Am Abend vor dem eigentlichen re:publica-Start twitterten die Veranstalter ein Bild. Mit vielen jungen Menschen drauf. Man habe nun mehr Volunteers als es bei der ersten re:publica Besucher gab, hieß es in dem Tweet. Nicht ganz ohne Stolz, berechtigterweise. Aber nach einem kleinen Bundeswehr-Debakel und anderen Beobachtungen frage ich mich gerade: Was ist eigentlich aus uns geworden? Read More
Mir fielen dann die Anfänge der Veranstaltung ein, damals ®, vor dann auch schon wieder bald 15 Jahren. Kalkscheune, ein paar hundert Leute, ein Bloggertreffen erst, dann immerhin schon zur „Bloggerkonferenz“ befördert. Heute kommt die rp18 in der Tagesschau. Und es gibt sogar berechtigte Hoffnung, dass dort dieses Jahr nicht die Rede von einer „Internet-Messe“ sein wird. Und von Sascha-Lobo-Ansprachen an das gemeine Volk gibt es mittlerweile hübsche Share-Pics der Tagesschau.
Es war eher Zufall, dass ich in diesen Tagen, als ich nochmal den Wandel vom Bloggertreffen zum digitalen Klassentreffen vor Augen hatte, auch auf eine der verborgenen Statistiken dieses Blogs gestoßen bin. Um dann festzustellen, dass die Bloggerei ganz schön auf den Hund gekommen ist. Sogar unter uns Bloggern und unter dem harten Kern der re:publica. Und um festzustellen, dass wir wie so viele andere auch uns in die Untiefen der sozialen Netzwerke verabschiedet haben. Das ist natürlich keine wirklich neue Feststellung. Aber eine, die man trotzdem ja nochmal machen kann.
Ein paar Zahlen also: Mein aktivstes Bloggerjahr war 2011. Da habe ich über 200 Beiträge geschrieben, es gab in diesem Jahr gut 1000 Kommentare auf diesem Blog. 2017 bin ich bei knapp 50 Beiträgen gelandet, die Zahl der Kommentare lag nur unwesentlich darüber.
Gut, das hat noch ein paar spezifische Gründe, beispielsweise den, dass mit „Universalcode“ noch eine zweite und thematisch ähnliche Seite dazugekommen ist. Trotzdem: Ich habe einfach eine ganze Menge meiner Zeit in den vergangenen Jahren vom Blog in die sozialen Netzwerke verlegt. Nicht alles gewollt, weil ich immer öfter festgestellt habe, dass Diskussion über Blogbeiträge nicht im Blog, sondern bei Facebook oder Twitter stattfinden. Und manchmal natürlich gewollt. Weil es Themen gibt, die muss man nicht gleich in einen langen Blogbeitrag packen. Die kann man auch ganz gut kurz vertwittern oder verfacebooken.
Mir fällt im Übrigen ein, dass es noch vor ungefähr 10 Jahren ernsthaft die Utopie gab, dass Blogs mal so eine Art publizistisches Wundermittel sein sollten. Zwischendrin gab es noch ein paar Reden und Texte, in denen es hieß, wir sollten uns das Internet zurückholen und das Netz wieder zu unserem machen. Aber wenn ich sehe, wie gerade das gerne von uns kritisierte Facebook und Instagram mit (sorry, das muss jetzt mal raus!) immergleichen Bildern fluten und mit Datenmengen, dann würde ich sagen: Von der Idee sollten wir uns erstmal verabschieden, der Kampf ist verloren. Vermutlich werden auch bei dieser rp Dutzende Gigabyte Daten produziert. Die Hälfte davon landet auf dem Konto von Mark Zuckerberg.
Bloggertreffen? Times are a changing.
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Voll ist es hier, auch das ist keine echte Überraschung mehr. Meine Social-Media-Timelines laufen gerade komplett über, weil es neben mir noch gefühlte tausende andere für nötig halten mitzuteilen, dass sie jetzt auf der rp18 sind. Das ist natürlich völlig legitim und irgendwie auch schön, aber meine latente Wehmut mit den Kalkscheunen-Erinnerungen wird dadurch nicht besser. Immerhin posten jetzt sogar Leute rp-Bilder, die bis vor zwei Jahren nicht mal wussten, was das ist. Und die vermutlich nur dort sind, weil alle da sind. Das ist die Crux des Erfolges. Und irgendwie wünsche ich mir, dass dieser Erfolg nicht so groß wird, dass die rp irgendwann mal daran erstickt. Man kann auch zu erfolgreich sein. Stelle mir in dem Zusammenhang gerade vor, wie Johnny Häusler Plan B wiederbelebt und dann spielen sie in einer großen Halle ein Konzert mit den schönsten Liedern von Heinz Rudolf Kunze und Peter Maffay. Das Konzert ist übrigens bestuhlt.
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Lustig ist dann in diese Zusammenhang wieder, wie sehr ich mich in meiner kleinen Befürchtung, wir seien auch hier Gefangene einer gigantischen Filterblase, bestätigt fühle. Diese Geschichte mit der Bundeswehr (Details u.a. hier) – das ist schon lustig, dass uns tolerante, freiheits- und debattenliebende Menschen ein paar Soldaten in Uniform derart aus der Fassung bringen können. Ich kann nicht bestreiten, der Bundeswehr dankbar gewesen zu sein für den kleinen Nadelstich, den sie mir da verpasst hat.
Was mich dabei am meisten erstaunt hat: die erstaunlich schlechte Kommunikation der re:publica bei dem Thema und die müden Argumente, die so dringend gegen die Bundeswehr gesprochen haben (Besucher könnten demnach beispielsweise beim Anblick von Uniformen Albträume bekommen).
Bevor das nach Rumgenöle klingt: Natürlich ist der Innenhof wie immer der wunderbarste Treffpunkt, den man sich für drei Tage vorstellen kann. Wie immer gibt es so viel gutes Programm, dass man weiß, man wird es erst in den kommenden Wochen via YouTube komplett abarbeiten können. Es gibt so viele gute Sessions, so viele spannende Gäste, das ist immer noch alles exzellent.
Aber ein bisschen wehmütig darf man ja trotzdem sein, wenn man sieht, was aus uns geworden ist.