Bei Spotify haben sie gerade eben mal wieder eine neue Rubrik entwickelt: den personalisierten täglichen Podcast-Mix; eine Playliste mit Podcasts, die dir eigentlich gefallen müssten. So wie bei der Musik, nur eben mit Podcasts. Read More
Das wäre nicht weiter der Rede wert, würde es nicht sinnbildlich für den Stellenwert stehen, den Podcasts inzwischen haben. Für Unternehmen wie Spotify und iTunes, aber ebenso für mittelgroße Player wie Audible oder Deezer, spielen sie eine entscheidende strategische Rolle: Weg vom eigentlichen Kerngeschäft, hin zu Universal-Anbietern von Audio (früher auch bekannt als: Radio).
Was Podcast-Skeptiker gerne ins Feld führen: Von einem Massenphänomen seien Podcasts weit entfernt. Nüchtern, vulgo: In Zahlen betrachtet stimmt das. Nach den Ergebnissen der letzten Onlinestudie von ARD und ZDF bringen nutzen gerade mal 14 Prozent des Gesamtpublikums in Deutschland regelmäßig Podcasts bzw. „zeitversetzte Radiosendungen“ (auffällig aber auch hier: Bei den 14 bis 29jährigen ist der Anteil schon fast doppelt so hoch. Wenn also trotzdem drei Viertel der Deutschen nichts mit Podcasts am Hut haben – wozu dann dieses Gewese?
Die Entwicklung läuft ähnlich wie beim Bewegtbild
Die Entwicklung bei Podcasts steht immer noch am Anfang, wir sind gerade erst in einer Phase der Professionalisierung. Unbestritten ebenfalls: Die Monetarisierung von Podcasts ist schwierig. Trotzdem lässt sich schon jetzt ein ähnlicher Trend erkennen wie beim Thema Bewegtbild: Weg von der linearen Nutzung, hin zu On-Demand-Inhalten. Weg von General Interest, rein in die Nische. Weg vom Allgemeinen, hin zur Personalisierung. Das bringt auch eine Fragmentierung des Marktes mit sich, das Long-Tail-Phänomen haben wir schon jetzt auch bei Podcasts: Ein paar laufen richtig gut, dahinter kommen dann ganz, ganz viele, die irgendwo bei sieben Hörern monatlich absaufen.
Sicher ist: Zumindest im deutschsprachigen Raum lassen sich Podcasts bisher kaum monetarisieren. Für die meisten Anbieter, ob jetzt Redaktionen oder Unternehmen, ist das auch nicht der entscheidende Punkt. Momentan wichtiger ist für sie, mittelfristig neue Zielgruppen zu erreichen. Zumal ein Investment in das Thema Audio auch eine Positionierung für die Zukunft ist: Audio hat vermutlich enorm viel Wachstumspotenzial. Voice im Auto oder zu Hause, Stichwort Smartspeaker, wenn das alles so kommt, wie man es derzeit erwarten darf, dann schaden eine Expertise und eine eigene Strategie für das Thema Audio auf keinen Fall. (Ein guter Text zu Thema Audio-Strategie findet sich übrigens hier.)
Podcasts sind aktuell für Publisher eher Mittel zum Zweck: User an sich binden, Markenbekanntheit steigern, zusätzliche Ausspielwege für Inhalte nutzen.
Für Journalisten jeglicher Couleur sollten Podcasts eigentlich eine paradiesische neue Möglichkeit sein. Sogar dann, wenn man unterstellt, dass der Weg zum Massenmarkt doch noch etwas länger ist. Das vor allem aus zwei Gründen.
Erstens: Podcasts sind non-linear, vor allem auf mobilen Plattformen (Smartphone) ideal zu nutzen und technisch wenig aufwendig, zumindest im Vertrieb. Damit sind sie alles das, was speziell für ein jüngeres, digitales Publikum relevant ist.
Zweitens: Podcasts bieten jede erdenkliche inhaltliche Freiheit. Sie können zwei, zwanzig oder zweihundert Minuten lang sein. Für jedes Format, für jede Länge finden sich erfolgreiche Beispiele; die Kollegen der „Zeit“ beispielsweise kokettieren bei ihrem „Alles gesagt“-Podcast förmlich mit solchen monströsen Längen wie sechs Stunden. Für Journalisten ein echter Traum: Endlich mal mehr an Inhalt als an Format denken!
Ein Paradies für Journalisten
Hintergrund, Analyse, Unterhaltung, Meinung, all die Sachen, die in konventionellen, linearen Produkten so schwer unterzubringen sind, haben hier ihren Platz. Und sind das nicht genau die Dinge, die den Journalismus erst zu dem machen, was er sein sollte? Das schiere Vermelden von Nachrichten ist es in Zeiten des schieren Informations-Overloads sicher nicht mehr. Sie sehen, ich wundere mich gerade, warum sich nicht noch viel mehr Journalisten mit Begeisterung auf das Thema Podcast stürzen.
Ich weiß nicht, ob ich es Prognose oder nur stille Hoffnung nennen soll – aber 2020 könnte das Jahr werden, in dem Podcasts endgültig die Nische verlassen. Es wäre jedenfalls kein Fehler, darauf vorbereitet zu sein.
In eigener Sache: Mein Podcast „Digitale Viertelstunde“ läuft ab sofort bei den Kollegen von W&V. Die erste Folge unter dem neuen Label ist ab Freitag, 20.12., zu hören.
Pingback: Unvollständig berichtet, Mücke und Elefant, Kampf um „Schmähgedicht“ - abrakka.eu
Pingback: Unvollständig berichtet, Mücke und Elefant, Kampf um „Schmähgedicht“ - Legaltime
Pingback: Medien 2020: Ein Megatrend und ein paar offene Fragen - JakBlog