Der Audio-Boom geht immer weiter, Print leidet – und Personalisierung wird zum echten Zukunfts-Thema. Hier kommen die komplett subjektiv zusammengestellten Medien-Trends für das Jahr 2020 (einer muss ja den Anfang machen) Read More
Trend 1: Der Audio- und Voice-Boom erreicht ungeahnte Ausmaße
Bei Spotify bekommt man ab demnächst personalisierte Podcasts. Das ist eine ganz simple Geschichte, weil sie genauso funktioniert wie die Personalisierung bei Musik. Eine sehr nahe liegende Idee also.
Und während ich gerade die Pressemitteilung dazu lese, kommt gleich die nächste dieser Mitteilungen ins Haus geflattert. Spotify veröffentlicht einen True Crime-Podcast. Keine große Sache, das. Passt nur gerade prima ins Bild, gemessen an all den anderen Dingen, die Spotify in diesem Jahr zum Thema Podcasts gemacht hat. (Beispielsweise das und das und das und auch das).
Müsste man es kurz zusammenfassen, man würde sagen: Spotify setzt neben der Musik auf Podcasts als wichtigstes Standbein.
Das ist ebenso simpel wie dann doch wieder verblüffend. Dass Audio eine große Sache werden würde, haben ein paar Leute schon vor längerer Zeit geahnt. Die Wucht und das Tempo der Entwicklung sind trotzdem überraschend.
Ist das Ende des Booms schon erreicht? Noch lange nicht. 2020 dürfte das Jahr werden, in dem die Party erst richtig losgeht. Nicht nur mit Podcasts. Sondern mit allem, was im weitesten Sinne mit dem Thema Voice zu tun hat.
Das wird sich auch finanziell bemerkbar machen. Studien zufolge soll das Budget für Podcast im kommenden Jahr um über 60 Prozent weltweit angehoben werden. (Nebenher bemerkt, Print wird mal wieder der Leidtragende in dieser Entwicklung sein, dazu aber gleich noch mehr). Ob nun exakt dieses in der Studie prognostizierte Wachstum herauskommen wird, sei dahingestellt. Sicher ist dennoch: Der Podcast-Boom geht ungebremst weiter. Eine Audio-Strategie zu haben, wird für Medien wie Unternehmen so wichtig sein, wie es vor 15 Jahren eine rudimentäre Online-Strategie war. Audio und Voice verändern gerade radikal unsere Gewohnheiten im Netz. Man denke nur an die Abermillionen Smartspeaker, die inzwischen verkauft sind. Alleine dadurch gewinnt der Einsatz von Voice eine ganz andere, höhere Bedeutung. Informationen on demand, mit der Summe abgerufen, als Audio präsentiert – das wird mittelfristig mindestens so wichtig wie unsere heutige Idee, Inhalte mit dem Tippen auf der Tatstatur abzurufen und sie dann auf einem Display zu lesen.
Höchste Zeit, darauf zu reagieren (über die verpassten Audio-Chancen habe ich in diesem Jahr schon mal einen längeren Beitrag gemacht, deswegen verzichte ich hier auf nähere Erläuterungen zu diesem Thema).
Trend 2: Print leidet weiter – und stärker denn je
Und mal wieder lauten Fazit des beinahe vergangenen und Ausblick auf das neue Jahr wie so oft in den letzten Jahren: Print, vor allem die (regionalen) Tageszeitungen haben ihre Chancen weitgehend verpasst, die Luft wird noch dünner. Auch darüber hatte ich geschrieben, weswegen hier ebenfalls gilt: Details können Sie gerne hier nachlesen.
Der verlinkte Text ist jetzt ziemlich genau zwei Jahre alt. Es erstaunt mich, wie aktuell er immer noch ist. Und wie wenig sich seitdem geändert hat. Im Groben lassen sich drei Trends für den Umgang mit der Digitalisierung erkennen:
- Raus aus dem analogen Print-Geschäft, radikaler Wandel zu einem wie auch immer ausgerichteten Digital-Konzern. Springer ist das beste Beispiel dafür, DuMont würde ebenfalls gerne raus aus dem klassischen Zeitungs-Geschäft.
- Zukaufen, fusionieren, zentralisieren. Der Große frisst den Kleinen, das gilt vor allem für die regionalen Zeitungen.
- Augen zu und durch. Eine Methode, die immer noch von vielen praktiziert wird. Verblüffend viele regionale Blätter halten eine Facebook-Seite und eine mobile Version ihrer Webseite bereits für eine Digital-Strategie. Das sind aus meiner Sicht auch die Kandidaten, von denen wir uns in den kommenden Jahren zunehmend verabschieden werden: mittelgroß, mittelmäßig, kein Konzept – und tschüss. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Wer einen radikalen Wandel 15 Jahre konsequent ignoriert, ist nicht überlebensfähig, in keiner Branche übrigens.
Wenn man von Nischen und den berühmten Ausnahmen absieht: Print hat sich überholt, die regionale Tageszeitung bisheriger Form auch. Es grenzt an ein Wunder, dass man das im Jahr 2019/20 immer noch schreiben muss.
Trend 3: Preise sinken, Flat und Flexi boomt
Noch mal ein Trend, der im erweiterten Sinn mit Print und Tageszeitung zu tun hat: Die hochpreisigen und unflexiblen Zeiten gehen zu Ende. Gerade hat die SZ ein digitales Einsteiger-Abo für 9,90 lanciert. Auch die „Berliner Zeitung“, in den letzten Wochen aus anderen Gründen ins Gerede gekommen, ist diesen Schritt jetzt gegangen.
