Gemessen an vielen anderen Gesellschaften geht es uns in Deutschland prächtig, wenn es um das Vertrauen in Medien geht. Und um einen gemeinsamen gesellschaftlichen Konsens. Der Digital News Report 2017 des Reuters Institute kommt jedenfalls zu dem Ergebnis, dass sich in Deutschland vieles in der Mitte abspielt. Dass es eine Polarisierung wie beispielsweise in den USA oder neuerdings auch in Großbritannien nicht gibt. Und dass Populismus trotz einer AfD in Deutschland immer noch nicht sehr salonfähig ist. Read More
Die Stabilität dieser Gesellschaft zeigt sich beispielsweise in der Einschätzung des Reports, wie weit links oder rechts die Medien in Deutschland einzuschätzen seien. Demnach verortet Reuters Zeit Online vergleichsweise weit links, Bild und N24 eher rechts – aber beide trotzdem ziemlich nah der Mitte. Dort wiederum sehen sich nach eigener Einschätzung nahezu alle Deutschen. Eine sehr weite Streuung findet nicht statt. Und demnach sind sich die User von N24.de und Zeit Online gar nicht mal so unähnlich in ihren politischen Grundhaltungen. Zumindest nach eigenen Einschätzungen nicht.
Natürlich ist das alles relativ. „Links“ und „rechts“ sind dehnbare Begriffe – und was ist schon Mitte? Aber zum einen ist es schon bemerkenswert, wie wenig die Deutschen zu radikalen Auffassungen neigen. Zum anderen zeigt der Vergleich beispielsweise mit den USA oder Großbritannien, wie nahe sich die Deutschen sind bzw. wie weit die Polarisierung in anderen Ländern bereits geht:
Sowohl in den USA als auch in Großbritannien zeigt sich, dass sich das politische Spektrum an die Ränder ausweitet. Und dass es sowohl am linken als auch am rechten Rand inzwischen auch die entsprechenden Medien gibt.
Beides ist in Deutschland bisher nicht der Fall. Bezeichnend dafür ist tatsächlich, wenn Angebote wie Zeit Online und N24 die „Ränder“ des politischen und publizistischen Spektrums markieren. Man darf von beiden halten, was man will. Aber ganz sicher stehen sie nicht unter dem Verdacht, auch nur im Ansatz radikale Ansichten zu vertreten. Deswegen sieht die Skizze für Deutschland ganz anders aus – und wird vom Reuters Institute auch als entsprechend ungewöhnlich bezeichnet („Finally, we find a very different picture in Germany where all the media brands are clustered around the centre.“):
Und auch diese Zahl bestätigt schließlich, dass die Polarisierung der Gesellschaft in Deutschland bei vergleichsweise bescheidenen Werten liegt: der so genannte „Polarisation Score“. Dabei liegt, wenig überraschend, die USA an der Spitze, in Deutschland hingegen kann gemessen daran von einer Polarisierung kaum die Rede sein.
Was genau dabei Ursache und Wirkung sein soll, darüber lässt sich debattieren. Sicher aber ist: Die Mediennutzung in Deutschland ist im internationalen Vergleich immer noch eher konventionell. Das Wachstum von sozialen Netzwerken ist, zumindest als News-Quelle, vorerst zum Erliegen gekommen. Wenn es um klassische Information geht, trauen die Deutschen immer noch am meisten dem guten alten Fernsehen (und da wiederum bevorzugt den Öffentlich-Rechtlichen, allem Lügenpresse-Geschrei zum Trotz).
Der deutsche konsumiert immer noch eher konventionell
Allerdings: Online-Medien liegen bereits auf Platz 2, die Kurven von Online und TV nähern sich sehr, sehr langsam an. Print-Medien hingegen verlieren mittlerweile beinahe schon dramatisch an Bedeutung. Und Social Media? Verliert, zumindest als News-Quelle. Möglicherweise ist auch das ein Grund dafür, warum die postfaktischen Phänomene aus anderen Ländern in Deutschland kaum ausgeprägt sind.
In konkreten Zahlen: Marktführer Facebook wird von 25 Prozent der Deutschen als Newsquelle genutzt; das ist ein Rückgang von zwei Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Erhebung. YouTube und WhatsApp legen leicht zu, Twitter stagniert, Snapchat taucht erst gar nicht auf. Woraus man nicht schließen darf, dass man als Journalist auf soziale Netzwerke fortan verzichten darf. Nur ist klar erkennbar, dass der Durchschnitts-Deutsche immer noch sehr viel konventioneller und analoger seine Medien konsumiert, als man sich das in der digitalen Filter Bubble vielleicht vorstellen mag.
Trotzdem, und das ist die eigentlich gute Nachricht: In Deutschland deutet nicht sehr viel darauf hin, dass wir in absehbarer Zeit amerikanische Verhältnisse bekommen. Für radikale Positionen, Populismus, Verschwörungstheorien und „alternative“ Medien in sozialen oder anderen Netzwerken hat er anscheinend nicht so viel übrig, der Deutsche.
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