Am Montag beginnt in Berlin die re:publica. Mit einem Leitmotto, das erstmal ein bisschen nach netter Naivität klingt. In Wirklichkeit wird es höchste Zeit, den Umgang miteinander im Netz weit nach oben auf der Tagesordnung zu stellen. Weil man sich an unwirtlichen Orten ja eher ungern aufhält…Read More
Unlängst habe ich mir den Spaß gegönnt und auf den diversen Seiten, auf denen ich so rumturne, die diversen Beschimpfungen angeschaut, die mir die verschiedensten User gewidmet haben. Gemessen an dem, was man heutzutage alles unter dem Begriff „freie Meinungsäußerung“ sammelt, war es wirklich ok. Und außerdem ist es ja dann auch schon wieder eine lustige Vorstellung, wenn man sich Berufsgeiferer mit reichlich Schaum vor dem Mund vorstellt. Wie sie nicht mal den Mumm haben, das Kind und manchmal auch sich selbst beim Namen zu nennen. Und wie ihr Leben irgendwie ziemlich trübselig sein muss, wenn man ernsthaft nichts Besseres zu tun hat, als jeden Tag irgendjemandem vor die Füße zu kotzen.
Diese – buchstäblich – Kotzbrocken gibt es leider im Netz an jeder Straßenecke, in allen Variationen. Vom Danke-Merkel-Schreihals bis hin zur intellektuell-verbrämten Ausgabe. Es wundert mich, nebenbei bemerkt, ja jedesmal, wie groß das Aggressions-Potential des Durchschnittsdeutschen sein muss. Schon erstaunlich, das: Gibt es wirklich so viele trübselige Menschen, die glücklich sind, wenn sie kotzen können? Und saufen die dann im echten Leben auch, bis sie kotzen? Weil das so ein schönes, erhebendes Gefühl ist?
Es gab jedenfalls unbestritten schon mal lustigere Tage im Netz. Solche, in denen man sich darauf verlassen konnte, dass eine wie auch immer geartete Meinungsäußerung für leidenschaftliche Debatten sorgt. Das war manchmal ermüdend, aber meistens doch irgendwie unterhaltend und ab und an sogar erkenntnisbringend. Mittlerweile muss man grundsätzlich damit rechnen, ziemlich schwach angepöbelt zu werden. Die Stimmung hat sich ziemlich verdüstert im Netz und auch auf der Welt. Anders wäre es kaum vorstellbar, dass Begriffe wie Hatespeech inzwischen zum Standard-Vokabular gehören und dass Menschen für sowas wie Fakten auf die Straße gehen müssen.
Geht´s eigentlich noch?
Auf der anderen Seite tröste ich mich damit, dass das Netz selbst in seinen hässlichen Ausprägungen immer noch ein ziemlich exaktes Spiegelbild der realen Welt ist, auch wenn manche unschönen Eigenschaften etwas extremer ausgeprägt sind. Aber warum sollten Menschen im Netz, noch dazu im Schutz potentieller Anonymität, anders sein als im echten Leben? Und dass sie im echten Leben Lämmer sind, die im Netz plötzlich zu eher unangenehmen Zeitgenossen mutieren, braucht ja auch niemand glauben.
Trotzdem: Im echten wie im virtuellen Leben schadet es ja nicht , irgendwann mal einzuschreiten, wenn die Menschen zu viel kotzen, pöbeln, hassen oder sich anderweitig schlichtweg inakzeptabel aufführen. Klar muss man dann auch mal ein paar von der Party ausschließen. Aber es schadet auch nicht, wenn man ab und an die Grundregeln erinnert.
Bei der re:publica, um endlich diesen Kreis zu schließen, haben sie seit jeher ein gutes Gespür für Themen. Für die ganz großen Trends, die dieses Netz und damit ja dann doch auch wieder unser ganzes Leben beherrschen. Dass das Motto in diesem Jahr „Love out loud“ lautet, ist erstens natürlich kein Zufall und zweitens ziemlich treffend. Weil man am Ende ja dann doch gerne hätte, dass das Netz ein guter Ort ist. Und keine Müllhalde, aus der man sich mühsam die zweifelsohne vorhandenen Perlen raussuchen muss. Müllhalden sind ja ohnehin schon eher unangenehme Orte. Wenn man dort auch noch einer Horde pöbelnder und schreiender Zeitgenossen begegnet…
Auf der anderen Seite: Offline ist keine Option. Aufgeben auch nicht.
Am Montag beginnt die re:publica. Selten war das eine bessere Nachricht.