Das ist nur konsequent und vernünftig, amerikanische Zeitungen beispielsweise machen das schon seit geraumer Zeit, nicht ganz unerfolgreich übrigens. Nicht nur die großen, internationalen Blätter, sondern auch regionale Zeitungen wie der „Miami Herald“ haben sich schon lange auf diesem Niveau eingependelt.
Deutsche Tageszeitungen dagegen sind immer noch ein bisschen wie das deutsche Netz: vergleichsweise teuer, ohne dafür auch so hochwertig zu sein, wie die Preise es suggerieren würden.
Für diesen 10-Euro-Einstiegspreis spricht, dass er inzwischen zu den Dingen gehört, die im Netz als gelernt gelten dürfen. Netflix, Audible, die US-Blätter: Überall hat sich das als ein Einstiegs-Level etabliert. 10 Euro für ein digitales Angebot, da leistet man sich dann vielleicht auch mal zwei oder drei. Die immer noch existenten 50-Euro-Abos einiger regionaler Zeitungen sind dagegen einer alles-oder-nichts-Strategie geschuldet. Wer so viel Geld für eine einzige Zeitung haben will, muss erstens sehr überzeugt von sich sein und zweitens darauf setzen, dass es keine echte Konkurrenz gibt. Wie schlau diese Idee im digitalen Zeitalter ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Angesichts der zunehmend aufdringlicher werdenden Marketing-Aktionen diverser Heimatzeitungen vermute ich aber, dass die Idee nur mittelgut ist.
Flexibel und flat: Das müssen die Preismodelle der Zukunft sein. Ein Abo, bitte sehr, das kann doch sehr viel mehr sein als ein Zwei-Jahres-Vertrag mit Kaffeemaschine als Prämie. Die Erkenntnis setzt sich allmählich auch in deutschen Medienhäusern durch: Das Angebot muss zum Kunden passen, nicht umgekehrt. Und damit kommen wir dann auch zu Trend Nummer 4.
Trend Nummer 4: Noch nie war der User so wichtig
Personalisierung heißt für viele bisher immer noch: Der User kann sich per Checkbox ein paar Sachen zusammenstellen. Das war 2001 mal eine spannende Idee. Heute darf man sowas aber beim besten Willen nicht mehr Personalisierung nennen. Unternehmen wie Amazon oder auch die New York Times zeigen hingegen, wie enorm wichtig es ist, seinen User gut zu kennen.Bei allen berechtigten Debatten über Filterblasen: Es ist unsinnig, zu glauben, dass Journalisten im Jahr 2020 das eine Produkt bauen könnten, das allen Usern, ihren Interessen und Vorlieben gleichermaßen gerecht wird (auch das übrigens ein Argument, das gegen die althergebrachte Tageszeitung spricht).
Was will der Leser (Hörer/Zuschauer)? Die Frage haben sich Generationen von Journalisten gestellt. Noch nie wäre es so einfach gewesen wie heute, diese Frage wenigstens halbwegs zu beantworten. Anbieter wie Netflix oder Spotify sind sich dessen bewusst. Ihr gezielter Einsatz von Daten und Algorithmen ist ein Teil der Erklärung für ihren Erfolg. Und auch die „New York Times“, immer noch Maß aller Dinge, wenn es um digitalen Journalismus geht, hat sich schon lange davon verabschiedet, allen Usern auf der Startseite das Gleiche vorzusetzen. Den Leuten zu geben, was sie wollen, ist keine ganz neue Erkenntnis, das versuchen Medien schon seit Anbeginn der Tage. Durch die Digitalisierung hat diese Idee aber noch mal an Relevanz gewonnen. Erstaunlich, wie wenig man in Deutschland davon Gebrauch macht. Ich stelle mir manchmal vor, dass es in Redaktionen immer noch gestrenge Herren gibt, die mit einem „Der Leser will das nicht“ alle Einwände zur Seite schieben, obwohl man es ja unter Umständen schon viel besser wissen könnte.
Trend Nummer 5: Der Omni-Channel
Und schließlich noch mal die famose „New York Times“ zum Schluss: Für deren Journalisten, so erzählte Verleger Sulzberger unlängst, sei es mittlerweile wichtiger, im Podcast „The Daily“ vorzukommen als auf der Seite 1 der gedruckten Zeitung. Kein Wunder, der Podcast hat in diesem Jahr die Marke von einer Milliarde Downloads geknackt (siehe dazu auch wieder: Trend Nummer 1, Podcasts und Audio).
Kurz gesagt: Nach all dem Gerede über Multimedia, Crossmedia, Transmedia bleibt 2020 die simple Erkenntnis, dass jede Form von Kommunikation und Medien potenziell auf beliebig vielen Kanälen stattfinden kann.
Solche Omni-Channel-Marken definieren sich über ihre Inhalte, nicht ihre Vertriebswege. Das wird zu einer riesigen Herausforderung. Die Ansprüche an Redaktionen, Inhalte und auch Technik steigen rasant an, wenn man das vernünftig machen will. Aus ökonomischer Sicht bedeutet das vorläufig: Hohe Investitionen, geringere Margen, eine lange Phase permanenter Entwicklung.
Ich bin mir nicht sicher, ob dazu alle in der Lage oder auch willens sind. Da werden einige auf der Strecke bleiben, so viel lässt sich sagen (siehe dazu: Trend Nummer 2).
Zusammengefasst: Viel Neues, manche Konsolidierung, einige Abschiede – willkommen Medienjahr 2020.
Gerade gelesen:
https://meedia.de/2020/02/11/bye-bye-podcast-hype-es-gibt-erste-anzeichen-fuer-eine-abkuehlung-beim-audio-boom/#comments