Die Wahl im Saarland war noch nicht richtig ausgewertet, da durfte man sich mal wieder die Frage stellen: Wie weit kann man Journalisten und anderen Meinungsmachern noch trauen?
Keine Sorge, ich bin nicht unter die Populisten gegangen und brülle jetzt auch irgendwas von „Lügenpresse“. Aber ein paar Gedanken über den ritualisierten Journalismus darf man sich ja schon mal machen, vor allem dann, wenn einem der eigene Berufsstand doch noch ein wenig am Herzen liegt. Und der hat keinen guten Eindruck hinterlassen in den letzten Tagen, was dummerweise den Lügenpresseschreihälsen ein bisschen Wasser auf die Populistenmühlen geben könnte.
Read MoreUnbestritten ist nur leider, dass man in den vergangenen Wochen den Eindruck gewinnen musste, es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann Kanzlerin Merkel abtreten und dem Superschulz freiwillig das Kanzleramt übereignen würde. Es war demnach zweitens das winzige Saarland nur ein weiterer Schritt in diese Richtung, zumal sich dort auch zeigen sollte, dass das bisher eher igittbäh-rotrote Konstrukt unter einem Superschulz ebenfalls möglich sei. Über beides könnte man heute angesichts einer 40-Prozent-CDU herzlich lachen, wenn es nicht so bedrückend wäre.
Weil sich angesichts dessen nicht nur mal wieder die Frage nach dem ganzen Umfragezeugs stellt, sondern auch eine andere: Haben wir uns als deutsche Journalisten ebenso weit von der Realität entfernt wie die Kollegen in den USA?
Gut, Schulz ist kein Trump und Zustände wie drüben sind auch nicht denkbar. Trotzdem: Kein Wahlforscher und kein Journalist hat in Erwägung gezogen, die CDU könne in die Nähe der absoluten Mehrheit geraten. Stattdessen: Schulzeffekte und Schulzzüge allerorten. Und Deutsche, die allenthalben die Nase voll haben von der Dauerkanzlerin und ihrer Partei. Nun ist das Saarland nicht der Bund, bis Herbst kann noch viel passieren und eine Testwahl für Berlin war das auch nicht. Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, dass bei diesem ganzen Geschwafel der letzten Wochen schon auch ein bissel journalistisches Wunschdenken oder zumindest journalistische Abgehobenheit mit im Spiel war.
Das ist nicht gut; gar nicht gut. Die Vertrauenswerte für Journalisten sind ja ohnehin nicht mehr so rasend hoch. Wenn man sich dann wieder derart verhaut wie im Saarland, wundert man sich besser über nichts mehr. Nicht mal über Kollegen, die schulterzuckend darauf hinweisen, dass die Umfragen eben so ausgesehen hätten und nicht anders.
Was, nebenbei bemerkt, eins schöner Anlass wäre, mal wieder mehr rauszugehen, selbst zu recherchieren und den Kopf einzuschalten, anstatt sich darin zu erschöpfen, fragwürdige Umfragen zu analysieren.
Zwischen Vertrauen und Selbstdarstellung
Journalisten müssen, Vorsicht, Binse, wieder per se zu vertrauenswürdigen Menschen werden. Das ist gar nicht einfach. Zumindest nicht in einem Zeitalter, in dem man Journalisten eher nicht zu den vertrauenswürdigen Spezies zählt. Was also tun? Transparent sein, Quellen so weit wie möglich offenlegen, mit Menschen interagieren. Vor allem letzteres ist inzwischen fester Bestandteil unserer Job-Beschreibung – oder sollte es zumindest sein. Das würde zudem den Vorteil bringen, dass man wieder etwas näher dran wäre an den Realitäten. Näher, als es Umfragen oft sind.
Das Thema wird ja ohnehin gerne diskutiert. Und meistens wird dabei etwas verwechselt: Präsenz und Transparenz im Netz und Selbstdarstellung, das sind zwei grundverschiedene Dinge. Natürlich kann man Netz auch zum Selbstmarketing nutzen und nicht ganz wenige machen das auch. Aber das ist in etwa genauso weit auseinander wie Journalismus und PR. Beides legitim, aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Trotzdem, liebe Kollegen: rein ins Netz, raus zu den Menschen, wieder zuhören lernen und nicht nur dauernd selber quasseln. Ich werde manchmal den Eindruck nicht los, dass genau diese Fähigkeit des Zuhörens verloren gegangen ist; vor allem in Zeiten, in denen man insbesondere in sozialen Netzen so wunderbar vor sich hinquasseln kann, ohne dass es jemand außerhalb der eigenen Bubble mitbekommt.
