Bisher dachte ich ja meistens über die Probleme deutscher Regionalzeitungsverlage, dass dies hauptsächlich eine Sache des Inhalts und damit der Redaktion ist. Aufzählen muss man das alles ja nicht mehr: mäßig inspirierte Mantelteile mit viel Agentur und wenig eigenem Antrieb, dazu Lokalteile, die man durchblättert – und das war es dann in den meisten Fällen auch schon wieder. Was aber, wenn die Probleme solcher Häuser tiefer gehen? So tief, dass sich eine erstaunliche Grund-Wurschtigkeit in die DNA des Verlags eingeschlichen hat, so tief, dass man Leser weniger für Kunden als für lästige Bittsteller hält? Und man denkt, Zeitung gebe es immer weiter – also eine Art Naturgesetz? Read More
Vor kurzem habe ich mich überzeugen überreden lassen. Von einer dieser bedauernswerten Frauen, die man in Supermärkten und anderen öffentlichen Stellen positioniert und die einem dann irgendwelche Probeabos andrehen. Ich habe keine wirkliche Ahnung, was mich geritten hat, die Zeitung der Heimat probeweise zu abonnieren. Vielleicht wollte ich ja nicht nur mein Gewissen beruhigen und der armen Frau etwas Gutes tun, sondern einfach schauen, wie sich so eine Zeitung eigentlich im täglichen Gebrauch macht (mein letztes echtes Abo einer Regionalzeitung hatte ich 1997 gekündigt und seitdem eher sporadisch reingeschaut).
Dass das journalistische Ergebnis nicht so wirklich überzeugend war, hatte mich nicht so sehr überrascht in den letzten Wochen. Was mich viel mehr wundert: wie unglaublich schlampig solche Verlage mit Kunden umgehen, von denen man ja annehmen könnte, dass man sie einigermaßen sorgsam pflegen sollte.
Seit sechs Wochen habe ich das Abo jetzt. Viermal ist die Zeitung seitdem nicht zugestellt worden, davon an zwei Wochenenden, was ja irgendwie besonders ärgerlich ist. Viermal habe ich online eine „Zustellreklamation“ geschickt. Viermal habe ich eine Antwort bekommen, die mich an allem zweifeln lässt. Insbesondere an der technischen Kompetenz des Hauses und ein kleines bisschen auch daran, ob jemand dort schon mal was von Kundenfreundlichkeit gehört hat: eine leere Mail, in der im Betreff „Zustellreklamation“ steht und sonst nix. Keine Anrede, kein Text, kein gar nix. Man kann jetzt auswürfeln, ob sich da jemand drum kümmert. Oder ob im Kontext einer solchen Mail nicht irgendwie auch steht: Ist ja gut, wir haben es registriert, jetzt nerv nicht rum.
Es gibt ein paar Sachen, die erzähle ich jedem meiner Kunden. Die sind keineswegs originell, aber ich erzähle sie trotzdem, weil sie an Bedeutung kaum zu überschätzen sind. Beispielsweise:
- Man darf ungefähr jeden Mist im Blatt haben. Aber man darf einen zahlenden Kunden nie vergraulen mit mangelndem Service.
- Vertrieb ist überlebenswichtig, egal ob analog oder digital. Eine nicht funktionierende Zustellung, ein gescheiterter Download ist schlimmer als zehn missratene Leitartikel.
- Wenn ihr etwas falsch macht, entschuldigt euch sofort.
- Schafft Abhilfe, bevor der Kunde nachfragt, wie ihr Abhilfe schafft.
- Lernt von den USA, deren Service-Kultur. Und auch von deren Unternehmen.
Nur ein kleines Beispiel: Wenn man etwas bei Amazon reklamiert oder nachfragt, bekommt man via Formular den Hinweis, dass in 30 Sekunden das Telefon läuten wird. Das passiert dann auch tatsächlich. Und in der Tat: Es wird eine Abhilfe geschaffen, so oder so. In München ist es mir sogar mal passiert, dass ein falsch geliefertes Teil zwei Stunden (!) später von einem Boten ausgetauscht wurde.
