Bei Facebook haben sie etwas Ungeheuerliches gewagt. Könnte man zumindest glauben, wenn man die aktuellen Reaktionen deutscher Medien und des BDZV so anschaut. Der Algorithmus wird also nun tatsächlich geändert, Inhalte klassischer Publisher dürften demnach erheblich an Bedeutung verlieren. Dabei rächt sich jetzt nur, dass etliche Redaktionen es in den vergangenen Jahren versäumt haben, eine echte Social-Media-Strategie zu entwickeln. Wer sich sklavisch an einen Kanal kettet, sollte sich hinterher nicht wundern…Read More
Der BDZV, der sich mit den öffentlich-rechtlichen Sendern und Google schon ein paar Mitschuldige an der Printproblematik herausgesucht hat, war schnell zur Stelle. Mit dem nächsten Mitschuldigen, der jetzt Facebook heißt. Der BDZV beklagt sich über die dominante Stellung Facebooks und fordert das, was er immer fordert, wenn er Zeitungen bedroht fühlt: Regulierungen. Der BDZV nennt das leicht verschwurbelt „Maßnahmen zur Sicherung der Plattform- und Suchmaschinen-Neutralität“. Was eine Änderung des Algorithmus mit Plattform- und Suchmaschinen-Neutralität zu tun haben soll, wunderte nicht nur den geschätzten Wolfgang Blau bei Twitter. Aber vermutlich ist es ohnehin nur noch eine Frage der Zeit, wann der BDZV-Chef die verbale Nordkorea-Keule schwingt.
(Nebenbei bemerkt ist es schon interessant, wen und was alles der BDZV inzwischen regulieren lassen will: Suchmaschinen, soziale Netzwerke und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Lösung für die Probleme des einen oder anderen Verlags kann man in soviel Regulierungswut aber nur schwer erkennen. Und wie man auf eine Formulierung kommt, es müsse sichergestellt werden, dass die Angebote der Zeitungen gut gefunden werden, wissen die Götter. Warum nicht dann auch die Angebote der Radiostationen, Fernsehsender und hey, aller Medienblogger?? Und müsste man dann nicht auch Snapchat, Twitter und Instagram und WhatsApp gleich mit einbeziehen? Und Amazons Alexa? Sieht man mal davon ab, dass es wenig realistisch ist, wenn deutsche Verlage ein amerikanisches Unternehmen dazu nötigen wollen, den Algorithmus so anzupassen, dass die Verlage auch zufrieden sind. Ende des Einschubs. )
Wenn ich mal erwachsen bin, will ich das hier verstehen können. Was hat der Sachverhalt mit Suchmaschinen- oder Platformneutralität zu tun? pic.twitter.com/0zGUNf1QHn
— Wolfgang Blau (@wblau) January 12, 2018
Ein paar Sachen an der aktuellen Aufregung sind aber dann doch erstaunlich.
Die erste: Man hätte das ja kommen sehen können. Zumindest in den letzten Monaten. Wer die Äußerungen Mark Zuckerbergs und die Unternehmenspolitik Facebooks ein wenig mitverfolgt hat, der sollte registriert haben, dass das Netzwerk seine Zukunft kaum als Publishing-Plattform für Medienunternehmen sieht. Das hat einen simplen Grund: Die User tun das auch nicht. Die Tatsache, dass es inzwischen eine ganze Reihe von Menschen gibt, die sich ihre Nachrichten bei Facebook holen, ist eher ein Nebenbei-Effekt. Wenn man denn schon da ist, dann kann man auch mal einen Blick auf Nachrichten werfen.
Aber ansonsten? Medien sind nicht der eigentliche Grund, warum sich jemand in sozialen Netzwerken rumtreibt (außer vielleicht für Medienschaffende). Das ist nicht nur bei Facebook so. Auch Snapchat lernt da gerade ein paar bittere Lektionen und die ganzen Medienleute, die eben noch meinten, ohne Snapchat gehe der Journalismus den Bach runter, hoffentlich auch. Die Zahlen jedenfalls sind eindeutig. Und wenig überraschend zugleich. Snapchat ist für die Nutzer in erster Linie immer noch das, was auch im Namen steht: ein Tool für einen Chat.
