Bernhard Pörksen hat eine erstaunliche Karriere hingelegt, gemessen daran, dass er Professor ist. Während andere aus seinem Berufsstand vor allem großartig darin sind, mit akademischer Attitüde und Schachtelsätzen Leser zu Tode zu langweilen, ist Pörksen inzwischen zu einem digitalen Welterklärer geworden. Eine Art Sascha Lobo in seriös und ohne Iro (dafür aber, zugegeben, nicht immer ganz so witzig wie Lobo). Read More
Pörksen ist zudem einer, der wunderbar unaufgeregt ist, der die Mitte zwischen den Netz-Extremen findet, auf der re:publica genauso überzeugend wirkt wie in einer nächtlichen Sendung des BR. Und: Er gehört keiner Szene an, ist komplett unideologisch und verzichtet auf die quälende Selbstinszenierung, mit der der eine oder andere Netzapostel das Netz jeden Tag ein bisschen nerviger macht.
Das alles muss man erst einmal erzählen. Um klarzumachen, warum Pörksen vermutlich der am besten geeignete Autor für ein Buch über Empörungsdemokratie ist. Würde sich Pörksen täglich mit dem Unfassbar-Unglaublich-Unwählbar-Vokabular des prototypischen Netzapostels inszenieren, er hätte ein Glaubwürdigkeitsproblem.
So aber beschreibt Pörksen in seinem aktuellen Buch „Die große Gereiztheit“, warum so viele so gereizt sind. Warum aus einer harmlosen Debatte so schnell Aufgeregtheit wird. Im Gegensatz zu seiner Münchner Kollegin Sarah Diefenbach („Digitale Depression“, „Es war doch gut gemeint“) geht es Pörksen dabei aber weniger um die Auswirkungen auf jeden einzelnen. Sondern darum, was diese Daueraufgeregtheit und die zunehmenden Desinformationen dauerhaft mit unserer (Medien-)Gesellschaft so anstellen.
Das ist ziemlich interessant zu lesen. Ein wenig schwächelt das Buch bei Pörksens Schlussfolgerungen: Mehr Medienkompetenz – und die Entwicklung hin zu einer Art Redaktionsgesellschaft. Ersteres ist natürlich vollständig richtig, haben aber neben Pörksen schon ungefähr 300 andere Autoren gefordert. Und eine Gesellschaft, die gemeinsam redigiert, verifiziert, debattiert? Klingt sehr verlockend. Muss man aber nach der vorerst gescheiterten Utopie eines Netzes, das für mehr Demokratie und Freiheit sorgt, nicht unbedingt für sehr realistisch halten. Zumindest im Moment nicht.
Ok, der letzte Absatz war jetzt klassisches Journalistengemäkel. Das sollte Sie aber auf gar keinen Fall davon abhalten, dieses Buch zu lesen.