Ein leerer Innenhof, gefühlte Kälte drinnen und draußen und wie immer ein Programm, das eigentlich viel zu gut ist um wahr zu sein: Notizen vom ersten Tag der Re:publica. Read More
Die Zeiten waren schon mal netter im Netz. Vermutlich waren sie das auf der ganzen Welt schon mal. Es gab schließlich, man erinnert sich kaum, Tage, an denen das größte Problem war, ob man jetzt Merkel oder doch irgendwas von der SPD als Kanzler haben will.
Mit der Idee, ein erratischer Bauunternehmer aus New York könne Präsident werden, hat an sich da noch nicht beschäftigt. Und dass man sich ernsthaft aufatmend darüber freut, wenn eine bekennende Nationalistin, Rassistin und Europa-Hasserin bei der Präsidentschaftswahl nur 35 Prozent der Stimmen bekommt, war da auch noch nicht absehbar.
Es ist also ziemlich laut und manchmal unangenehm und insofern auch nicht verwunderlich, dass auch bei der re:publica auf dieses Kälteklima reagiert wird. Thematisch sowieso und passenderweise ist es auch draußen so kalt wie noch nie zu rp-Tagen. Da rückt man, – Symbol, Symbol! – einfach enger zusammen. Inhaltlich gibt es stehende Ovationen beispielsweise für Can Dündar und eigentlich alle, die von Freiheit, Courage und Wärme sprechen. Auf dem Gelände steht man diesmal auch etwas enger zusammen und vor allem: weniger draußen. Weil es ist, wie gesagt, kalt geworden, in Berlin und im Netz.
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Natürlich kann eine re:publica in diesen Tagen am großen Thema „Fake News“ nicht vorbei, nicht mal dann, wenn es doch eigentlich per Definition eine flauschige Veranstaltung werden soll. Das war dann auch der Grund, warum Claus Kleber dann im Jahr 2017 seinen ersten rp-Auftritt hatte. Gemessen an der Prominenz des Namens bekam er dann auch Stage 2, die so voll war, dass selbst 10 Minuten vor Schluss noch Schlangen draußen standen und auf Einlass warteten. Und wie das so ist mit prominenten Namen (selbst auf der rp17, wo es von solchen Namen hinreichend viele gibt): Die anderen auf der Bühne, darunter die heute+-Moderatorin Eva Lemke, waren Staffage für Kleber. Letzterer legte einen Auftritt hin, der auf der einen Seite nicht clauskleberiger hätte sein können.
Auf der anderen Seite zeigte er aber auch, dass zum Thema Fake News nicht mehr allzuviel zu sagen ist, was ja keineswegs eine schlechte Nachricht sein muss. Also sagte Kleber, was man hat so sagt: dass es von Größe und Souveränität zeuge, wenn man zu Fehlern stehe und sie entsprechend korrigiere. Dass es zwei Minuten dauere, um eine Fake News in die Welt zu setzen und drei Tage, um sie wieder zu beseitigen. Solche Sachen halt, die alle richtig sind, aber eben auch keine wirklich neuen Erkenntnisse. Aber das darf man ja nun auch nicht immer erwarten, nicht mal von Claus Kleber und der republica. Und spannende wie unterhaltsame Geschichten erzählen kann er ja – dafür setzt man sich dann auch mal in eine hoffnungslos überfüllte Session mit schlechtem Licht, sehr mäßiger Akustik und einer „Bühne“, bei der man ab der 10. Reihe nur noch ahnen konnte, dass das da vorne wohl der Herr Kleber sein muss.
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Was die Rahmen- und sonstigen Bedingungen angeht, trifft das alles auch auf den Klassensprecher Sascha Lobo zu, der dieses Jahr eindeutig einer seiner besseren rp-Ansprachen an die die Gemeinde gehalten hat. Eine dieser Reden, wie sie nur Sascha Lobo halten kann. Man weiß dann wieder, wieso der Kerl ganze Säle füllen kann. Das ist zwar auch keine ganz neue Erkenntnis, aber es schadet ja nicht, wenn man sich ab und zu noch mal vergewissert, dass es schon seine Ordnung hat, wenn die Netzgemeinde andächtig wartend auf Stage 1 versammelt ist.
Aber klar, natürlich gehört es auch zu den angenehmen Routinen der re:publica, dass man montags zum Lobo geht. Man geht ja auch Weihnachten in die Kirche, selbst wenn man es mit der Kirche sonst vielleicht gar nicht so hat.
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Wie man überhaupt feststellen muss: Die Klagen vom letzten Jahr darüber, dass es langsam voll wird auf unserer kuscheligen re:publica, waren unberechtigt – dieses Jahr ist es nochmal ein ganzes Eck schlimmer. Was vermutlich auch daran liegt, dass zum ersten Mal seit Menschengedenken dass rp-Wetter hundsmiserabel ist. Der Programmpunkt „Mate, Kaffee und Bier trinken im Hof“ fällt damit leider zu einem beträchtlichen Teil aus, zumindest an Tag 1. Das ist durchaus dramatisch, weil das für nicht ganz wenige Besucher, mich eingeschlossen, zu den essentiellen Bestandteilen eines rp-besuchs gehört. Und was macht man, wenn es draußen regnet? Man geht rein und ab und an sogar in Sessions. Das hat den Nachteil, dass es noch voller ist. Bei den großen Sessions wird teilweise schon eine Stunde vorher begonnen, die Plätze zu belegen. Fühlt sich ein bisschen an wie auf Malle mit den Handtüchern.
Also, ich wiederhole gerne nochmal das kleine Lamento vom letzten Jahr: Voller und größer braucht die re:publica jetzt nicht mehr werden. Auch, wenn man ihr natürlich nahezu alles verzeiht, schon alleine wegen des unschlagbaren Klassentreffencharakters.
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Dazu gehört, ebenfalls wie immer, das sichere Gefühl, dass man jetzt gerade was verpasst, obwohl man in einer unglaublich spannenden Session sitzt. Aber bei dieser geballten Masse an großartigen Leuten und Themen muss man sich automatisch damit abfinden, den größten Teil eben nicht zu sehen. Vermutlich ist die re:publica genau deshalb so sinnbildlich für unser aller digitales Leben. Das meiste rauscht an uns vorbei und wir haben alle Mühe, irgendwie hinterher zu kommen.
Noch zwei Tage rp17. Ich freu mich.