Und noch was: Bei meinem letzten USA-Trip hat sich ein Kassierer vertippt, noch dazu zu seinen Ungunsten. Als wir ihm aus seinem kleinen Malheur herausgeholfen hatten, hat er sich ungefähr zehnmal entschuldigt und uns noch eine Tüte Pommes zugesteckt. Hätte es nicht gebraucht, aber hey: In den USA ist der Kunde König und hier eben immer noch oft genug lästiger Besucher.
Schon klar, eine Regionalzeitung ist nicht Amazon. Und wegen einer fehlenden Zeitung muss man sich jetzt auch nicht gleich in den Staub werfen. Aber das hier zur Debatte stehende Haus gehört dann doch zu den großen Verlagen in Deutschland und erweckt halt einfach den Eindruck, keinen Bock zu haben. Weil man ein solches Thema auch als mittelständisches Unternehmen ganz anders und viel besser lösen könnte als mit schlecht programmierten Mails.
Warum das hier steht? Ich bin ziemlich baff, immer noch. Weil ich merke, wie wenig in solchen Häusern ein Bewusstsein dafür angekommen ist, wie sehr sie in einem radikalen Wandel stecken. Weil sie immer noch meinen, unverzichtbarer Bestandteil des täglichen Lebens zu sein, der dann, wenn alle Stricke reißen, irgendwie schon der Politik leistungsrechtgeschützt zu werden.
Fürs Erste, liebe Verlage, hätte ich einen kleinen Tipp: Weniger die öffentlich-rechtlichen wegen ihrer Apps und Google wegen ihrer Snippets verklagen und stattdessen Hausaufgaben machen.
Mein Abo habe ich übrigens dann heute gekündigt.
Geantwortet hat niemand.
Update, Dienstag, 18.4., ca. 10 Uhr: Auch heute, drei Tage später keine Reaktion. Dafür auch heute wieder keine Zeitung. Und Spam-Kommentare eines dem Verlag offenbar sehr nahestehenden Menschen mit gefakter Mail-Adresse, der mich beschimpft, ich solle erst mal richtige Rechtschreibung lernen, ehe ich hier Verlage beschimpfe. Kann man machen, Kollegen, kann man so machen.
Update, Dienstag, 18.4., ca. 15 Uhr: Es lebt und es spricht. Besser gesagt, es schreibt per automatisierter Mail: „Sehr geehrter Herr Jakubetz,
vielen Dank für Ihre Mitteilung. Wir bedauern es sehr, dass Sie Ihre Zeitung am 15.04.+.18.04.2017 nicht erhalten haben und bitten hierfür um Entschuldigung.
Selbstverständlich werden wir Ihnen die fehlenden Ausgaben an Ihr Abonnement anhängen. Ihre Reklamation geben wir umgehend zur Klärung an unseren Zustelldienst weiter. In Zukunft sollte die Zustellung wieder reibungslos funktionieren. Sollte es wider Erwarten doch zu Schwierigkeiten kommen, würden wir Sie bitten, uns eine kurze Nachricht zukommen zu lassen. Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Abo-Service
In der Wissenschaft heißt es doch, dass sich eine neue Theorie primär deshalb durchsetzt, weil die Vertreter der aktuellen/alten Theorie wegsterben.
Ggf ist es mit Verlagen, Zeitungen und Verlegern ja ähnlich.
@Uwe: Da eine Theorie als ein System von bewiesenen und empirischen Aussagen einen Ausschnitt der Realität darstellt, bezweifele ich, dass dieser Treppenwitz unter Wissenschaftlern gebräuchlich ist. In diesem Witz wird das Wort „Theorie“ wieder wissenschaftlich falsch verwendet, daher würde ich die Hypothese aufstellen, dass die Aussage von wissenschaftsfeindlichen Gruppierungen in die Welt gesetzt wurde.
Ist zwar OffTopic, aber Falschaussagen muss man bekämpfen, wo sie grassieren.
