Letzte Woche habe ich echt gestaunt: Die geschätzten Freunde vom „Digital Publishing Report“ haben eine digitale Konferenz zum Thema Audio veranstaltet. Und, so weit ich das gesehen habe, über 200 Leute waren den Tag über mit dabei. Soll nochmal einer sagen, Audios und Podcasts wären nicht der ganz heiße Scheiß (aktuell wenigstens). Read More
Und wie das so ist mit Hypes: Da werden dann gerne mal Dinge zum Allheilmittel erklärt. Jetzt sollen es also Podcasts sein, die Medien, Marketing und Kommunikation retten sollen. Und auch das ist typisch für Hypes beim Thema Medien: Das Format wird aktuell über den Inhalt gestellt. Hauptsache Podcast!
Man erlebt das leider immer wieder, ähnlich wie zu den Zeiten, als man begriff, dass Webvideos eine interessante Geschichte sein können: Irgendjemand macht irgendwas. Im Falle Podcasts macht jemand das Mikro auf und redet mehr oder weniger planlos drauflos. Technisch ist das Kriterium eines Podcasts ja schnell erfüllt.
Und schließlich noch etwas, was typisch ist für Hypes: Immer dann, wenn sich eine Sache richtig heiß läuft, kommt zuverlässig jemand um die Ecke und prophezeit, dass die ganze Geschichte ihre besten Zeiten hinter sich hat. Das ist bei Podcasts nicht anders (warum das aber Unsinn ist, habe ich hier beschrieben).
Der grundlegende Fehler: die Verengung auf das Thema Podcasts. Audios sind genauso ein Multichannel-Thema wie Videos oder jeder andere Inhalt im Netz. Ein Podcast ist nur eine Teilmenge daraus. Man muss also in Kategorien denken. Und nicht in Formaten.
Podcasts sind kein Selbstzweck
Ein Beispiel, von dem ich in dieser Konferenz erzählt habe: Der Podcast einer nicht ganz unbekannten Zeitschrift. Interessantes Thema, guter Markenname, äußerer Rahmen des Podcasts ebenfalls völlig ok (ordentlicher Sound, gutes On-Air-Design, angenehme Stimmen). Aber dann, der Inhalt. Der Blick auf die Uhr zeigt: Geschlagene zehn Minuten und die Hosts sind immer noch nicht auf den Punkt gekommen. Umständlich-langatmiges Gefasel, warum man diesen Podcast macht, was man damit erreichen will, wer die Idee hat, was…gähn, schnarch. Abgeschaltet. Schade, wieder eine vertane Podcast-Chance.
Was ich immer wieder interessant finde: Anscheinend gibt es ausreichend viele Menschen, die ernsthaft glauben, man könne nahezu jeden Zweck und jedes Thema mit einem Podcast bespielen. Dabei ist es genau umgekehrt. Audios eignen sich, so wie im Grunde jede journalistische Darstellungsform, nur dann, wenn man buchstäblich etwas zu sagen hat. Eine Geschichte zu erzählen hat. Und eben irgendwas mit Inhalt präsentiert.
Immer, wenn man das vergisst, kommt Murks raus. Podcasts, in denen Menschen gnadenlos am Publikum vorbeireden. Podcasts, in denen sich Hosts vor allem selber gefallen. Und die so langweilig und unprofessionell sind, dass man sich schon fast wieder zu wundern beginnt, dass Podcasts immer noch Euphorie auslösen. Also, zumindest auf Seiten der Produzenten. Ob User auch nur annähernd so begeistert sind wie manche Podcaster von sich selbst, würde ich ja doch noch etwas bezweifeln wollen.
Kurz gesagt: Auch Podcasts sind kein Selbstzweck. Niemand braucht den drölfigsten unbeholfenen Content-Marketing-Versuch, über den sich bestenfalls die betreuende PR-Agentur freut, weil sie dem Auftraggeber erzählen kann, welch wunderbar neues Tool man da gemeinsam entwickelt hat.