Der letzte exklusive Content: Ich!
Es gibt aber auch noch einen anderen Aspekt, weswegen der Journalist als Person zunehmend wichtiger wird. Zu den Zeiten, als es eine Zeitung vor Ort und ein paar kleine Sender gab, war es völlig ausreichend, die Identität von Journalisten hinter ein paar mehr oder weniger kryptischen Kürzeln zu verstecken. Weil damals das Medium die Botschaft war und man davon ausgehen konnte, dass ein Nutzer eine Geschichte beispielsweise in der Zeitung auch nur in dieser Zeitung lesen würde. Heute liest ein Nutzer eine Nachricht im Kern potentiell an 20 verschiedenen Stellen; keine Spur mehr von Exklusivität. Die Frage ist mittlerweile also nicht mal so sehr, ob man eine Geschichte erzählt – sondern vielmehr: wie. Die Frage nach dem wie ist wiederum maßgeblich dann beeinflusst, wer eine Geschichte erzählt. Und natürlich davon, für wie vertrauenswürdig man diesen einen welchen hält.
Menschen statt Marken heißt nicht, dass Menschen plötzlich Marken sind
Ach ja, klar, hat man ja alles schon mal gehört: Journalisten müssten demnach zu Marken werden, weil die Menschen weniger mit Marken anstatt mit Menschen zu tun haben wollen. Wer unbedingt zur Marke werden will, bitte sehr, das kann man schon machen. Es wäre aber trotzdem eine halbwegs dumme Entscheidung, weil es dem geschilderten Gedanken zuwiderliefe, dass es eben nicht mehr die Marken alleine sind, die interessant sind. Möglicherweise ist es sogar eher eine Kombination: wenn beispielsweise ein spannender Typ für eine interessante Marke arbeitet.
Davon abgesehen, es ist so furchtbar anstrengend und irgendwie auch ermüdend, Journalisten bei dem Versuch zuzusehen, sich selbst zum Brand für irgendwas zu stilisieren. Zumal Journalisten, und da sind wir dann wieder ziemlich am Anfang, eigentlich nur ein echtes Kapital haben. Ihre Glaubwürdigkeit nämlich; die lässt sich allerdings nur schwer inszenieren. Davon abgesehen kann solches Inszenierungs-Getue auch kontraproduktiv sein: Für wie glaubwürdig hält man eigentlich jemanden, der sich erstmal inszenieren muss? Man hat dann insgeheim die Befürchtung, dass es hinter der inszenierten Fassade ungefähr so aussieht wie bei einer ungeschminkten Heidi Klum.
Back to the roots also. Nicht im technischen Sinne. Niemand kann und will die Zeiten des Netzes wieder in analoge Tage zurückdrehen. Nichts gibt es gegen soziale Netze per se zu sagen und auch nichts dagegen, dass sich Journalisten dort aufhalten. Wohl aber gegen die Folgen von Bubbles und von der Tatsache, dass man heutzutage ja ganz wunderbar Content produzieren kann, ohne wirklich rauszugehen und ohne mit Menschen zu reden. Zumindest mit solchen, die einen auch mal ordentlich gegen den Strich bürsten.
In den USA übrigens fangen die großen Redaktionen gerade wieder mit journalistischen Urtugenden an. Mit Investigativ-Teams, mit großen Reporter-Einheiten. Über Technik haben wir lange genug geredet und gerade die Digitalisten unter uns haben sich auch lange genug an ihr ergötzt.
Jetzt langt´s dann bald damit. Machen wir allmählich wieder unseren Job.
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„In den USA übrigens fangen die großen Redaktionen gerade wieder mit journalistischen Urtugenden an. Mit Investigativ-Teams, mit großen Reporter-Einheiten. Über Technik haben wir lange genug geredet und gerade die Digitalisten unter uns haben sich auch lange genug an ihr ergötzt.“ Respekt, für diese Einsicht! Journalismus ist eben etwas anderes, als Gleichmacherei. Technik ist wunderbar, aber echter Jouralismus gigantisch. Ja, machen wir endlich wieder unseren Job!