Videos? Kann man schon mal machen. Irgendwann und eher nebenbei. So hört man das gerne mal aus Redaktionen. Dabei gehört das Thema Video schon jetzt zur Grundausstattung jeder Redaktion, jedes Journalisten. Sollte es zumindest. Read More
Nach diesem Beitrag hier hatte ich eine interessante Twitter-Debatte mit Stefan Bergmann, dem Chefredakteur der „Emder Zeitung“. Weil Debatten, speziell solche über die Medienzukunft, gerne etwas ausufern, landeten wir am Ende beim Thema Video. Bergmann vertrat u.a. die These, dass die Zeitungen, die möglicherweise in den kommenden Jahren in Bedrängnis geraten, dies nicht tun, weil sie zu wenig (Smartphone-)Videos gedreht haben. Sondern eher aus anderen Gründen. Beispielsweise: mangelnde Relevanz. Das würde ich zwar sofort so unterschreiben. Trotzdem: Ich kann mir jetzt und in Zukunft keine Redaktion mehr vorstellen, die sich nicht intensiv mit dem Thema Video auseinandersetzen müsste.
Video? Das war für Verlage lange Zeit eine Sache, mit der sie sich bestenfalls am Rande beschäftigen mussten. Das ändert sich gerade: Videos werden zum alles beherrschenden Stilmittel in der digitalen Welt. Wer keine Videos hat – hat ein Problem…
Video ist alles. Alles ist Video. Egal, ob mit den etablierten Livestream-Angeboten von sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter oder mit irgendwas Anderem: Künftig werden wir es mit einer ganzen Reihe von Anwendungen zu tun haben, die jederzeit on air gehen können, um die Wirklichkeit live zu streamen oder für später aufzubereiten.
Kleines Beispiel, wie weit das schon fortgeschritten sind: Als die Bundeskanzlerin während des Wahlkampfs 2017 Ludwigshafen besuchte, brachte es der Stream bei Facebook auf über 100.000 Abrufe. Das sind dann immer die Momente, in denen mir dämmert: Die User sind häufig weiter als die Redaktionen. Schließlich gibt es nicht wenige, die erstens nicht wissen, wie so etwas geht. Und die zweitens eher grundsätzlich der Meinung sind, dass es solches Live-Gedöns doch gar nicht braucht. Immer wieder verblüffend, wie groß dieses Gap zwischen Journalisten und Usern inzwischen geworden ist.
Bewegtbild ist kein Gimmick für technikverliebte Nerds. Video wird vielmehr das Fenster in die Welt und geht weit über das hinaus, was das Fernsehen bewirken konnte. Web-Video ist keine Kunstwelt. Videos sind essentieller Bestandteil von nahezu allen sozialen Netzwerken. Facebook, Twitter oder Snapchat ohne Video? Undenkbar. Kommunikation ohne Video? Schwer vorstellbar.
Video in sozialen Netzwerken
Dazu kommt: Die Bedeutung von sozialen Netzwerken für Medien steigt mittlerweile ins Unermessliche. Und dort wiederum gilt: Video first! Ob Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat sowieso: Videos sind das Tool schlechthin geworden, um im sozialen Netz Geschichten zu erzählen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen.
Grund Nummer eins sind die User selbst. Man kann das natürlich bedauern, ohne dass es etwas bringen würde. Tatsache ist nur: Gerade jüngere Nutzer denken in Videos. Sie suchen nicht mehr bei Google nach Texten zu einem bestimmten Thema, sondern nach Videos und Tutorials. Ihre Statusmeldungen sind zunehmend mehr keine Textpostings mehr, sondern kurze Videoschnipsel. Und wenn sie bei Inhalten einen Text oder ein Video vorgesetzt bekommen, ist die Entscheidung im Regelfall auch klar…
Grund Nummer zwei: Branchenriese Facebook setzt bei seinem Algorithmus unverkennbar auf Bewegtbild als wichtigsten Inhalt. Beiträge mit Videos werden bevorzugt ausgespielt. Was umgekehrt bedeutet, dass inzwischen der Verzicht auf Videos gleichbedeutend mit einem Verzicht auf Reichweite ist.
Schöne neue Videowelt: Das erfordert für Verlage ein komplettes Umdenken. Neue Strukturen, neue Strategien, neue Workflows.
Und vor allem: ein grundlegendes Verständnis für das Thema Bewegtbild. Weil Videos eben doch mehr sind als nette Anhängsel an einen Text.