Jeden Tag, wenn ich meine Social-Media-Kanäle öffne, kommt dieses merkwürdige Gefühl auf, das mit Ambivalenz wenigstens halbwegs vernünftig beschrieben ist. Auf der einen Seite durchaus so was wie Freude, weil es Nachrichten und Menschen gibt, die man immer wieder gerne liest. Gleichzeitig kommt aber auch die Ahnung, dass es mir in absehbarer Zeit die Laune verhageln wird. Weil soziale Netzwerke ja auch immer das sind: latente Zeitverschwendung, eine Bühne für selbstverliebte Narzissten, Schauplatz von Pöbeleien und Ausfälligkeiten, dazu muss man nicht Franck Ribéry sein. Was überwiegt? Keine Ahnung. Hängt mit der Tagesform zusammen; mit meiner eigenen und mit der der anderen. Read More
Bleibt die Einsicht, dass man an Social Media auch aus professioneller Sicht nicht vorbeikommt. Ein Journalist, eine halböffentliche Existenz, die nicht über soziale Netze kommuniziert, geht das überhaupt?
Ich hätte die Frage bis heute mit einem entschiedenen „Nein“ beantwortet. Dann habe ich dieses Posting von Robert Habeck gelesen, in dem er seinen Abschied von Facebook und Twitter ankündigt. Verblüffend, oder? Ein Spitzenpolitiker, noch dazu relativ jung, den es nicht bei Twitter und Facebook gibt? Da hätte man beim Seehofer ein paar müde Witze drüber gemacht, aber Habeck? Der coole Grüne, der die Welt und das Netz doch angeblich verstanden hat?
Vor allem Twitter wird von Habeck hart rangenommen. „In keinem anderen Medium gibt es so viel Hass, Böswilligkeit und Hetze. Offenbar triggert Twitter in mir etwas an: aggressiver, lauter, polemischer und zugespitzter zu sein – und das alles in einer Schnelligkeit, die es schwer macht, dem Nachdenken Raum zu lassen. Offenbar bin ich nicht immun dagegen.“
Ich weiß nicht, ob man das so pauschal sagen kann. Auf der anderen Seite, wenn ich über meine eigenen Twitter-Erfahrungen nachdenke: Völlig von der Hand zu weisen ist das nicht. Ich bin bei Twitter schon zu oft in Debatten mit latent aggressivem Grundton geraten, ich habe zu viele von den auch von Habeck beklagten Missverständnissen erlebt, bei denen aus einer unglücklichen Formulierung ein mittlerer Glaubenskrieg geworden ist. Schon klar, seine Worte sollte man mit Bedacht wählen. Auf der anderen Seite: Ich bewege mich ungern in einem Umfeld, in dem buchstäblich Tretminen auf mich lauern.
Und wenn ich schon dabei bin: Ich mag die latente Hyper-Arroganz von etlichen Top-Twitterern nicht (ja, ich weiß, so pauschal…). Da ist mir zuviel Herablassung, Rechthaberei und Intoleranz dabei. Echte Debatten erlebe ich zu selten bei Twitter und anderswo im Netz. Häufig sind es Diskussions-Attrappen, bei denen es am Ende nur darum geht, wer recht hat.
Ach ja, und Facebook, was soll man dazu noch sagen, was nicht schon längst gesagt ist? Dass Facebook dieser Welt nur sehr eingeschränkt guttut, bestreitet inzwischen nicht mal mehr Facebook selber.
Und dann wieder auf der ganz anderen Seite: Ich habe bei Twitter und bei Facebook schon großartig tolle Dinge erlebt. Und ist es nicht im realen Leben auch so, dass man wunderbaren Menschen begegnet und kurz darauf wieder solchen, denen man lieber nicht über den Weg gelaufen wäre?
Was also tun: Raus aus den Netzen, den Habeck machen? Oder den Prantl machen, der Twitter eh doof findet?
Zugegeben, als ich dieses Prantl-Zitat zum ersten Mal gelesen habe, bin ich zusammengezuckt. Wer entscheidet schon darüber, wer wie viel Aufmerksamkeit verdient? Journalisten, die Süddeutsche, Heribert Prantl, der Bundestag, das Verfassungsgericht? Das Argument ist also dröge zum einen. Zum anderen geht es an den Realitäten einer digitalen Medienwelt völlig vorbei. Aufmerksamkeit bekommt nicht automatisch, wer die größte Reichweite erzielt. Sondern der mit der richtigen Zielgruppe. Dass diese Zielgruppen immer mehr zersplittern ist eine solche Binse, dass ich sie kaum mehr aufschreiben mag.
