Zugegeben, bis vor kurzem wusste ich nicht mal, wo Ibbenbüren liegt. Dass man dort einen der spannendsten Ansätze für Regionalzeitungen überhaupt finden kann, hätte ich mir in dieser Form nicht vorstellen können. Aber tatsächlich ist das, was die „Ibbenbürener Volkszeitung“ da gerade macht, eine der wenigen Dinge, bei denen ich mir denke: So könnte man die gute alte Zeitung vielleicht doch noch halbwegs erfolgreich in die digitale Zukunft bringen. Read More
Die Idee der IVZ ist die: User können künftig das Blatt auch ressortweise abonnieren, sogar im Lokalen. Statt 39,80 Euro für das Vollabo werden dann 3,90 Euro pro Themenwelt fällig.
Das vielleicht größte Manko von Regionalzeitungen ist ja bisher das: Man muss das ganze Paket kaufen. Nichts dagegen, wenn man das machen will. Aber wenn man muss, wenn es also das ganze Produkt nur in einer einzigen Form gibt, dann ist das im digitalen Zeitalter problematisch. Weil es Digitalmenschen gewohnt sind, sich Medien so zurechtzulegen, wie sie gerade mögen. Und auch deshalb, weil die Regionalzeitung ihre größte Stärke in den bisherigen Konstrukten kaum ausspielen kann: Das Lokale kommt häufig irgendwo unter ferner liefen, oft genug erst dann, wenn auch das Feuilleton und die Börsenkurse abgefeiert worden sind.
Und auch das Lokale gibt es wie selbstverständlich nur im Ganzen. Damit dürften viele Regionalzeitungen zu den letzten Medien gehören, die man komplett kaufen muss, um sie dann gegebenenfalls in nur kleinen Teilen zu konsumieren. Dass der durchschnittliche Tageszeitungs-Leser gerade mal 20 Minuten mit seiner Zeitung verbringt, ist ein Beleg dafür: Der größte Teil wird überblättert oder erst gar nicht gelesen.
Das hat früher leidlich funktioniert, weil man es nicht anders kannte. Aber heute? Im Zeitalter der Total-Personalisierung, der Filterblasen und des medialen Überflusses?
Auch im Lokalen interessieren sich die Leser nicht automatisch für alles
Das Ibbenbürener Modell gehört zu den ganz wenigen in Deutschland, das diesem komplett geänderten Nutzerverhalten Rechnung trägt. Es verabschiedet sich von der Idee, dass auch der Leser des Lokalteils alles abonnieren muss. Dabei sind die Blasen, in denen sich die lokalen Nutzer aufhalten, deutlich kleiner als andere. Man interessiert sich für ein Viertel, für einen Ort, ein paar Vereine, das war es dann schon. Was im Nachbarort los ist, ist in den meisten Fällen eher unwichtig. Und der Fußballer will nicht unbedingt wissen, wie sich die örtlichen Kegler am Wochenende geschlagen haben oder wie die Osterfeier des Frauenbundes verlaufen ist.
Eine Lokalzeitung also, die sich bis in kleinste Ressorts skalieren und abonnieren lässt. Eine, die jetzt nicht mehr zwingend stolze 40 Euro im Vollabo kosten muss, sondern die man auch für ein paar wenige Euro pro Themenwelt kaufen kann, das klingt so einleuchtend, dass man sich schon wieder wundern muss, warum das nicht noch viel mehr Verlage machen.
Eine Antwort könnte sein: Weil man sich dazu erst einmal vom Gedanken der eigenen Unersetzlichkeit und der eigenen Bedeutung verabschieden muss. Die „Rhein-Zeitung“ in Koblenz beispielsweise wurde noch vor gar nicht so langer Zeit dafür gefeiert, dass sie eine harte Paywall installiert und versucht hatte, die publizistische Basta-Haltung durchzusetzen: Take it or leave it! Nachdem bei den meisten Lesern der Regionalzeitungen die Tendenz eher zu „leave it“ geht, schadet es nicht, eher nach Ibbenbüren als nach Koblenz zu schauen.