Wenn man wissen will, was aktuell mit der Gesellschaft los ist – der muss sich nur uns von den Medien anschauen. Die Debatte über das “Framing-Manual“ der ARD lässt jedenfalls einige Rückschlüsse zu. Read More
Im postfaktischen Zeitalter gibt es eine Entwicklung, die bei den einen stärker und bei den anderen schwächer ausgeprägt ist. Die Idee ist jedoch immer die Gleiche: Man sagt etwas solange, bis es wahr wird. Oder andere Menschen zumindest meinen könnten, es sei wahr.
Der Großmeister dieser Taktik, Donald Trump, lässt beispielsweise seit ein paar Tagen seine Anhänger skandieren: Finish the Wall! Das ist ein feiner und bedeutsamer Unterschied zu der bisherigen Parole „Build the Wall“. Weil dieser neue Slogan suggeriert, die Mauer nach Mexiko sei beinahe fertig und müsse nur noch fertig gestellt werden. In Wirklichkeit ist noch kein Meter gebaut worden.
Das nennt man „Framing“. Mit diesem Begriff ist die Wissenschaftlerin Elisabeth Wehling zum akademischen Popstar geworden, Auftritte auf der re:publica vor vollem Haus inklusive.
Ebenfalls inklusive: ein 120000-Euro-Auftrag der ARD. Für ein „Framing-Manual“ und ein paar Workshops.
In dem Manual stehen Dinge, die können nur aus Akademiker-Köpfen kommen. Dass man also jetzt immer nur lang genug „Gemeinwohl-Medien“ sagen muss, beispielsweise. Das ist lustig, weil fernab aller Realitäten.
Selbst der größte Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird niemals sagen: Das habe ich bei den Gemeinwohl-Medien gesehen. Zumindest dann nicht, wenn er nicht ausgelacht werden soll. Gemeinwohl-Medien? Alleine für diesen absurden Begriff müsste man Frau Wehling mit 100 Stunden SAT 1-Programm am Stück bestrafen.
Genauso, wie es unsinnig ist, zum eigenen Rechtfertigungsanspruch die private Konkurrenz in die Heuschrecken-Ecke zu stellen. Das sollte die ARD eigentlich nicht nötig haben und Frau Wehling auch nicht, aber bitte sehr: Das kommt raus, wenn Theorikerin auf Rundfunkbeamte trifft und das alles im öffentlich-rechtlichen Elfenbeinturm.
Und was machen die Kritiker unserer Gemeinwohl-Medien? Geben mit gleicher Münze zurück. Dass die „Bild“ wie immer überdrehen muss und ganz im Reichelt-Duktus von „Umerziehung“ spricht, ist ja keine Überraschung mehr. Und dass Michael Hanfeld in der FAZ reflexartig losbrüllt, war auch nicht anders zu erwarten.
Aber das zeigt, dass es bei uns Medienmenschen auch nicht besser zugeht als in der Politik. Zwischen den Extremen gibt es immer weniger Konsens. Daneben wird geframt, was die Wehling hergibt. Darf man das? Natürlich darf man das, es gab Framing schon lange vor Elisabeth Wehling. Wenn allerdings Framing zum Kern der Debatte wird, ist es eben keine Debatte mehr. Sondern ein kleiner Taktik-Krieg um die Deutungsmuster-Hoheit.
ARD und ZDF hätten sehr viel bessere Argumente als Framing
Dabei hätten gerade die Öffentlich-Rechtlichen (um sie wieder als das zu bezeichnen, was sie sind, nicht mehr und nicht weniger) gerade jetzt gute Argumente für sich selbst in der Hand. Sie könnten beispielsweise darauf verweisen, wie problematisch es zunehmend für privaten Journalismus wird, sich zu finanzieren und ausreichend Qualität zu liefern.
Sie könnten auf die USA verweisen und zeigen was passiert, wenn man den entfesselten Brachial-Kapitalismus auch noch Medien ohne jegliche Kontrolle machen lässt. Sie könnten sich einsichtig zeigen, eine Debatte über ihre aufgeblähten Strukturen zu führen. Die werden von niemanden bestritten, hinter vorgehaltener Hand nicht einmal von den Anstalten selbst.
Man könnte also viele schlaue und relevante Debatten über den Medienstandort Deutschland und seine Zukunft führen. Über den Journalismus und seine Bedeutung für die Gesellschaft.
Stattdessen reden wir über Gemeinwohl-Medien, Staatspresse und Umerziehung. Die nächsten Kommentare zur vermeintlichen Unfähigkeit der Politik zu einer geordneten Debatte sollten wir uns erstmal schenken.
Tja, genau das über die USA habe ich einst geschrieben, wie sehr einem ein paar Wochen Aufenthalt dort klar machen, wie wichtig unser ÖRR ist.
Doch der ÖRR klagte kurze Zeit später auch diesen Text offline. Gibt es jetzt nur noch auf englisch. Daß es zumindest die Amis lesen können.