Jeder Journalist weiß das: Es gibt Nachrichten, die gar keine sind. Weil sie nichts Neues enthalten. Und weil sie niemanden mehr überraschen. Um (beinahe) ein solches Exemplar handelt es sich auch hierbei: Das „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld legt seine Aktivitäten mit denen von Aschendorff in Münster zusammen. Das klingt schöner, als es ist. De facto werden die Bielefelder aus Münster übernommen. Eine Geschichte, die sinnbildlich für die Lage der regionalen Zeitungen steht. Read More
Eine solche Meldung hätte vor wenigen Jahren noch für Aufsehen gesorgt. Im Jahr 2019 gehören Zeitungs-Fusionen oder Übernahmen zum Alltag der Branche. Vor allem die kleinen und mittelgroßen regionalen Zeitungen kommen gerade an einen Punkt, der ihnen schon seit längerer Zeit immer wieder prophezeit wird: Sie sind mittelfristig ohne fremde Hilfe nicht mehr überlebensfähig. Das hat viel zu tun mit den Versäumnissen der vergangenen Jahre – und dass der Dampf im Kessel vor allem im gerade begonnen 2019 erheblich ansteigen wird, hatte ich schon Ende 2017 hier geschrieben.
Der Fall „Westfalen-Blatt“ ist nicht nur deswegen exemplarisch für die Entwicklung der Zeitungen in den vergangenen Jahren. Auf die Digitalisierung hat die Zeitung über all die Jahre so gut wie gar nicht reagiert. Das digitale Angebot des Blattes ist von ernüchternder Bescheidenheit. Auch nach dem einen oder anderen Mini-Relaunch ist es nicht ansatzweise im Hier und Heute angekommen. Eine App launchte die Zeitung im April 2018 , einen „Whats-App-Newsletter“ im Herbst letzten Jahres. Die Facebook-Seiten sind so, wie sie sind, wenn man sie nebenher machen muss. Keine Interaktion, keine Originalität, stattdessen eine dröge Linkschleuder.
Zeitung und Digital-Angebot sind oft nicht mehr zeitgemäß
Das „Westfalen-Blatt“ zeigt deutlich, dass auch die Auflagenentwicklung keineswegs mehr mit einem achselzuckenden „Ist ja nicht so schlimm“ betrachtet werden kann. Innerhalb von fünf Jahren ist die Zahl der Abonnenten um über 15.000 Exemplare gesunken, die Druckauflage sogar um 20.000.
Ja, schon klar: Solche Verluste im analogen Stammgeschäft lassen sich digital nicht so einfach kompensieren. Das Argument hört man immer wieder gerne. Trotzdem zeigt das Blatt aus Bielefeld, wie verkehrt diese Argumentation trotzdem ist. Das Problem ist nicht ein gottgegebener Rückgang an Auflage. Das Problem ist, dass das komplette publizistische Angebot des Hauses aus der Zeit gefallen ist. Weder die Zeitung noch die digitalen Kanäle sind das, was man von einem Verlagshaus im Jahr 2019 erwarten kann.
Das hat nicht sehr viel mit dem Netz zu tun. Stattdessen: mit Bequemlichkeit, Beratungsresistenz und dem Gefühl der eigenen Unverzichtbarkeit. Auf eine Zeitung kann man nicht verzichten, das glauben sie in vielen Häusern immer noch. Und wenn man doch darauf verzichten will, nimmt man eben das Digital-Angebot.
Genau daran hakt es inzwischen aber: Regionale Tageszeitungen sind insbesondere für jüngere Journalisten und Manager uninteressant geworden. In vielen Häusern ist es so wie in Bielefeld: Wie das Mediengeschäft und der Journalismus in diesen Zeiten funktionieren, wissen sie dort nicht mehr.
Es dürfte auch zu spät sein, um das noch zu ändern. Jemand mit echter digitaler Expertise wird sich nicht nach Bielefeld verpflanzen lassen. Ohne eine solche Expertise ist vorprogrammiert, wie es weitergeht: Man wird sparen, fusionieren, kürzen. Kurzum: Man macht das Angebot noch unlukrativer. Da spielt es keine Rolle, ob man sich eine Paid-Content-Strategie ausdenkt. Weil man erst mal Content haben muss, den irgendjemand lesen will.
Willkommen also im Zeitungs-Deutschland des Jahres 2019. Willkommen im Land der ewig gleichen Rituale: Die einen werden die schrumpfende Medien-Vielfalt beklagen, die anderen werden betonen, wie wichtig Tageszeitungen sind.
Nur ändern wird sich nichts. Geschichten wie diese werden wir 2019 noch einige erleben.
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