Genauso ist Facebook aus Nutzersicht in erster Linie ein virtueller Treffpunkt mit Freunden und solchen, die sich dafür halten. Journalismus ist immer noch Journalismus. So, wie man sich im echten Leben beim Treffen mit Freunden vielleicht auch mal über Politik unterhält. Aber man trifft sich nicht hauptsächlich mit Freunden, um der Politik zu reden (außer vielleicht ein paar Medienschaffende).
Einfach alles auf Facebook posten, ist noch keine Social-Media-Strategie
Zum zweiten: Egal, in welcher Branche, Unternehmen sollten sich nicht zu sehr von einzelnen Faktoren abhängig machen. Wenn nämlich dann beispielsweise der eine Großkunde, auf den man sich konzentriert, Schnupfen bekommt, hat man selbst schnell eine ausgewachsene Grippe. Das ist keine allzu neue und bahnbrechende Erkenntnis. Trotzdem haben viele Medienhäuser in den vergangenen Jahren genau das getan: eine Social-Media-Strategie entwickelt, die im Wesentlichen darauf basiert, dass man mit Facebook einen neuen Kanal hat, der ordentlich Reichweite bringt.
Dahinter steckte auch ein gutes Stück Bequemlichkeit. Medien sind hat nun mal künftig homeless und Facebook ist furchtbar mächtig, was will man machen? Natürlich weiß ich auch, was ein Netzwerkeffekt ist. Und dass es naiv wäre zu glauben, man könne mal eben gegen die Großen der Branche anstinken. Die Träume vom europäischen Google gibt es ja auch immer wieder; mit denen hat schon Frank Schirrmacher begonnen und momentan werden sie von BR-Intendant Ulrich Wilhelm weitergesponnen.
Doch darum geht es nicht. Das ist im Übrigen auch dem Nutzer egal, der sich in den meisten Fällen kaum dafür interessiert, ob sein Google aus den USA oder aus Europa kommt. Stattdessen wäre es spätestens jetzt für viele Häuser höchste Zeit, sich aus dieser einseitigen Orientierung an Facebook zu lösen. Das war nie eine Strategie und wird auch keine mehr werden.
Stattdessen wiederhole ich mich an dieser Stelle hier gerne: Wenn man Journalismus gerade im Lokalen/Regionalen auch als Community versteht und entsprechend betreibt, dann funktionieren Mikro-Gemeinschaften möglicherweise sehr viel besser, als wenn man seine Inhalte planlos Facebook hinterherwirft. Schon klar, dazu müsste man seine ganzen Redaktionen und sein ganzes Grundverständnis von Journalismus hinterfragen. Weil so, wie es bisher oft läuft, Facebook und die ganze vermeintliche Idee von Social Media eher ein Feigenblatt ist: Seht her, wir machen ja was, wir sind bei Facebook!
Homeless Media heißt nicht: totaler Idenditätsverlust
Und schließlich: Spätestens, seit es den Begriff Homeless Media gibt, haben nicht ganz wenige Menschen etwas durcheinandergebracht. Natürlich müssen Medien und ihre Inhalte auf vielen Kanälen erreichbar sein. Natürlich müssen wir (Achtung, jetzt kommt ein ganz alter Hut) da sein, wo die Menschen sind. Sie wissen schon , die Nutzer abholen und solche Sachen. Aber das bedeutet nicht, dass wir als Journalisten und Redaktionen unsere Identität, unsere Marken aufgeben. Und dass wir uns selbst zum Dienstleister von Facebook degradieren. Wer wirklich heimatlos ist, wird schnell auch gesichtslos.
Also, holen wir uns erst mal unsere Heimat zurück – und erst dann gehen wir raus und erzählen unsere Geschichten sehr gezielt auch dort.
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