Davon mag man halten, was man will, es ändert aber nichts daran, dass Aufmerksamkeit heute auch und vor allem jenseits klassischer Medien entsteht. Und Wirklichkeit, was soll das sein? Für Twitter-User ist eben ihre Wirklichkeit auch eine. Da kann man schlecht mit dem Argument kommen, die Wirklichkeit sei gar keine. Jeder hat seine Wirklichkeiten. Heribert Prantl und der Twitter-User sind sich da gar nicht so unähnlich.
Und nun? Ich bin immer noch drin. Bei Facebook, bei Twitter, bei Instagram, WhatsApp und den anderen kleinen Monstern. Ob das eine gute Idee ist, weiß ich weniger denn je.
Also, ich habe nach vielen Jahren am 1.1.2019 meinen Twitter-Account gelöscht, die Facebook- und Instagram-Accounts schon etliches früher. Obwohl ich einst als Journalist gearbeitet habe, heute den Blogger mache und die allermeisten meiner Bekannten bei Facebook und Twitter sind. Zum Test hatte ich Twitter vorher sechs Monate vom Handy gelöscht, und den Account einfach mal Account sein lassen. Hat mich jemand vermisst? Nö. habe ich jemanden vermisst? Nö. Die, die wichtig, interessant oder interessiert sind, haben einen anderen Weg gefunden, mit mir in Kontakt zu bleiben. Da sind erstens der Blog und Threema, die Alternative zu WhatsApp-cum-Facebook. Und dann gibt es Email, Telefon und den gewöhnlichen Brief ja auch noch. Man glaubt es kaum, aber die Menschheit kommunizierte auch schon vor der Erfindung von social media! Tolle Sache, nicht?
Wenn ich z.B. Tagesschau sehe, kenne ich die News dank Twitter schon weit eher – und es ist für mich schon eine Info, welche Details und welche Kontexte (die ich aus Twitter und anderen Netzquellen kenne) mit berichtet werden und welche nicht.
Das ist jetzt KEINE Anklage, so eine Sendung MUSS auswählen und gewichten, sondern ein Argument dafür, auf Twitter zu bleiben. Dort sind nun mal alle „mach was mit Medien“ – und IHR BLICK auf die Wirklichkeit ist das, was man dann in anderen Medien zu lesen und zu sehen bekommt. Da bin ich lieber an der Quelle dabei…
Also, ich habe nach vielen Jahren am 1.1.2019 meinen Twitter-Account gelöscht, die Facebook- und Instagram-Accounts schon etliches früher. Obwohl ich einst als Journalist gearbeitet habe, heute den Blogger mache und die allermeisten meiner Bekannten bei Facebook und Twitter sind. Zum Test hatte ich Twitter vorher sechs Monate vom Handy gelöscht, und den Account einfach mal Account sein lassen. Hat mich jemand vermisst? Nö. habe ich jemanden vermisst? Nö. Die, die wichtig, interessant oder interessiert sind, haben einen anderen Weg gefunden, mit mir in Kontakt zu bleiben. Da sind erstens der Blog und Threema, die Alternative zu WhatsApp-cum-Facebook. Und dann gibt es Email, Telefon und den gewöhnlichen Brief ja auch noch. Man glaubt es kaum, aber die Menschheit kommunizierte auch schon vor der Erfindung von social media! Tolle Sache, nicht?
Wenn ich z.B. Tagesschau sehe, kenne ich die News dank Twitter schon weit eher – und es ist für mich schon eine Info, welche Details und welche Kontexte (die ich aus Twitter und anderen Netzquellen kenne) mit berichtet werden und welche nicht.
Das ist jetzt KEINE Anklage, so eine Sendung MUSS auswählen und gewichten, sondern ein Argument dafür, auf Twitter zu bleiben. Dort sind nun mal alle „mach was mit Medien“ – und IHR BLICK auf die Wirklichkeit ist das, was man dann in anderen Medien zu lesen und zu sehen bekommt. Da bin ich lieber an der Quelle dabei…
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