Podcasts boomen, smarte Speaker ebenfalls. Nur in vielen deutschen Redaktionen ist alles wie immer in den letzten 20 Jahren: Das Thema Audio nimmt man mittelinteressiert zur Kenntnis, hält man aber trotzdem für irgendwie überschätzt. Read More
Für viele Redaktionen und Journalisten sind neue Formate offenbar nur eine Pflichtübung. Weil man jetzt eben auch Videos machen kann, muss man sie machen. Weil man mühelos Podcasts machen kann, erstellt man auch irgendwas mit Audio. Es ist wie so oft in den letzten 20 Jahren in vielen Verlagen: Die Großen sind vorne mit dabei und machen manchmal auch richtig gute Sachen. Dann gibt es ein paar „First Mover“. Ebenfalls ziemlich in Ordnung, was die produzieren. Und dann? Die träge Masse ist weiter die träge Masse. Podcasts sind überschätzt, Videos aufwändig und nicht refinanzierbar.
Was viele unterschätzen: Sie könnten sich in vergleichsweise immer noch jungen Märkten gut positionieren, gerade im Bereich der lokalen und regionalen Medien. Dort gibt es immer noch verblüffend wenige Angebote im Bereich Multimedia. Man wäre also möglicherweise nicht nur klassischer Marktführer. Sondern man würde zudem noch das Image des ewig Verstaubten irgendwann mal los.
Audios verschicken ist längst Alltag. Nur in Redaktionen nicht.
Zumal gerade die Nutzergewohnheiten der Generation Y keinen anderen Schluss zulassen: Will man irgendwann doch mal an dieses Publikum kommen, geht das nur über Videos und eben zunehmend auch Audios. Aber gerade bei Audios unterschätzen wir Alten immer noch gerne, wie sehr kurze Sprachschnipsel in den Alltag dieser Generation eingedrungen sind. Wer heute noch geschriebene Nachrichten verschickt, ist vermutlich ein alter Mann wie ich. Aber ich lese ja auch noch Nachrichten und wer von der Generation Y (und aus vielen anderen) tut das noch?
Nicht zu vergessen: Smart-Speaker. Klar sind Alexa, Google Home und Siri noch ein Minderheitenprogramm. Aber kaum ein Medien-Markt wächst so schnell wie dieser. Die gute „Alexa“ gehörte vergangene Weihnachten zu den beliebtesten Geschenken weltweit. Alleine in den USA rechnet man 2018 mit einer Absatzsteigerung von über 60 Prozent. Bei den Umsätzen sollen es sogar über 90 Prozent sein.
Da ist es dann schon erstaunlich, wie desinteressiert viele Redaktionen mit dem Thema „Audio“ nach wie vor umgehen. Richtig gute Podcasts gerade auch als Verlagshäusern? Eher Mangelware. Womöglich sogar Skills für Alexa, Anwendungen für Google, Siri? Wenn, dann befassen sich irgendwo in den Hinterzimmern ein paar Nerds damit. Die Redaktionen, die sich ernsthaft damit beschäftigen, lassen sich an einer Hand abzählen.
Geschichte wiederholt sich manchmal doch: Diese Passivität im Umgang mit neuen technologischen Möglichkeiten und neuen Formaten zieht sich wie ein roter Faden durch die mäßig erfreuliche Geschichte der deutschen Medien-Digitalisierung.
Das ist auch eine Frage der Geisteshaltung. Und die ist, entgegen aller Beteuerungen, oft immer noch so: nur nix überstürzen mit diesem neuen Kram. Dabei sehen wir gerade beim Thema Audio, wie sich die bisherigen Ordnungen verschieben. Podcasts gibt es bei Anbietern wie Spotify und Apple. Keineswegs nur das recycelte Material ohnehin ausgestrahlter Sendungen. Sondern eigene Formate. Und damit in vielen Fällen Sachen, die weitaus besser sind als das, was die bisherigen Anbieter im Portfolio haben.
Dabei geht es keineswegs um das Auch-irgendwie-Dabeisein. Es geht um nichts anderes als die Mediennutzung der Zukunft. So wie die tägliche Information auf Papier jeden Tag weiter an Bedeutung verliert, so tun es auch lineare Audio- und Videoformate. Das wäre eine echte Chance, gerade für Verlage. Aber da freuen sich viele immer noch darüber, dass sie mittlerweile den Sprung ins E-Paper-Zeitalter geschafft haben.
Hmm, tausche „Audio“ gegen „Snapchat“, und der Text hätte genau so vor zwei Jahren erscheinen können ?