5 Tipps für Podcast-Einsteiger
- Habe ich eine Geschichte? Eine, die auch über mehrere Folgen hinweg trägt? Ein Podcast muss kein Endlos-Projekt sein, aber ein bisschen Substanz sollte er schon haben. Und schafft der Stoff einer einzelnen Folge dann auch mal 15 Minuten und mehr? Ich bin kein Dogmatiker, wenn es um Formate und Längen geht, aber ein guter Drei-Minuten-Podcast ist vermutlich eher die Ausnahme.
- Habe ich jemanden, der sich gut anhört? Grundsätzlich gibt es kaum etwas Schlimmeres, als die ganzen normierten Radio-Moderatoren heutiger Tage (am allerschlimmsten: Format-Radios). Umgekehrt bedeutet das nicht, dass jeder, der unfallfrei drei deutsche Sätze sprechen kann, ein geeigneter Host für einen Podcast sein muss. Eine radiotaugliche Stimme ist zumindest mal kein Nachteil. Und wenn man dann auch noch so klingt, als habe man das Sprechen und Moderieren in den Grundzügen mal erlernt – prima! Haben Sie nicht? Kann man nachholen. Aber setzen Sie sich bitte nicht einfach ans Mikro und plappern los.
- Habe ich ein Format? Schon klar, Sie können jetzt gerne die Augen verdrehen, weil es doch genau das Schöne an Podcasts ist, dass man mit ihnen die Fesseln von Formaten abstreifen kann. Also, wenn es Ihnen lieber ist, nennen wir es: Struktur. Ein paar Fixpunkte, an denen sich der Hörer orientieren kann. Eine Idee, was man überhaupt zu hören bekommen soll. Und solche simplen Dinge wie ein brauchbares On-Air-Design. Damit man vergleichsweise schnell wieder erkannt wird und so etwas wie eine akustische Identität bekommt.
- Was macht eigentlich meine Technik? Aus den Anfangstagen der Podcasterei stammt die charmante Idee, man brauche nicht sehr viel mehr als ein Aufnahmegerät und ein Mikrofon. So hörten sich viele Podcasts anfangs auch an. Manche tun es immer noch. Wenn Sie eine Chance haben wollen, unter der runden halben Millionen Shows, die es beispielsweise bei iTunes oder Spotify gibt, halbwegs zu bestehen, sparen Sie nicht an der Technik. Unter den gut funktionierenden Podcasts im deutschsprachigen Raum weiß ich keinen, der mit einem Mikro und einem Rekorder alleine auskommt (Wer was anderes weiß, gerne in den Kommentaren posten). Professionalität beginnt beim Thema Audio beim Klang. Den kann man nicht nur kaufen, man muss es sogar.
- Wer ist meine Zielgruppe? Die Frage steht zwar bei jeder Form von Publikation im Raum. Trotzdem, manchmal sieht es so aus, als würden sich das ausgerechnet Podcaster eher selten fragen. In solchen Fällen bin ich ein großer Anhänger des Elevator Pitchs. Wer soll sich das anhören und warum? Wenn Sie diese Frage nicht in 30 Sekunden anhören können, sollten Sie sich die Idee mit dem Podcast nochmal überlegen.
Und schließlich die Bonus-Überlegung: Wenn ich mir schon die Mühe mache, all die gerade angeführten Dinge zu entwickeln, zu kaufen, zu produzieren – warum dann nicht noch ein Stück weiter denken beim Thema Audio? Kann man diese Inhalte nicht auch noch für andere Plattformen konfigurieren? Lässt sich beispielsweise ein Skill für einen Smartspeaker entwickeln, eine Idee für Sprachassistenten aller Art zumindest vorhalten? Audio ist schließlich mehr als nur Podcast. Sondern, genau betrachtet, einer der großen Märkte der Zukunft.