all den Räumen zur richtigen Kunstsammlung oder auch zur Zukunft des Content-Marketings unter Berücksichtigung von Künstlicher Intelligenz.
Würde man also den klassischen Clubhouse-Besucher fragen, wie er das Ding so findet, er würde mehrheitlich sagen: spannend. Das kann alles und nix heißen und wie das alles ausgeht, sagt man damit ja auch nicht.
Ich würde sagen: schaun mehr mal. Ob da in einem Jahr noch jemand drüber redet. Medienmenschen sind bei Hypes ja immer besonders anfällig. Aber auch genauso gnadenlos, wenn der Hype wieder nachlässt. Und ob man das jetzt, wenn auf einmal so viel Fußvolk reinströmt, immer noch so exklusiv findet, würde ich auch erstmal abwarten.
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