„Die schöne, sinnfreie Debatte Online vs. Print fällt ja gerade blöderweise der Wirtschaftskrise zum Opfer, in deren Verlauf noch mancher Wolkenkuckucksheimer (auch aus Ihrer Kundschaft?) Bauklötze staunen wird, wie schnell man vom Innovationsführer zum Auslaufmodell mutieren kann.“ Read More
Diese Sätze stammen von Ulli Tückmantel und sind rund zehn Jahre alt. Tückmantel war damals noch Ressortleiter der „Westdeutschen Zeitung“, deren Chefredakteur er 2014 wurde (in einer vorherigen Version hatte ich geschrieben, er sei Lokalredakteur gewesen. Das stimmt nicht). Das Zitat stammt aus einem Kommentar zu einem Beitrag, in dem ich 2009 über die zunehmende Irrelevanz des Lokaljournlismus und die absehbaren Probleme der Regionalzeitungen schrieb. Er verpasste mir noch ein paar andere Nettigkeiten, verortete mich in irgendwelchen gut vernetzten und „verrudelten“ Pseudo-Elitekreisen.
Er meinte – kurz gesagt – ich hätte keine Ahnung und schloss daraus (siehe Zitat) eben, wir vermeintlichen digitalen Vorreiter würden schon noch sehen, wie wir auf die Nase fallen. Wir, die „Wolkenkuckucksheimer.“ Tja, tempi passati.
Aber in diesem Beitrag soll es gar nicht um Ulli Tückmantel gehen, der die „Westdeutsche Zeitung“ verlässt und sich den berühmten neuen Herausforderungen stellen will (viel Glück dabei – und das ist nicht mal ironisch gemeint). Sondern um das Blatt, das er zu retten versuchte, obwohl man ihm dafür nicht mal halbwegs geeignete Mittel an die Hand gab.
Tatsächlich übernahm Tückmantel damals einen Zombie. Die Hälfte der Redaktionsstellen weggekürzt, einzelne Redaktionen geschlossen – Maßnahmen halt, die man bei Regionalblättern gerne ergreift, wenn es nicht mehr ganz so gut läuft. Daran hat sich bis dato nicht viel geändert. Sparen, kürzen, streichen, strecken.
Gleichzeitig wundere ich mich – ebenfalls schon seit bestimmt zehn Jahren – wie das dauerhaft funktionieren soll. Vorausgesetzt, dass man wirklich an die Zukunft denkt und nicht nur an lebensverlängernde Maßnahmen, dann ist es eine merkwürdige Idee, mit einem ausgedünnten und mutmaßlich schlechteren Produkt in einem immer schwierigeren Markt bestehen zu wollen.
Es bleibt die alte Frage: Wie soll Streichen, Kürzen, Sparen ein zukunftsfähiges Konzept sein?
Im Fall der „Westdeutschen Zeitung“ jedenfalls hat sich eindruckvoll gezeigt, was wirklich Wolkenkuckucksheim ist. Das ausgedünnte Blatt verlor im Fünf-Jahres-Vergleich fast 35 Prozent seiner Auflage. Im Zehn-Jahres-Vergleich war es sogar exakt die Hälfte. Das sind selbst für die gebeutelten Regionalblätter sensationell schlechte Zahlen.
Sie widerlegen aber auch die Idee, die nicht nur Ulli Tückmantel hatte. Man müsse, so hieß und heißt es immer wieder, einfach nur den Wert des Journalismus herausstellen und natürlich auch wertvollen Journalismus machen, dann blieben einem die Leute schon erhalten.
Fakt ist, dass speziell das Genre Regionalzeitung mit zunehmend sinkenden Loyalitäten zu kämpfen hat. Die Lokalzeitung musste man früher im Haus haben. Heute muss das kein Mensch mehr. Das müsste er nur noch, wenn seine Zeitung seine Lebenswelt im Lokalen widerspiegelt. Inwieweit sie das tut, muss jeder Redaktionsleiter für sich entscheiden. Dass eine solche Aufgabe mit ständig gekürztem Personal und geringeren Umfängen schwer zu bewerkstelligen ist, sollte aber einleuchten.
Ich sage keineswegs, dass regionale Medien keine Zukunft hätten. Wohl aber wird die gedruckte Zeitung diese Zukunft eher nicht sein.
Das schrieb ich übrigens schon 2009. Dass man darüber 2019 immer noch reden muss, zeugt zumindest von einem erstaunlichen Beharrungsvermögen der Branche.