Wie sehen Medienmacher auf der ganzen Welt ihre Zukunft, genauer gesagt: das Jahr 2018? Kurz zusammengefasst: eher skeptisch. Weil den meisten von ihnen dämmert, dass sie die ganze Sache mit der Digitalisierung und dem Medienwandel etwas arg nachlässig angegangen sind. Read More
Doch, auch wenn es nervt, man muss das an dieser Stelle leider nochmal so sagen: Wirklich überraschend kommt das alles ja nicht. Wenn man sich über einen längeren Zeitraum, sagen wir so ungefähr 20 Jahre, mit dem Medienwandel befasst hat, dann weiß man schon länger: Der Punkt, an dem die ganze Sache kippt und eine vormals analoge Welt komplett digital wird, der wird kommen. Und wer sich an die ganzen Debatten dieser knapp zwei Jahrzehnte erinnert, der weiß auch, dass sich das digitale Lager meistens an den Fragen nach den richtigen Zeiträumen oder den aktuellen Hypertrends abgearbeitet hat. Nie aber an der grundsätzlichen Geschichte. Schließlich ist es am Ende eher nebensächlich, ob die komplett digitale Medienwelt nun in fünf oder zehn Jahren Realität ist.
Das (nennen wir es mal so) analoge Lager hat das immer negiert und tut das teilweise immer noch. Was gab es in dieser Zeit nicht für hübsche Begründungen. Eine Zeit lang stand die Sache mit der Haptik mal hoch im Kurs, dann wieder die fragwürdige Theorie, dass noch nie ein neues Medium ein altes verdrängt habe. Tief in den hintersten Winkeln des Gedächtnisses ruht bei mir auch noch die Behauptung, niemand wolle am Abend noch irgendwas mit Computern nutzen, wenn man den ganzen Tag im Büro schon in eine solche Maschine gestarrt habe.
Das „Reuters Institute“ hat deshalb nachgefragt, bei knapp 200 Medienmachern aus der ganzen Welt: Was haben wir denn nun zu erwarten von 2018 (und der näheren Zukunft)? Die Ergebnisse zeigen vor allem eins: Die Erkenntnis, so langsam echt mal in den Quark kommen zu müssen, ist inzwischen fast überall angekommen. Den Medienwandel, den gibt es nämlich wirklich. Er ist nicht nur in den spinnerten Hirnen einiger Nerds entstanden.
Bleiben zwei Fragen. Erstens: wie? Und zweitens: Könnte es sein, dass diese Erkenntnis in etlichen Fällen schlichtweg zu spät kommt?
Die Sorgen werden größer
So langsam reift die Erkenntnis: Vor allem bei dieser Sache mit den sozialen Netzwerken haben sich viele grandios verschätzt. Das besonders Interessante daran: Beide Lager haben sich verrannt, sowohl die Netz-Skeptiker als auch die Social-Media-Euphoriker. Was sie eint: Beide Seiten müssen feststellen, dass soziale Netzwerke eine ungeahnte Macht bekommen haben. Beide bisher bekannten Strategien nutzen nichts. Weder hilft es, die Netzwerke zu ignorieren und so zu tun, als seien sie einfach nicht da. Oder wenigstens nicht relevant. Genauso wenig hat es sich als hilfreich erwiesen, sich ihnen auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Bisher jedenfalls ist mehr Verderb als Gedeih dabei herausgekommen.
Schönstes und aktuellstes Beispiel: Da dreht einmal Mark Zuckerberg am Facebook-Algorithmus und schon hat man es mit etlichen hyperventilierenden Medienmenschen zu tun. Zwar erscheinen nach solchen Momenten immer noch die routinierten Pressemeldungen beispielsweise des BDZV, der dann postuliert, dass es so einfach nicht gehe. Dummerweise geht es aber dann doch so. Weil Mark Zuckerberg und Google und all den anderen deutsche Zeitungsverlegerverbände und vieles andere eher egal sind.
Deswegen stehen Medienmacher aus der ganzen Welt jetzt zu Beginn des Jahres 2018 konsterniert da und stellen fest, dass die Macht der Netzgiganten tatsächlich noch viel, viel größer ist, als man das eigentlich ohnehin schon befürchten musste. Und egal, was sie machen werden – das Risiko, dass man scheitert, ist immer mit dabei.
Interessanter Nebenaspekt: De Mehrheit der Befragten stehen Facebook und Snapchat am skeptischsten gegenüber. Twitter und Google hingegen kommen etwas besser weg.
Ein paar Große sind beim Medienwandel gut unterwegs, für den Rest wird es schwierig
Schaut man sich die Aktivitäten und auch die Zahlen großer Medienunternehmen auf der Welt an, dann sieht die Lage vordergründig gar nicht so schlecht aus: Digitale Multichannel-Strategien etablieren sich gerade als Standard. Ganz egal, ob eine „New York Times“, der „Guardian“ oder die „Zeit“: Das Publizieren auf den unterschiedlichsten Kanälen ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Wobei mit Publizieren tatsächlich Publizieren gemeint ist. Vorbei sind die Zeiten, in denen Digital-Aktivitäten zum größten Teil entweder Übernahmen aus dem analogen Kerngeschäft oder Teaser für die Zeitung oder den Sender waren.
