Mist, jetzt muss ich meinen ursprünglichen Vorsatz, 2020 nicht über Tageszeitungen zu bloggen, schon das zweite Mal in diesem Jahr brechen. Und wir haben noch nicht einmal März. Kann es sein, dass dieses Jahr unangenehmer wird, als wir dachten? Oder ist das nur eine zufällige Häufung schlechter Nachrichten für die Lokalzeitung? Read More
Wie dem auch sei, hier kommt die eigentliche Nachricht: Die „Rhein-Zeitung“ in Koblenz plant laut einer Meldung des SWR, nahezu alle kleinen Lokalredaktionen zu schließen und sie zu größeren, zentralen Einheiten zusammenzulegen. Der Hintergrund dieses Plans (vorausgesetzt, die SWR-Meldung ist korrekt) ist klar: Legt man ein paar kleine Standorte zu einem großen zusammen, spart man Geld. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das naheliegend: Der Unterhalt von drei oder vier Häusern kostet einfach mehr als der von einem einzigen. Und dass, ebenfalls aus Controller-Sicht gesprochen, die Lokalredaktion Cochem kein Gewinnbringer ist, liegt auch auf der Hand
(Foto: Pexels/Pixabay.com)
Also, Standorte schließen, zusammenlegen, schon ist alles wieder gut!
Diese Idee zeigt zweierlei. Zum einen: Wie groß der finanzielle Druck allmählich wird, unter dem Regionalzeitungen stehen. Zum anderen: Wie wenig in vielen Verlagen immer noch verstanden wird, was das eigentliche Kerngeschäft ist. Und dass es sich leider häufig um Lippenbekenntnisse handelt, wenn Regionalverlage die Bedeutung und die tiefe Verwurzelung mit ihrer Region betonen.
Tatsächlich hat ein solcher Rückzug aus der Fläche nicht nur betriebswirtschaftliche Aspekte. Er hat praktische Auswirkungen und er beschädigt das Image.
Fangen wir erst mal mit Letzterem an: Für Leser ist es ein klares Signal, wenn sich eine Zeitung aus ihrer Stadt verabschiedet. „Die in Koblenz“ interessieren sich nicht für uns, was sollen die Leute dort auch anderes denken? Immer weniger Angebot für immer mehr Geld, das wird künftigen Lesern gar nicht und auch treuen Stammlesern nur noch schwer zu vermitteln sein. Der Leser einer Lokalzeitung lässt sich ungern auf die Rolle eines reinen Kostenfaktors reduzieren. Das unterscheidet im Übrigen eine Zeitung von einer Bank. Auch Banken ziehen sich zurück, schließen kleine, unrentable Standorte. Bankfilialen haben allerdings im Zeitalter der Digitalisierung erheblich an Bedeutung verloren. Sie können weitgehend durch Automaten und das Netz ersetzt werden. Eine Lokalredaktion ist aber mehr als eine Maschine, ein Mittel zum Zweck.
Lokales aus der Retorte funktioniert nicht
Womit wir auch schon beim nächsten Punkt wären. Auch im digitalen Zeitalter lebt eine gute Lokalredaktion noch von Dingen, die schon vor 50 Jahren wichtig waren. Von der Nähe zu Region und Menschen. Davon, dass man weiß, was die Leute bewegt. Davon, dass man abends auch mal im Wirtshaus sitzt. Und davon, dass die Leser schnell mal um die Ecke in „ihre“ Redaktion gehen und mit „ihren“ Redakteuren spricht. Eine Redaktion, die 20 oder 30 Kilometer entfernt ist, erfüllt diese Funktion nicht mehr.
Ich habe es selbst einmal vor etliche Jahren erlebt, welche Auswirkungen es hat, wenn man die Bedeutung dieser Standortnähe unterschätzt. Bei der PNP lagerte man damals im Zuge des Neubaus die Passauer Stadtredaktion gemeinsam mit allen anderen aus. In ein Industriegebiet, rund zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Bei allen anderen Redaktionen funktionierte das mühelos, bei der Lokalredaktion nicht. Es dauerte nicht allzu lange, da wurde die Redaktion wieder zurückversetzt ins Stadtzentrum (wo sie auch heute noch ist). Eine Lokalredaktion gehört in die Stadt – an diesem simplen Grundsatz wird sich nichts ändern, so lange es noch Lokaljournalismus gibt.
Und wie geht es weiter? Auch das lässt sich absehen – und ist so archetypisch für viele Regionalverlage.
Erst einmal passiert: nichts. Gut, ein paar Bürgermeister, Gemeinderäte und Leser werden protestieren. Aber was will man machen, Konkurrenz gibt es keine. Spürbar werden die Auswirkungen also nicht sein, zumindest anfangs nicht. Im Gegenteil. Auf der Zahlenseite werden sich die Schließungen positiv auswirken, weswegen Verleger und Controller sagen: Sehr ihr, ihr Redaktions-Romantiker, so sichert man Zukunft! Jemand, der 30 Jahre lang die Zeitung gelesen hat, bestellt sie nicht so schnell ab.
Für alle anderen aber geht wieder ein guter Grund verloren, eine Lokalzeitung zu lesen. Eine Lokalzeitung ohne Lokal, das ist wie Fernsehen ohne Farbe, wie Radio ohne Ton. Mittelfristig schaltet niemand mehr ein.
Die Spirale für Regionalzeitungen jedenfalls dreht sich schneller. Und schneller.
Und am Ende? War dann wieder das böse Internet schuld!
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