Hallo Christian,
Amazon ist mit seinem Service bei mir schon mal über das Ziel hinausgeschossen.
So hatte ich bezüglich einer kleinen Lieferreklamation (hier: Verpackung) 2 Tage später das Gerät (ein Bohrhammer) ein 2. mal (!) erhalten.
Für mich – der viel im Internet bestellt – ist der Service in Deutschland bisher immer gut bis sehr gut, aber auch der Service vor Ort…
Gruß
Versuch mal einen Termin für eine Probefahrt zu bekommen. Solange man mit dem Autohersteller direkt kommuniziert ist alles bestens, sobald der lokale Autohändler am Ball ist war es das mit Kundenzufriedenheit.
Ich habe bei zwei Herstellern Termine gemacht und kein Autohaus hat sich bisher für die eigentliche Probefahrt gemeldet.
Vielleicht sehen es die Autohäuser noch anders aber geht es ihnen nicht wie den Verlagen? Sie stehen in Konkurrenz mit dem Internet und wenn Sich der lokale Händler nicht bemüht suche ich mir einen anderen.
Der Grund für den tollen Service in den USA ist allerdings der Tatsache geschuldet, dass man wegen jeder Kleinigkeit fristlos rausgeworfen (Angestellte) oder auf Millionen verklagt werden kann (Unternehmen). Das ist also nicht unbedingt Freundlichkeit der Freundlichkeit wegen, sondern aus blanker Angst vor Jobverlust und Bankrott. Soweit soll es auch gar nicht gehen in D. Man wäre, wie im Artikel angesprochen, schon mit simples Höflichkeitsfloskeln zufrieden. Also mit dem Minimum, was man als Kunde von jemandem erwartet, der einen als Kunde behalten will. Schönes Beispiel, wie man es nicht machen sollte, waren die ersten Jahre nach der Privatisierung der Staatsbetriebe Bahn und Post. Da war man immer der unerwünschte Kunde, der es wagt, dem hohen Beamten die Zeit zu stehlen. Bei der Telekom kommt man sich immer noch so vor, was wohl dem Quasi-Monopol bei der letzten Meile geschuldet ist. Es ist wirklich nicht schwer, Menschen zu finden, die nett und freundlich sein können. Die setzt man dann in den Kundenkontakt. Die bedanken sich für den Anruf in einer Form, dass man es ihnen auch glaubt. Die wünschen einen schönen Tag und meinen es. Die entschuldigen sich in aller Form für entstandene Mängel, Probleme und Missverständnisse und kämen niemals auf die Idee, den König Kunde zu beschuldigen (auch wenn der tatsächlich schuld ist). Firmenkontakte müssen butterweich und cremig sein, harte Autoritäten kommen erst in zweiter oder dritter Verteidigungslinie vor. Wird man gut behandelt, kommt man wieder. Wird man es nicht, gibt es 100 weitere Konkurrenten, die man testen kann. Zu manchen Läden fahren ich lange Strecken, weil ich weiß, dass die es wert sind. Und ich zahlen auch mehr.
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Na ja, das mit der fehlerhaften Zustellung passiert mir auch mal, es gibt Häuser, die man sich nur schlecht merken kann und dann sind nach solchen Aktionen relativ viele Änderungen drauf, bei uns passiert das öfter, wobei die Probeabos kürzer sind. Bleibt am Ende der Tour eine Zeitung übrig, schaue ich nochmal die Änderungen durch, aber wenn mir da nix auffällt, war es dann auch, dann fahre ich nach Hause und fertig.
Wir sind zig mal um- und ausgelagert worden, alles, was es mal extra gab, ist futsch, bei den immer neuen Verträgen weggekürzt, es gibt einen reduzierten Mindestlohn, wobei ich für die Tour zwischen einer Stunde und 15 Minuten bis 1,5 Stunden brauche, mit Liste dauert es immer einen Tick länger, aber immer nur eine Stunde angerechnet bekomme, es lohnt sich wirklich nur sehr bedingt und als Austräger kann man sich aus eben diesem Grund auch relativ viel rausnehmen …
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