DuMont in Köln soll der nächste in der Reihe sein: Angeblich will sich der Verlag von seinen Zeitungen komplett trennen. Es ist gerade mal Ende Februar. Und es zeichnet sich immer mehr ab: 2019 wird das Jahr, in dem die Regionalzeitungen bisheriger Prägung endgültig ins Aus geraten. Read More
Und ich verweise wieder darauf: Ich habe es euch schon vor zwei Jahren prophezeit. 2019, das Jahr der Wahrheit. Einzig nennenswerte Reaktion: der BDZV meinte in einem Tweet, ich sei immer noch der alte Zeitungshasser. Da dachte ich mir bereits im Stillen: Ihr begreift es einfach nicht. Verblüffend. Aber gut, gehen wir ins Jahr 2019…(was bisher passiert ist: hier und hier und hier)
Vor ein paar Jahren hatten sie in Köln eine Idee: eine Nachmittags-Zeitung für ein junges Publikum. Schnell, günstig, bunt. Eine Art gedrucktes Internet (das hat man damals wirklich so gesagt).
Derselbe Verlag, nämlich DuMont, soll nun angeblich gerade den Verkauf seines kompletten Stammgeschäfts vorbereiten: Regionale Tageszeitungen, Druckereien, alles soll raus, sagen Branchengerüchte. Aber was heißt schon Gerüchte? Ulrike Simon, die diese Geschichte im Horizont aufgeschrieben hat, gilt grundsätzlich als gut informiert. Keine, die mal ein paar halb gare Infos zu einer Story zusammenflickt.
Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Viel. Sehr viel.
Geschichte wiederholt sich manchmal doch. Im Fall von Tageszeitungsverlagen bedeutet das vor allem, dass man immer und immer wieder dasselbe Muster an den Tag legt: Man negiert die Krise, redet das Problem klein und reagiert mit einem fatalen Mix aus Ängstlichkeit und Zögerlichkeit.
Vor 15 Jahren bedeutete das die folgende Argumentationskette (die Älteren unter Ihnen werden sich erinnern): Gedrucktes Wort hat eine ganz andere Wertigkeit als das Netz. Zeitungen sind glaubhaft, digitale Medien nicht. Das Netz ist ein Schnorrer-Medium, in dem sich kein Geld verdienen lässt. Das Netz ist vielleicht ein guter Marketing-Kanal, aber kein Platz für Journalismus. Irgendwas mit Haptik.
Und so weiter.
Es hat sich nicht viel geändert. Die DNA der Verlage ist immer noch: Zeitung.
Im Lauf der letzten Jahre mussten dann selbst die hartnäckigsten Digital-Verweigerer einräumen, sich getäuscht zu haben. Also wurde schnell irgendwas mit digital auf die Füße gestellt, Facebook-Seiten gegründet und ein paar Onliner in die (Chef-)Redaktionen geholt.
Weswegen die aktuelle Argumentation lautet wie folgt: Wir sind gut aufgestellt. Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt. Für einen radikalen Umstieg auf ein digitalgetriebenes Medium geht es uns immer noch viel zu gut. Unser Kerngeschäft bleibt Print, weil man digital die möglichen Verluste bei Print nicht kompensieren kann.
Und so weiter.
Das Problem daran: Jetzt, in dem Moment, in dem sie sich auf digitaler Augenhöhe wähnen, sind die meisten Verlage schon wieder hinten dran. Diesmal allerdings so weit, dass es mit ein paar Retuschen nicht mehr getan ist. Sie haben den Anschluss an die Gegenwart und eine ganze User-Generation verloren.
Das hat auch damit zu tun, dass sie sich in vielen Fällen weiter als Zeitung verstehen. Diese Idee des periodischen Mediums steckt immer noch tief in ihrer DNA. In allen Strukturen, in allen Abläufen. Tief konservativ-analoge Häuser versuchen digitale Zukunft zu schaffen. In sehr vielen Fällen ohne Überzeugung, ohne Kompetenz und ohne Begeisterung. Manchmal hört man in solchen Häusern solche Sätze wie „Wir müssen wir ein Startup agieren“. Dann muss jeder innerlich lachen, der über weite Flure, hermetisch abgeriegelte Einzelbüros und die Kantinen solcher Häuser nachdenkt. Das ist alles, nur nicht Startup. Kann man ihnen nicht verdenken, weil die ganze Idee unsinnig ist. Ein 100 Jahre alter Verlag ist kein Startup und ein in Ehren ergrauter Mittfünfziger ist kein hipper Zwanzigjähriger. Nix gegen graue, alte Männer, ich bin selber einer. Aber ich will auch kein Startup gründen.
Was fehlt: Mut zum radikalen Wandel
Bei denen, die bisher die Schlagzeilen dieses wie erwartet sehr unschönen Verlagsjahres 2019 geprägt hat, sieht man, wie es auf Dauer nicht funktionieren kann: zusammenlegen, sparen, schließen. Noch billiger und effizienter und uniformer produzieren. Den Journalismus schlechter machen, als ihn an die Gegebenheiten der Zeit anzupassen. Dass unter diesen Betroffenen auch Funke ist, ist eine bittere Ironie. Ausgerechnet Funke, das Haus, das für eine knappe Milliarde die Regionaltitel von Axel Springer gekauft hat. Insider schüttelten schon damals den Kopf, während sie in Essen immer noch an eine große Print-Zukunft glaubten.
Aus dem Xtra-Flop hätte man damals schon eine Menge Lehren ziehen können (hier wäre eine ganze Auswahl solcher potentieller Lehren). Der Wandel in den Verlagen müsste radikal sein. Eigentlich dürfte kein Stein mehr auf dem anderen bleiben, wenn man überleben will. Man müsste sich von der Idee des Periodikums verabschieden. Von der Idee des „Artikel schreibens“. Von dem Gedanken, ein publizierendes statt interagierendes Haus zu sein.
Oder man trennt sich von seinem Geschäft. Früher oder später. Spätestens dann, wenn man kein Geld mehr damit verdient oder bei einem Verkauf noch ordentlich Kasse machen kann.
Es mag zynisch klingen, aber aus dieser Warte heraus haben sie bei Springer vor Jahren schon alles richtig gemacht. Dumont dürfte der Nächste sein.