Ich muss euch zu Beginn mit ein paar Zahlen belästigen, die für mich vermutlich weitaus unangenehmer sind als für euch. Also, erstens gibt es diesen Blog hier schon seit bald 15 Jahren. Ich erschrecke selbst, wenn ich das lese, finde es aber irgendwie cool, als Digital-Dino so lange durchgehalten zu haben. Zweitens bin ich das, was man im Englischen Man in his fifties bezeichnet. Das schreibe ich deswegen in Englisch, weil sich das nicht ganz so schlimm anhört, als wenn ich euch mein wahres Alter verraten würde (bilde ich mir zumindest ein). Drittens habe ich mein erstes Buch zum Thema Digitaler Journalismus vor rund elf Jahren geschrieben.Read More
Wenn man das Buch heute liest, muss man unwillkürlich lachen. Da stehen so atemberaubende Prophezeiungen drin wie die, dass man möglicherweise in den kommenden Jahren ganze journalistische Inhalte mit dem Handy machen wird können. Bevor ihr lacht: Da stand auch deswegen „Handy“, weil es Smartphones noch gar nicht gab. Insofern war die These damals schon ein kleines bisschen gewagt und ich bin manchmal auch ziemlich schräg dafür angesehen worden.
So ganz über den Haufen geworfen habe ich natürlich nicht alles. Wer die neuesten Erkenntnisse sucht, findet sie wöchentlich bei LEAD. Und wer gerne noch Podcasts zum Thema Digitalisierung hört, dem lege ich die „Digitale Viertelstunde“, ebenfalls bei LEAD, ans Herz.
Kurzum: Wenn ich dieses Buch heute durchblättere, dann stelle ich fest, dass mein gesamtes Wissen der damaligen Zeit heute nicht mehr viel wert ist. Würde ich ernsthaft darauf basierend einen Vortrag halten, würde man mich innerhalb von zwei Minuten aus dem Raum entfernen.
Das erzähle ich hier, weil mir dadurch auch etwas gedämmert hat, was man immer wieder als Phrase durch Bullshit-Bingos geistern sieht: lebenslanges Lernen, sich immer wieder neu erfinden, der ganze Kram halt. Das ist in der Theorie alles ganz prima. In der Praxis, das gebe ich gerne zu, ist man als Man in his fifties nicht immer restlos begeistert, wenn man sein komplettes Wissen auf den Müll werfen, alles neu lernen und nebenbei sich noch neu erfinden soll. Lacht ihr nur, ihr werdet euch umschauen, wenn ihr mal in the fifties seid.
Auf der anderen Seite: Entgegen aller Hoffnungen, die man als alternder Mensch hat, kommt man leider an ein paar Erkenntnissen nicht vorbei. Beispielsweise an der, dass das meiste, was wir uns jetzt gerade wieder aneignen, in ein paar Jahren schon wieder irrelevant sein wird. Oder glaubt ihr ganz ernsthaft daran, dass wir in ein paar Jahren noch mühsam mit den Fingern auf kleinen Displays irgendwelche Befehle eintippen werden, um Webseiten abrufen zu können? Meint ihr wirklich, dass wir dann noch von Facebook als Maß aller kommunikativen Dinge reden werden? Oder dass uns Suchmaschinen eine mehr oder weniger relevante Ansammlung irgendwelcher Links auswirft, wenn wir etwas suchen? Oder Servicestücke im Netz noch mühsam zusammengestopselte Texte oder Videos bei YouTube sein werden?
Ich will das alles nicht werten. Und schon gleich gar nicht möchte ich hier eine der „10 Trend der nächsten 5 Jahre“-Listen aufstellen. Schon alleine deshalb nicht, weil ich keine Ahnung habe, welche diese Trends sein sollen.
Was ich aber sicher weiß: In zehn Jahren, dann als Man in his sixties , werde ich sehr wahrscheinlich alles vermeintliche Wissen über Digitale Medien wieder über den Haufen geworfen haben, beim 25jährigen Jubiläum dieses Blogs bei den allermeisten Beiträgen laut lachen und mich 37mal neu erfunden haben.
Warum das hier steht? Sozusagen als Selbstversicherung. Und als note to self, zum täglichen Hinter-die-Ohren schreiben: It ain‘t over ‘til it‘s over.