Das allerdings gilt häufig nur für die großen Unternehmen. Auf dem Weg der digitalen Transformation sind sie häufig schon ganz gut unterwegs.
Ganz anders sieht es dagegen bei kleinen oder mittelgroßen Unternehmen aus. Da klafft mittlerweile eine beträchtliche Lücke. Eine Lücke, zudem, die immer größer wird. Digitale Transformation heißt dort häufig, dass man irgendwie versucht, die wichtigsten Trends der Digitalisierung mitzunehmen. Innovationen? Meistens ein Fremdwort.
Das sehen auch die für die Studie befragten Medienmacher mehrheitlich so. Sie sprechen von großen Unternehmen, die die Digitalisierung gut hinbekommen. Und vom Rest, der in immer größere Probleme kommt. Bricht man diese These auf Deutschland herunter, kommt man zu ähnlichen Ergebnissen. Gerade für kleinere und mittelgroße Verlage und Sender wird es immer schwieriger, mit dem rasenden Umbruch Schritt halten zu können.
Das macht es übrigens auch so schwer, pauschal beispielsweise von „den Verlagen“ zu sprechen. Zwischen einer „Zeit“ und einer „Süddeutschen“ und einem Regionalblatt in Niederbayern herrschen mittlerweile derart große Unterschiede, dass man sie besser nicht in einen Topf werfen sollte, will man die Lage der Zeitungen beurteilen.
Eine Branche, die sich mit Umbrüchen schwer tut
Erstaunlich offen und selbstkritisch zeigen sich die befragten Medienmacher, wenn es um die Ursachen der Probleme geht. Überspitzt zusammengefasst: Zu einem beträchtlichen Teil sei man an der aktuellen Lage selbst schuld. Unwillen zu Veränderung und Unfähigkeit zur Innovation werden mehrheitlich als die größten Probleme ausgemacht. Dem kann man, ist man ehrlich, kaum widersprechen. In vielen Häusern herrscht inzwischen ein technologischer und auch inhaltlich-journalistischer Rückstand, den man vermutlich erst nach Jahren intensiver Arbeit aufholen kann -wenn überhaupt.
Packt man zu dieser Erkenntnis noch die These hinzu, dass es die kleinen und mittleren Häuser sind, die sich mit der Digitalisierung schwer tun, dann ist es nicht sehr gewagt, wenn man vor allem für die Regionalzeitungen in Deutschland für 2018 eine eher düstere Prognose aufstellt. Nicht, weil man mit spektakulären Zusammenbrüchen rechnen müsste, im Gegenteil. Rein zahlentechnisch dürfte dieses Jahr wieder ordentlich ausfallen. Das Problem ist eher ein mittelfristiges: Der digitale Umbruch nimmt immer mehr an Fahrt auf. Wer sich aber, wie zu befürchten ist, weiter entspannt nach hinten lehnt, den wird die Realität eher früher als später einholen.
Prognose: Bis 2025 werden wir die Konsequenzen dessen mit aller Wucht erleben.
Ohne Journalismus keine Strategie
Es gab die Tage noch eine interessante Erhebung. Kernpunkt, stark verkürzt: Man vertraut den etablierten Medienunternehmen in Deutschland nur so mittelgut. Allerdings: Den sozialen Netzwerken vertraut man noch sehr viel weniger. Das ist wenig überraschend. Weil selbst Menschen, die sich generell eher mit Medien befassen, eine leise Ahnung haben, dass man mal besser nicht alles glaubt, was bei Facebook steht. Das muss noch nichts bedeuten, schon klar. Menschen wählen Trump oder auch nur die AfD, obwohl sie wissen, dass nicht alles, was von denen kommt, immer auf Fakten basiert. Kurz gesagt: Der den etablierten Medien abgewandte und Facebook-basierende Mensch nimmt eher eine (Protest)-Haltung ein, als dass er ernsthaft sich über Gott und die Welt schlau machen will.
Andersrum heißt das: Will man diese aktuell etwas durcheinander geratene Welt wieder einigermaßen hinbekommen, dann gehört dazu ganz viel Investition in guten Journalismus. In Menschen, die Fakten checken, die versuchen, der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Und die dem ganzen Unfug, der immer wieder in sozialen Netzwerken erzählt wird, jeden Tag aufs Neue entgegentreten.
Das ist mühsam und kaum von kurzfristigem Erfolg begleitet, schon klar. Aber es ist immerhin eine Strategie. Eine, die vielversprechender ist als das atemlose Hinterherhecheln hinter jedem noch so kurzfristigen digitalen Trend und der leicht irren Idee, man müsste einfach nur alles, was man hat, irgendwo bei Facebook posten.
So gesehen muss man Mr. Zuckerberg fast schon wieder dankbar sein darf, dass er ungewollt aufgezeigt hat, wie unsinnig diese Idee schon immer war.