Gerade eben nehmen wir Journalisten uns selbst wieder auseinander, wegen dieses Herrn Re…na, Sie wissen schon. Dabei sind wir nur manchmal so schlimm, wie wir es uns nachsagen. Manchmal dafür aber sogar noch schlimmer. Eine kleine Typologie des deutschen Medienschaffenden. Read More
Manchmal beginnt das Elend ja schon in den Journalistenschulen. Journalistenschüler, herrje. Die bekommen die eigene Bedeutung bereits in den Schulen eingebimst. Angela Merkel, bei der alle jetzt erst merken, dass sie einen staubtrockenen Humor hat, hat 2009 bei einem Jubiläum der an Bedeutung kaum mehr zu übertreffenden Deutschen Journalistenschule gesagt, die DJS sei vermutlich der einzige Ort der Welt, bei der man es schon alleine durch das Bestehen der Aufnahmeprüfung „geschafft“ habe. Sie als Naturwissenschaftlerin sei allerdings was anderes gewohnt. Wer da leisen Spott raushören wollte, durfte das tun.
Und der damalige Münchner OB Christian Ude spottete sanft weiter: Bei Politikern würde man von Kungelei sprechen, bei der DJS und anderen Journalistenschulen nenne man das hingegen einfach „Networking“. Da steckte ebenfalls eine Menge Spott drin, in dem allerdings unglaublich viel Wahrheit liegt. Niemand findet sich selbst und sein Wirken bedeutsamer als der Journalistenschulenabsolvent. Das ändert sich auch im späteren Journalistenleben nur selten.
Oder um nochmals Christian Ude 2009 zu zitieren: „Es gibt in Deutschland keine Elite, die sich so sicher ist, Elite zu sein, wie die Absolventen der Deutschen Journalistenschule“.
Gottseidank sind nicht alle Journalistenschüler. Was nicht bedeutet, dass Journalisten auch anderer Gattungen von der eigenen Bedeutung unberührt blieben. Moderatoren beispielsweise. Die meisten von ihnen würde ich ja eher nicht Journalisten nennen, weil sie oft gut aussehen und hübsch sprechen können und eher was präsentieren als journalistisch erarbeiten. Dafür sind Moderatoren, vor allem die Mittelgroßen, gerne so, wie man sie sich in den schlechtesten Klischees vorstellt: Ein bisschen verliebt in sich selbst und die eigene Großartigkeit, etwas arg attitüdenhaft. Am lustigsten wird das, wenn Journalistenschüler Moderatoren werden, dann haben wir es mit dem interessanten Phänomen der Doppel-Attitüde zu tun.
Am schlimmsten sind übrigens die aus der 2.Liga. Die, die permanent in die 1. Liga wollen, die es aber aus welchem Grund auch immer nicht schaffen. Oder nur ganz kurz mal schnuppern dürfen. Das Greuther Fürth der Journalisten sozusagen. Ganz anders, um in der Fußball-Analogie zu bleiben, sind meistens die aus der Champions League. Im Gegensatz zum FC Bayern sind die häufig sehr angenehm, unprätentiös, zurückhaltend und bescheiden. Die aus der 2. Liga sind hingegen oft von einer Aufgeplustertheit, die selbst für Journalisten erstaunlich ist. Man kann sich dann selbst aussuchen, ob man davon genervt ist oder ob man solche Leute nicht einfach lustig finden soll.
Kritiker und Medienjournalisten sind übrigens eine ganz besondere Spezies, oftmals den Mimöschen zugehörig. Ich staune immer wieder, wie fürchterlich empfindlich ausgerechnet diejenigen sind, die ganz besonders gerne und viel austeilen. Gelegentlich gehören übrigens auch Blogger in die Kategorie der Mimöschen, auch dort gerne die mit dem allergrößtem Mundwerk. Es wäre aber unfair, würde man nicht ausdrücklich dazu sagen, dass Empfindlichkeit und Eitelkeit Eigenschaften sind, die man unter Journalisten durchaus öfter antrifft.
Dazu passt, dass wir uns gerne selbst Preise verleihen. Nicht nur die Bedeutsamen, wie den Relotius-Gedächtnispreis namens „Reporterpreis“. Jede Krankenkasse hat inzwischen einen Journalistenpreis. Wer es nicht bis zur Schnibben-Reportergala oder zum Nannenpreis schafft, probiert es halt da mal. Das ist nicht ehrenrührig, weil man es zu Schnibben oder Nannen meistens nur dann schafft, wenn man bei Spiegel oder Zeit oder sowas arbeitet. Und Journalistenpreis der Deutschen Technikerkrankenkasse klingt ja auch nicht übel. Kommen immerhin Journalist und Preis drin vor.
Preisverleihungen sind ohnehin eine lustige Sache. Da können sich Journalisten auf der einen und die Juroren auf der anderen Seite in ihrer eigenen Bedeutsamkeit so richtig aalen (tun sie meistens auch, wobei ich mich immer frage, ob es noch nie jemandem aufgefallen ist, dass das manchmal schon ein bisschen peinlich ist. Obwohl, Jörg Thadeusz ist das jetzt aufgefallen, weswegen er bis auf weiteres keine Preisverleihungen mehr moderieren will. Hat er davor aber viel und gerne gemacht.)
In Deutschland gibt es über 700 Journalisten-Preise und statistisch gesehen hat jeder zweite Journalist, der im Journalistenverband organisiert ist, schon mal einen solchen erhalten. Mehr muss man dazu dann auch gar nicht mehr wissen.
Die vielgescholtenen Reporter, die doch gerade noch die Edelfedern waren, und auch das inzwischen viel gescholtene Genre der Reportage, das doch eben noch als die Königsdisziplin galt, sind übrigens gar nicht so schlimm, wie man aktuell meinen könnte. Ich kenne eine ganze Reihe guter Reporter, die für ihren Job leben. Ich habe eine ganze Reihe Reportagen gelesen, an deren Ende ich schlauer, nachdenklicher und ja, auch das, bestens unterhalten war.
Alleine die Reportagen von Holger Gertz wären ein guter Grund, das Genre der Reportage auf gar keinen Fall abzuschaffen. Was würde ich tun, wenn es keine Reportagen von Holger Gertz mehr gäbe? Müsste ich dann den ganzen Tag Nachrichten lesen? Oder garantiert ironiefreie Texte? Oder den ganzen Tag Prantl? Dann wäre Journalismus schlagartig langweiliger. O. k., wenn mir jetzt natürlich irgend jemand erzählt, dass auch Holger Gertz…nee, das denke ich dann lieber erst gar nicht zu Ende.
Alles in allem sind Journalisten also ziemlich normal, vor allem gemessen daran, dass sie Journalisten sind. Mit einigen kann man ziemlich gut auskommen, mit anderen eher nicht. Die meisten leben sogar im echten Leben. Das sind aber meistens die, die keine Preise bekommen, nicht bei Schnibbennannen rumlaufen, dafür aber auch eher selten Geschichten solange zusammen dichten, bis sie passen. Je mehr Preise und je mehr Kamera- oder Mikropräsenz jemand hat, desto schwieriger wird er, das ist die Formel, auf die man sich beinahe einigen könnte, wenn es nicht doch ein paar Ausnahmen gäbe.
Ich wünsch euch trotzdem frohe Weihnachten. Sogar den Journalisten unter euch.
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