Bernhard Pörksen ist ein Phänomen. Schreibt in schöner Regelmäßigkeit Bücher, die den Diskurs über die (digitale) Gesellschaft vorgeben. Braucht dafür keinerlei PR-Schnickschnack und muss auch keine fragwürdigen Frisuren tragen. Bleibt immer bei der Sache und rückt das Thema in den Mittelpunkt. Nicht sich selbst und seine Geschichte(n), wie es der eine oder andere selbstverliebte- und gerechte digitale Protagonist tut. Er moralisiert nicht und verzichtet auf jede (sorry für den Ausdruck) Klugscheißerei, für die vor allem Journalisten im Netz berüchtigt sind. Und formuliert auf zehn Seiten in einem Buch mehr kluge Ideen als ich es vermutlich in meinem ganzen Leben schaffen werde. Read More
Trotzdem versteht man seine Gedanken (ok, bei manchen brauche ich zwei oder drei Anläufe). Was damit zusammenhängt, dass Pörksen nicht dauerberauscht von seinen eigenen Formulierungen ist. Und er widersteht der Versuchung, aus jedem Satz mit dem gewaltsamen Einsatz von Wortspielen und aberwitzigen Synonymen ein unerträgliches Wortgeklingel zu machen.
Vermutlich ist er deshalb sowohl Markus-Lanz-kompatibel als auch jederzeit auf der re:publica einsetzbar. Muss man, ganz ohne Ironie, erst mal hinbekommen. Es gibt eine Reihe von re:publica-Speakern, die man sich bei Lanz lieber nicht vorstellen will.
Gleichzeitig hat Pörksen einen untrüglichen Instinkt dafür, was die Gesellschaft gerade bewegt. Ich warte auf das erste Buch von Pörksen, das erscheint und dann das Thema des Buchs erst nach Erscheinen so richtig trendy wird (ok, das war jetzt ironisch). Im Regelfall gibt es von Pörksen zuverlässig das Buch zum Trend-Thema.
Daneben ist Pörksen angenehm unprätentiös. Was man, Sie ahnen es, von einer ganzen Reihe anderer Hauptdarsteller des digitalen Lebens nur sehr eingeschränkt behaupten kann.
Man könnte das alles auch abkürzen. Pörksen hat das Kunststück geschafft, innerhalb weniger Jahre zu den selten anzutreffenden Autoren zu gehören, von denen man weiß: Wenn der was Neues rausbringt, sollte man es lesen. Oder sich zumindest schon mal gedanklich mit einer langen Warteschlange bei seinem nächsten re:publica-Vortrag abzufinden.
So etwas Neues gibt es seit heute. Nicht von ihm alleine, sondern zusammen mit jemandem, bei dem man ungestraft den Begriff Koryphäe benutzen darf, ohne in Schaumschläger-Verdacht zu geraten.
Debatten entgleisen manchmal, ohne dass man das will
Dabei ist das Thema selbst (fast) so alt wie die Menschheit: Miteinander reden ist eine schwierige Sache und endet gerne mal anders, als man sich das vorgestellt hat. Es ist keine neue Erkenntnis, dass das Netz und dabei wiederum häufig soziale Netzwerke dem gepflegten Dialog tendenziell eher entgegenstehen. Hat vermutlich jeder schon einmal erlebt: Man schaut mit dem Abstand eines Tages auf eine Diskussion bei Twitter oder Facebook – und wundert sich über sich selbst. Solche Retrospektiven führen manchmal dazu, dass sich Menschen komplett aus einem Kanal zurückziehen. Vermutlich dauert es nicht mehr lange, bis irgendjemand zum Habeck-Effekt eine Doktorarbeit schreibt.
Pörksen und der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun haben sich für ihr Buch „Miteinander reden“ passenderweise die Form eines Dialogs, eines Gesprächsprotokolls ausgesucht. Ich bin, zugegeben, erst ein wenig zurückgezuckt, weil ich Gespräche über eine Länge von 150 Seiten eher ungern lese (das ist nur ein ganz persönliches Empfinden). Aber natürlich hat dieses Gespräch eine klare Struktur, es mäandert nicht einfach vor sich hin. Pörksen und Schulz von Thun bringen dabei das Kunststück hin, dass man dem Dialog gerne folgt.
Erstens, weil es klare Kapitel und Inhalte gibt. Zweitens, wen wundert es, fallen dabei so viele schlaue und erhellende Sätze, dass einem vor lauter zustimmenden Kopfnicken irgendwann das Genick wehtut. Und das, obwohl die beiden Wissenschaftler manchmal einen derart pastoralen Ton anschlagen, dass ich amüsiert vor mich hingegrinst habe. Das verging mir immer dann, wenn ich Begriffe irgendwo nachschlagen musste, weil ich keine Ahnung hatte, was das sein könnte. In dem Moment kam ich vor wie bestraft für meine Unwissenheit und Ignoranz und dafür, dass ich mich über den pastoralen Ton amüsiert habe. Nennen wir es also elaborierten Code, das klingt besser und ich kann nebenher belegen, wenigstens ein bisschen in der Schule aufgepasst zu haben.
Kurz gesagt: „Miteinander reden“ ist gerade in den Zeiten, in denen das miteinander reden zunehmend schwierig wird, auf jeder Seite lesenswert. Weil Pörksen und Schulz von Thun unaufgeregt und präzise analysieren, auf Wertungen beinahe vollständig verzichten und am Ende den Leser mit dem Gefühl zurücklassen, dass diese Sache mit dem „Miteinander reden“ doch so schwer nicht sein kann, verflixt noch mal!